Doch nun deutet sich eine Renaissance des Gleichstroms an. Photovoltaikanlagen, LED-Lampen, Smartphone-Ladegeräte, Batterien in Elektroautos – sie alle arbeiten eigentlich mit Gleichstrom, müssen aber die Energie umständlich aus Wechselstrom erzeugen. Jeder von uns hat zuhause mindestens ein Dutzend Steckernetzteile in langen Steckdosenleisten, die diese Aufgabe übernehmen. Dabei werden sie warm – ein untrügliches Zeichen, dass hier Energie verpufft. Würde man die Energieversorgung konsequent auf Gleichstrom umstellen, ließen sich nach Schätzungen der Technischen Universität Ilmenau zwei große Kohlekraftwerke in Deutschland abschalten.
Da die deutsche Industrie ihren Stromhunger jährlich nur um 1,8 Prozent reduziert und damit das 2020-Klimaziel der EU deutlich verfehlen wird, wäre das ein starkes Argument für Gleichstrom. „Die Industrie muss ihre Energieeffizienz dringend steigern, sonst ist die Energiewende nicht zu schaffen“, sagt Alexander Sauer, Professor am Institut für Energieeffizienz in der Produktion an der Universität Stuttgart.
Die Technik funktioniert in der Fabrik schon sehr gut, AREUS und das derzeit laufende Nachfolgeprojekt DC-Industrie belegen das. Doch die Tücke liegt im Detail. Erfinder Edison hatte einst versucht, die Wechselstromtechnik Teslas zu diskreditieren, indem er durchsetzte, dass der gerade erfundene elektrische Stuhl mit Wechselstrom töten sollte. Das gelang zwar, tat dem Siegeszug des Wechselstroms aber keinen Abbruch. Dennoch weiß jedes Kind, dass man nicht mit blankem Metall in der Steckdose stochern sollte. Gleichstrom dagegen ist ungefährlich, denken viele, denn täglich hantieren wir mit USB-Ladegeräten oder Batterien.
Leider ist die Sache nicht so einfach, wie Frank Berger in einem kleinen, aber spektakulären Experiment demonstriert, das anschaulich zeigt, woran noch geforscht werden muss. Mit einer Fernsteuerung zieht der Leiter des Fachgebietes elektrische Geräte und Anlagen der TU Ilmenau einen Stecker aus einer Steckdose. Doch anstatt auszugehen, leuchten drei Glühbirnen im Stromkreis munter weiter, weil zwischen Stecker und Dose ein heller Lichtbogen zündet. Das hat damit zu tun, dass Gleichstrom keinen sogenannten Spannungsnulldurchgang hat. Der sorgt bei Wechselstrom dafür, dass spätestens nach einer 50stel Sekunde ein Lichtbogen und damit der Stromkreis unterbrochen wird.
Das Team von Berger tüftelt an neuen Schaltkonzepten für Gleichspannungsnetze von der Niederspannung im Haushalt oder in Fabriken bis zur Hochspannung für Überlandleitungen. Dass die technischen Hürden überwunden werden und dass Gleichstrom sowohl in der Industrie als auch in Haushalten Einzug halten wird, hält Berger für unausweichlich: „Die Gleichspannungsversorgung ist ein Gebot der Vernunft.“