Generationswechsel Mit 39 an die Spitze des Weltmarktführers Lapp

Familie Lapp Quelle: PR

Matthias Lapp wird neuer Chef beim Weltmarktführer für Spezialkabel. Der junge Unternehmer hat große Pläne in Sachen Nachhaltigkeit. Doch Versorgungsengpässe bei Kupfer und Kunststoff spitzen sich zu.

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Matthias Lapp hat nichts gegen Steigung. Der 39-jährige fährt regelmäßig mit dem Mountainbike zur Arbeit, von Stuttgart hinauf ins Vaihinger Industriegebiet. Dort ist die Firmenzentrale des Unternehmens, das seine Großeltern 1957 gegründet haben: die Lapp-Gruppe. Heute ist sie Weltmarktführer für Spezialkabel. Ab sofort muss Lapp wohl noch früher die Berge hoch strampeln, wenn er als Chef der erste im Büro sein will. Zum 1. Oktober hat der Betriebswirt von seinem Onkel Andreas Lapp den Vorstandsvorsitz des Familienunternehmens übernommen. 

Der Wechsel an der Führungsspitze kommt für das Unternehmen aus Stuttgart zu keiner einfachen Zeit. Die Lieferengpässe für Kunststoff und Kupfer nehmen zu und gefährden im schlimmsten Fall den Betrieb. Gleichzeitig muss sich das Unternehmen für die Zukunft aufstellen, will nachhaltiger und zugleich digitaler werden – und das besser gestern als morgen. Kann Matthias Lapp – wie auf seinem Mountainbike – den richtigen Gang einlegen, um das Traditionsunternehmen weiter in die Moderne zu führen? 

1957 gegründet ist Lapp inzwischen ein Traditionsunternehmen. Oskar und Ursula Ida Lapp haben es aufgebaut, um die erste industriell gefertigte und flexible Steuerleitung mit unterschiedlich farbigen Adern zu produzieren. Jahrzehntelang vergrößerte sich das Unternehmen rasant, wurde immer internationaler und stieg schließlich zum Weltmarktführer auf, der nicht nur Kabel, sondern Systemlösungen verkauft. „Ich weiß, dass ich in große Fußstapfen trete“, sagt Matthias Lapp ehrfurchtsvoll. 

Doch der Nachfolger ist gut vorbereitet: Bereits seit 2017 ist er für die Märkte in Lateinamerika, Europa, den Mittleren Osten und Afrika und somit für über 70 Prozent des Konzernumsatzes zuständig. Nun kommen Asien, Pazifik und Nordamerika hinzu. Sein Vorgänger übergibt ein Unternehmen, das solide dasteht. 

Sorgen durch Lieferengpässe

Das Unternehmen kam gut durch die Coronakrise und schloss das Geschäftsjahr 2020/2021 mit einem Umsatzwachstum von mehr als 26 Prozent ab. Der Gewinn stieg sogar um fast 75 Prozent auf 59 Millionen Euro. Das Geschäftsjahr 2021/2022, das Ende September ausläuft, sei sogar noch besser gelaufen, so Lapp. Der Umsatz sei wieder zweistellig gewachsen und der Auftragsbestand sei um 50 Prozent besser als im Vorjahreszeitraum. Doch der neue Vorstand gibt sich vorsichtig. „Wir werden einiges vom Gewinn auf die Seite legen“, sagt er. Zu unsicher sei die wirtschaftspolitische Lage.

Denn die Geschäfte des Kabelherstellers sind abhängig von der Verfügbarkeit von zwei Materialien, deren Beschaffung immer schwieriger und aufwändiger wird: Kupfer und Kunststoff. „Das bereitet uns Sorgen“, sagt der neue Lapp-Chef. Die Lieferengpässe, insbesondere beim Kunststoff, und die starken Preissteigerungen beim Kupfer seien nicht nur bedingt durch einen einzelnen Hersteller oder ein einzelnes Land, sondern ein globales Problem. „Derzeit diskutieren wir täglich darüber, wie wir uns gegen mögliche Engpässe aufstellen.“ 

Auch die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) hat das Thema auf dem Schirm. Dass es derzeit Lieferprobleme bei Kupfer gibt, sei eine Folge der Pandemie und des Angriffskriegs auf die Ukraine, so eine DERA-Sprecherin. „Hinzu kommt, dass steigende Energiepreise sich auch auf die Rohstoffpreise auswirken und die Verfügbarkeit schwierig wird.“ 

Noch mehr als um Kupfer sorgt sich Lapp darum, dass der Kunststoff knapp werden könnte. Laut einer Umfrage der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen befindet sich jedes fünfte der 300 Mitgliedsunternehmen bereits jetzt in Existenznot.

Bei Lapp wird Kunststoff dafür genutzt, Kupfer in den Kabeln zu isolieren. „Wir sind sehr wachsam“, betont Lapp. Das Unternehmen benötige zwar kein Gas für seine Produktionsprozesse und könne daher grundsätzlich die Produktion von Kabeln sicherstellen. Aber um das PVC oder andere Isolationsmaterialien, mit denen das Kupfer umspritzt wird, zu erzeugen, wird der Ausgangsstoff Ethen benötigt. Dieser entsteht, wenn Erdöl zur Erzeugung von Benzin und Diesel verarbeitet wird. „Während der Pandemie fuhren die Menschen weniger Auto, also haben die Raffinerien seltener Erdöl verarbeitet“, sagt Lapp. Ethen sei eher ein Beiprodukt, für das es sich finanziell nicht lohne, Erdöl zu fördern. Also habe sich auch der Kunststoff verknappt, den Lapp so dringend für die Kabelherstellung benötige. 

Profiteur der Energiewende

„Die Energiewende verschärft diese Verknappung“, sagt Lapp. Wenn nun auch noch Energiekrise und Gasknappheit dazu führen sollten, dass wichtige Kunststoff-Lieferanten ihre Produktion herunterfahren müssten, würde sich die Situation weiter zuspitzen – „für unsere Kunden, aber auch für unsere Mitarbeitenden“, wie der neue Unternehmenschef sagt. Dennoch sei er zuversichtlich: „Wenn die Situation für die gesamte Industrie gefährlich wird, erhöht sich sicher der Druck, Lösungen zu finden.“ 

Also angezogene Bremse statt Rollen lassen? Kommt für den Mountainbiker nicht in Frage. Immerhin profitiert Lapps Unternehmen von der gesellschaftlichen Entwicklung und ironischerweise auch von der Energiekrise. Durch sie ist die Nachfrage nach erneuerbarer Energieversorgung nochmal gestiegen – und somit auch nach Fotovoltaikanlagen, für die Lapp die Kabel liefert. Auch für Windturbinen steuert Lapp die nötige Verbindungstechnik bei. „Wir profitieren also auch stark vom Wandel zur Nachhaltigkeit“, sagt Lapp, für den das Thema laut eigener Aussage eine Herzensangelegenheit ist. 

Vor rund zwanzig Jahren schon hat das Unternehmen begonnen, die Dächer der Hallen mit Solarpanelen auszustatten. Künftig will Lapp hier noch einen Gang zulegen. „Bis 2025 wollen wir unseren CO2-Ausstoß um 20 Prozent reduzieren“, sagt er. Sein Plan: „Wir möchten noch mehr Produkte herstellen, die einen Beitrag zur Energiewende leisten.“ Zudem wolle er stärker darauf achten, Produktionsmaterialien wiederzuverwerten. Und auch bei den Lieferketten hat der Nachfolgechef vor, stärker auf Nachhaltigkeit zu achten. „Ziel ist es, dass unsere Kupferlieferanten nur noch grüne Energie nutzen.“ Kontrollieren könne er die Lieferanten allerdings nur bedingt. Lapp setzt auf das „langjährige Vertrauensverhältnis.“ 

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Der künftige Chef will das Familienunternehmen nicht nur nachhaltiger, sondern auch digitaler machen: „Ich bin überzeugt, dass alles, was digitalisiert werden kann, auch digitalisiert werden muss.“ Hier sei es wichtig, gemeinsam mit anderen Unternehmen an einem Strang zu ziehen, sagt er. Und warnt davor – wie bei einem Radrennen ein paar Kilometer vor dem Ziel – den Anschluss an die Führenden zu verlieren: „Deutschland hängt schon jetzt hinterher, was Digitalisierung angeht und läuft Gefahr, langfristig nicht konkurrenzfähig zu sein.“

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