Siemens und Alstom Konkurrenten legen Zuggeschäft zusammen

Siemens legt sein Zuggeschäft mit dem französischen Konkurrenten Alstom zusammen. Laut Siemens sei eine „Fusion unter Gleichen“ geplant. Der Zusammenschluss war bereits vor rund drei Jahren im Gespräch.

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Siemens und Alstom haben jeweils ein ähnlich großes Zuggeschäft. Quelle: dpa

Siemens und Alstom wollen einen neuen europäischen Zugriesen schmieden. Die Aufsichtsräte beider Konzerne gaben am Dienstagabend grünes Licht für das Projekt. Entstehen soll ein Zug- und Bahntechnik-Konzern mit dem Namen Siemens Alstom, rund 62.000 Mitarbeitern und etwa 15 Milliarden Euro Umsatz.

Siemens soll 50 Prozent an dem neuen Unternehmen halten. „Dieser deutsch-französische Zusammenschluss unter Gleichen sendet in vielerlei Hinsicht ein starkes Signal“, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser. Man setze „die europäische Idee in die Tat um“ und schaffe einen neuen europäischen Champion.

Die beiden Unternehmen bestätigten die Details. Der neue, doppelt so große Alstom-Konzern (künftig: Siemens Alstom) mit den Zugaktivitäten beider Unternehmen soll seinen Sitz weiter in Paris haben und dort auch börsennotiert sein. Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge führt das neue Unternehmen und ist damit künftig auch für den deutschen Hochgeschwindigkeitszug ICE verantwortlich.

Die wichtigsten Antworten zur möglichen Zug-Fusion

Poupart-Lafarge sprach von einem „Schlüsselmoment“ für sein Unternehmen. Das neue Unternehmen werde „Wertschöpfung für Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre schaffen“. Und weiter: „Ich bin besonders stolz darauf, die Schaffung eines solchen Konzerns zu leiten, der zweifellos die Zukunft der Mobilität prägen wird.“

Die beiden Konzerne wollen jährliche Synergien von 470 Millionen Euro spätestens im vierten Jahr nach Vollzug der Fusion bergen. Berlin soll Sitz der Sparte Mobilitätslösungen sein.

Die Entscheidung in den Aufsichtsräten fiel einstimmig. Damit aber ist die Fusion noch lange nicht durch. Da sind vor allem die Kartellprobleme. Zwar ist auch Bombardier in Europa stark, doch wollen sich zwei zentrale Spieler zusammenschließen. „Gerade im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge können die Beteiligten auf Probleme treffen, wenn die Kartellbehörden eine räumlich enge Marktdefinition wählen“, sagte Kartell-Experte Martin Gramsch von der Kanzlei Simmons&Simmons dem Handelsblatt.

Im Umfeld von Siemens und Alstom wird darauf verwiesen, dass der Zugmarkt heutzutage ein globaler sei. Daher könne man nicht allein den europäischen Markt zum Maßstab nehmen, wenn gleichzeitig der neue chinesische Branchenriese CRRC auf die Märkte dränge.

Auch für die EU-Komission sei die Marktdefinition nicht auf Europa beschränkt, betonte Kartellexperte Gramsch. Entscheidend sei die Sicht der Kunden - und die könnten Produkte auch von anderswo beziehen. „Insofern könnte der Bewertung auch ein weltweiter Markt zugrunde gelegt werden.“

„Adäquate Antwort auf die Herausforderungen“

Branchenkenner gehen aber davon aus, dass das Projekt, womöglich mit Auflagen, realisierbar ist. „Die europäische Fusion ist eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen“, sagte ein Brancheninsider. Da sei zum einen der neuen chinesische Weltmarktführer, alles in allem doppelt so groß wie Alstom und die Siemens-Mobility-Sparte zusammen. Zudem habe die ganze Branche ein „Kosten- und Kapazitätsproblem“.

Im Umkehrschluss heißt dies aber auch: Bei allen Zusagen, die es an die Arbeitnehmervertreter geben wird, könnte es am Ende im neuen Konzern an der einen oder anderen Stelle auch Stellenabbau geben. So gibt es viele Doppelfunktionen und freie Kapazitätskapazitäten. Zudem wird es auf Dauer wohl nicht sinnvoll sein, zum Beispiel mit dem TGV und dem ICE zwei verschiedene Hochgeschwindigkeitszüge weiterzuentwickeln.

Die Zugfusion ist der nächste große Schritt beim Umbau des Konzerns durch Siemens-Chef Joe Kaeser. Nach seinem Amtsantritt hatte er vor allem Siemens als integrierten Technologiekonzern herausgestellt. Er wollte mit der Nutzung von Synergien zwischen den Geschäften zeigen, dass das Konglomerat seinen Sinn ergibt.

Die geplanten Stellenstreichungen beim Zugbauer Bombardier sollen ohne betriebsbedingte Kündigungen über die Bühne gehen.

Kaeser hat allerdings einen Strategieschwenk vollzogen: Siemens bekommt stärker den Charakter einer Holding. Das Windgeschäft wurde mit dem Konkurrenten Gamesa zusammengelegt und firmiert nun als Siemens Gamesa mit Sitz in Spanien an der Börse. Auch die Medizintechnik soll als Healthineers im kommenden Jahr an die Börse. Die Motoren für Elektro-Autos brachte Siemens in ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen mit Valeo ein. Nach Informationen des Handelsblatts wurde eine Option vereinbart, dass die Franzosen in ein paar Jahren die Führung übernehmen und Siemens herauskaufen können.

Es gab schon mehrere Anläufe für eine europäische Zugallianz. So bot Siemens-Chef Joe Kaeser im Poker um die Energiesparte von Alstom die eigenen Zugaktivitäten zum Tausch an. Am Ende setzte sich aber General Electric durch und übernahm große Teile von Alstom. Die IG Metall drängte damals darauf, dass Siemens bei einer Zugfusion die Kontrolle - also die Mehrheit - behalten müsse.

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