Werkverträge in der Fleischindustrie Clemens Tönnies blockierte Initiativen seines Neffen und Miteigentümers Robert

Maximilian, Clemens und Robert Tönnies (von links) sitzen im April 2017 auf einer Pressekonferenz in der Firmenzentrale der Tönnies-Unternehmensgruppe in Rheda-Wiedenbrück nebeneinander. Robert Tönnies will die umstrittenen Werkverträge bereits seit sieben Jahren abschaffen, sein Onkel Clemens sträubte sich lange. Quelle: dpa

Nach dem Corona-Ausbruch im Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück stehen Werkverträge wieder in der Kritik. Für ihre Abschaffung machte sich auch Miteigentümer Robert Tönnies stark – mehrfach und seit Jahren.

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Robert Tönnies, Mitinhaber des Tönnies-Konzerns, hat bereits seit Jahren vergeblich versucht, Werkverträge im Unternehmen abzuschaffen und Maßnahmen für mehr Tierwohl durchzusetzen. Gescheitert sind diese Initiativen am Widerstand seines Onkels Clemens Tönnies, Firmenchef und Schalke 04-Boss. Das geht aus internen Briefen und Anwaltsschreiben hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegen.

Robert, Sohn des verstorbenen Gründers Bernd Tönnies, dem die Hälfte des Schlachtkonzerns mit sieben Milliarden Euro Umsatz gehört, wollte demnach schon vor sieben Jahren mittels eines anwaltlichen Auskunftsersuchens von seinem Onkel wissen, warum bei den Werkvertragsarbeitern angeblich kaum fünf Euro Nettoverdienst hängen blieben, obwohl die durchschnittlichen Kosten für eine Werkvertragsstunde im Konzern bei 15 Euro lägen.

Wohin die Differenz versickere, bleibe „im Unklaren“, stellte Robert fest. Für ihn stelle sich zudem die Frage, ob nicht eine Direktanstellung mit Zahlung eines Mindestlohns der bessere Weg sei. Bei einem Mindestlohn von seinerzeit 8,50 Euro würden sich für Tönnies Kosten pro Stunde von 11,80 Euro ergeben.

Zwei Monate später wandte sich Robert Tönnies erneut an Clemens. „Unabhängig davon, wie man generell zum Thema Werkverträge steht, sind diese gänzlich inakzeptabel, wenn sie dazu führen, dass die Arbeitnehmer unangemessen niedrige Löhne erhalten und nicht mal ein Minimum an Arbeitsschutzrechten erhalten,“ lässt er via Anwaltsschreiben mitteilen. So etwas dürfe es bei einem Unternehmen wie Tönnies nicht geben.

In einer Schiedsklage im Juni 2019 stellt Robert fest, das sein Onkel die im Einigungsvertrag getroffenen Klauseln zu Werksverträgen und Tierwohl schlicht ignoriere. Nicht einmal zu einer Publikation der konzernweiten Leitlinien zum Tierwohl sei Clemens bereit gewesen, heißt es in der Klage. Dabei hatten beide offenbar vereinbart, dass die Tönnies-Forschung einen jährlichen Etat in Höhe von drei Millionen Euro erhalten sollte - „als Gegengewicht zur jährlichen Tätigkeitsvergütung seines Onkels in Höhe von fünf Millionen Euro netto“. Die Tönnies-Forschung, so begründet Robert, sei für ihn - auch im Sinne seines Vaters Bernd - extrem wichtig in Fragen der Tierhaltung und möglichst schonender Schlachtungen. „Bis heute steht daher der Forschungs-Etat zu Tierhaltung, Tiertransport und schonenden Schlachtbedingungen nur auf dem Papier,“ heißt es in der Schiedsklage.

Am vergangenen Samstag hatte Clemens Tönnies bei einer Pressekonferenz behauptet, er wolle die Branche verändern. Das habe nichts mit dem aktuellen Corona-Ausbruch im Schlachthof am Konzernsitz in Rheda-Wiedenbrück zu tun. Vielmehr denke er „schon lange darüber nach“. Mittlerweile gab das Unternehmen bekannt, künftig keine Werkverträge mehr abschließen zu wollen.

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Sarah Dhem ist Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Fleischwarenindustrie. Über Produktionsbedingungen, bekannte Missstände und die eigenen Erfahrungen während der Coronakrise berichtet sie im Interview mit der WirtschaftsWoche.

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