Zeitarbeit Gefährliche Grauzone

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Löhne bleiben gedeckelt

Zeitarbeitskraft Scheibell profitiert vom Metall-Lohnzuschlag Quelle: Ansgar Werrelmann für Wirtschaftswoche

Zudem kann Ehret die Lohnzuschläge begrenzen. Theoretisch könnte Scheibells Bruttostundenlohn nach neun Monaten auf über zwölf Euro klettern. Doch wenn der Entleiher gegenüber dem Zeitarbeitsdienstleister erklärt, wie viel Stammkräfte mit vergleichbaren Tätigkeiten verdienen, wird der Zeitarbeitszuschlag gedeckelt. Die Formel für den Höchstzuschlag eines Leiharbeiters heißt: Lohn der vergleichbaren Stammarbeitskraft abzüglich zehn Prozent.

Hier zeichnen sich Konflikte zwischen Einsatzbetrieben und Verleihern ab. "Manche Kunden wollen die Vergleichslöhne nicht offenlegen", sagt Orizon-Chef Dieter Traub. Etwa, weil sie Probleme mit dem Datenschutz fürchten oder so viel Transparenz gegenüber den Zeitarbeitsunternehmen nicht wollen. Werden aber Vergleichslöhne willkürlich festgesetzt, um Lohnzuschläge zu vermeiden, gibt es Ärger mit den Gewerkschaften und ein neues Betätigungsfeld für Anwälte und Arbeitsgerichte.

Für einige Zeitarbeitskräfte wären die Zuschläge eine Verschlechterung

Andere Unternehmen haben größere Probleme mit dem Lohnschub. Die Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg befürchtet jährlich fünf bis sechs Millionen Euro Mehrkosten bei den 300 weitgehend langfristig eingesetzten Zeitarbeitern. Die Verträge für sechs Kreuzfahrtschiffe nachzuverhandeln geht nicht. Hans-Artur Wilker, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Meyer-Neptun-Gruppe, denkt deshalb über mehr Flexibilität nach: die Wochenarbeitszeit könnte künftig zwischen 30 und 48 Stunden schwanken, der Urlaub mit dem Arbeitsvolumen synchronisiert und Mitarbeiter an verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden.

Programmierter Zuwachs

Für Konzerne ist die Lage anders. Die 5500 Siemens-Zeitarbeitskräfte werden so gut bezahlt, dass für einige die Lohnzuschläge sogar eine Verschlechterung darstellen würde. BMW entlohnt seine rund 12 000 Zeitarbeiter vom ersten Tag an nach Metall-Tarif. Gleichwohl geht der Autohersteller unter dem Druck der IG Metall neue Wege und stellt rund 3000 der Fremdkräfte ein. Zum Ausgleich werden Arbeitszeitkonten eingerichtet, auf denen BMW-Mitarbeiter bis zu 300 Arbeitsstunden ansammeln können. Werksurlaube, Vier-Tage-Wochen, Kurzarbeit oder unbezahlte Freizeit sollen Nachfrageeinbrüche auffangen. Nur wenn es nicht anders geht, wird die Zahl der Leiharbeiter erhöht.

Manpower rechnet mit 20 Prozent Umsatzrückgang

Die Skepsis der Arbeitskräfteverleiher wächst. Vera Calasan, Deutschland-Chefin von Manpower, der viertgrößten Zeitarbeitsfirma in Deutschland, schätzt, dass 150 000 der zurzeit rund 850 000 Zeitarbeitsjobs auf der Kippe stehen: "Das halte ich für realistisch." Einzelne Aufträge würden nicht verlängert – konjunkturbedingt oder wegen der Zuschläge: "In einem Worst-case-Szenario gehen wir von einem Umsatzrückgang von 20 Prozent aus." Gleichzeitig steigen die administrativen Kosten. Die Lohnabrechnungen seien wegen der variantenreichen Zuschlags-Tarifverträge nun "der blanke Horror", sagt Manpower-Chefin Calasan.

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