IT-Branche in Weißrussland Apps aus der Diktatur

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Verzahnung von Spielen in sozialen Medien

Das US-Unternehmen verdient bei Facebook Geld mit Spielen wie FarmVille, Mafia Wars oder Zynga Poker. Um mitzudaddeln, müssen die Spieler allerdings an einem PC oder Laptop sitzen. Gromakowski will nun die Viaden-Pokerspiele mit Facebook verzahnen. Den Spielern soll gar nicht mehr auffallen, ob ihre Widersacher am virtuellen Pokertisch per iPad, Android-Handy oder Büro-PC zugeschaltet sind.

Zynga dominiert das Geschäft mit den sogenannten Social Games und will dieses Jahr noch an die Börse und dabei mindestens eine Milliarde Dollar einsammeln. Dass sich ausgerechnet eine Klitsche aus Minsk erdreistet, den Internet-Riesen anzugreifen, hat bisher kaum einer wahrgenommen. Das ist vielleicht sogar ein Vorteil.

Die Viaden-Büros liegen im zweiten Stock der Shoppingmall "Brücke" im Süden von Minsk. Einen Aufzug gibt es nicht. Wände und Parkett der Großräume sind weiß, schmucke, schwarze Ledersofas setzen den Kontrast. Die Stöckelschuhe von Natalia Bachar klacken auf den Holz-dielen. Kurz vor dem Abschied sagt sie trotzig: "Uns wollten schon mehrere Giganten kaufen, aber wir lassen uns nicht kaufen."

Derlei Selbstbewusstsein ist ungewöhnlich für ein Land wie Weißrussland, das in einer schlimmeren Wirtschaftskrise steckt als Griechenland. Seit Nachbar Russland den Bruderstaat nicht länger mit billigem Gas und Öl subventioniert, steigt das Defizit in Haushalt und Leistungsbilanz. Die Devisen werden knapp, immer wieder kommt es zu Hamsterkäufen.

Jeden Mittwoch verabreden sich junge Leute per Facebook, um auf öffentlichen Plätzen schweigend in die Hände zu klatschen – stiller Protest gegen Lukaschenko, der sein Land mit Vollgas an die Wand fährt. Jedes Mal lässt er Hunderte Teilnehmer verprügeln und einknasten. Um dem zu entgehen, haben sich die Weißrussen eine neue Protestform ausgedacht: Jeden Abend um sechs Uhr lassen sie den Wecker ihrer Handys klingeln.

Auch Mitarbeiter von Sam Solutions waren bei den Demos dabei. Aber bislang ist zum Glück keiner im Knast gelandet, sagt Andrei Bakhirev, Gründer und Geschäftsführer. "Als privates Unternehmen haben wir einen Vorteil", sagt der 47-Jährige mit dem feinen Sinn für Ironie, "wir müssen unsere Mitarbeiter nicht entlassen, wenn sie demonstrieren."

Sam Solutions arbeitet als Auftragsprogrammierer für Konzerne wie Siemens, SAP oder die Deutsche Telekom. Kritik am Staat kann sich Bakhirevleisten: Er besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft, lebt in Lettland, und sein 1993 gegründetes Unternehmen ist in Gilching bei München registriert, obwohl fast alle der 600 Mitarbeiter in Minsk programmieren.

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