Votum für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Die Schweizer Abstimmung gibt ARD und ZDF Rückendeckung

Die Schweizer entscheiden sich für einen Fortbestand ihrer Rundfunkgebühren. Die Debatte könnte auf Deutschland abstrahlen.

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Düsseldorf Die Revolution bleibt aus: 71,6 Prozent der Schweizer stimmten am Sonntag für den Erhalt der umstrittenen Rundfunkgebühren. Die Initiative No-Billag hatte die Volksabstimmung herbeigeführt. Billag nennt sich in der Schweiz die Organisation, die die Gebühren für den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk bei den Bürgern eintreibt – ähnlich wie der Beitragsservice in Deutschland.

Mit einem derart positiven Ergebnis hatten die Wenigsten gerechnet – schließlich steht das öffentlich finanzierte Mediensystem, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, massiv in der Kritik.

Erleichterung deshalb in Deutschland in den Reihen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ulrich Wilhelm, Vorsitzender der ARD, nannte den Ausgang der Abstimmung „ein wichtiges Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus auch über die Schweiz hinaus“. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei eine Klammer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Es sei falsch, allein auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen. „Mit einer Vielzahl an Marktlösungen und Bezahlmodellen wird es nicht gelingen, für die unterschiedlichsten Interessen ein so breites Gesamtpaket in dieser Qualität und regionalen Vielfalt zu liefern“, sagte Wilhelm.

Der Schweizer Volksabstimmung vorangegangen war eine lange Diskussion um die Rolle des öffentlich finanzierten Mediensystems in Zeiten der Digitalisierung und des Erstarkens neuer Wettbewerber wie Google und Facebook. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hatte für den Fall, dass die Gebühren bleiben, umfangreiche Reformen angekündigt. Der Beitrag der Schweizer wird 2019 außerdem von 451 auf 365 Franken (umgerechnet etwa 316 Euro) gesenkt, das hatte die Regierung zuvor – unter dem Druck der Abstimmung - beschlossen.

Die Volksabstimmung sorgte für Bewegung, denn es gibt weitere Konsequenzen: In Abgrenzung zum privaten Fernsehangebot sollen Filme künftig nicht mehr durch Werbung unterbrochen werden. Kulturprogramme aus der Schweiz würden ausgebaut, so hieß es, und Privatsender könnten Archiv-Inhalte der SRG nutzen.

„Das klare Votum der Schweizer für die Beibehaltung der Rundfunkgebühren nimmt sicher erst einmal Druck von den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland“, sagte Lutz Frühbrodt, Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Hätten sich die SRG-Gegner in der Schweiz durchgesetzt, so sagt er, hätte dies die Debatte in Deutschland neu angeheizt und möglicherweise auch die Front derjenigen erweitert, die die Öffentlichen-Rechtlichen in Deutschland zusammenstutzen oder gar abschaffen wollen. „Bisher ist es ja fast nur die AfD, die gegen die Öffentlichen wettert, weil sie auf diese Weise ihr unliebsame Berichterstattung eindämmen oder gar ausschalten will.“

Bei einer Umfrage in Deutschland für die Zeitungen der Funke Mediengruppe sprachen sich immerhin 39 Prozent der Befragten für eine Abschaffung von ARD und ZDF aus. Rund 55 Prozent waren dagegen. In Deutschland geht es um insgesamt mehr als acht Milliarden Euro, die jedes Jahr von den Bürgern eingesammelt und auf die Landesrundfunkanstalten der ARD, an das ZDF, das Deutschlandradio sowie an die 14 für die Aufsicht des privaten Rundfunks zuständigen Landesmedienanstalten weitergeleitet werden.

Medienprofessor Frühbrodt begrüßte die angekündigten Sparmaßnahmen in der Schweiz: „Solche Maßnahmen werden auch auf Deutschland abstrahlen. Die Debatte der nächsten Zeit sollte aber nicht nur darüber geführt werden, in welchem Ausmaß die Öffentlich-Rechtlichen sparen und so die Rundfunkgebühren gesenkt werden können. Im Mittelpunkt sollte vielmehr stehen, welche Kernaufgaben sie wahrnehmen sollten – und was überflüssig ist.“ Frühbrodt plädiert für eine „viel größere Transparenz als bisher bei den Kostenstrukturen".

Das sieht Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) und Geschäftsführer des Privatsenders N-TV, ähnlich. „Zu hohe Kosten und ein fehlendes klares öffentlich-rechtliches Programmprofil mit einem gefühlten echten Mehrwert für die Mediennutzer sind die Hauptursachen, die diese Entwicklung auch hierzulande befördern“, sagte er zu der anhaltenden Debatte um die Sinnhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Für einen echten Rückhalt in der Bevölkerung brauche es deshalb „einen klar definierten Grundversorgungsauftrag und ein fokussiertes Angebot von ARD und ZDF“. Dazu passten weder Quotendenken noch Mainstreamangebote. „Aus Rundfunkbeiträgen sollten nur solche Inhalte, Angebote und Verbreitungswege finanziert werden, die Zuschauern und Zuhörern einen Zusatznutzen zu den übrigen Medienangeboten bieten", meinte Demmel.

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