Der Ausbau der deutschen Stromnetze stockt, die Reserve-Kraftwerksleistung schmilzt dahin, kritisiert der Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer warnt vor einem Stau bei der Realisierung wichtiger Kraftwerksprojekte in Deutschland. Vor allem bei den Gas- und Pumpspeicherkraftwerken sei die Umsetzung wegen der Marktlage fraglich. Diese Kraftwerke sind aber wichtig, um die Stromversorgung auch dann zu sichern, wenn kein Wind weht oder keine Sonne scheint.
Erneuerbare Energien destabilisieren die Energienetze, weil ihr Strom nicht so gleichmäßig fließt wie der aus einem Kohle- oder Gaskraftwerk. Anstatt weiter auf konventionelle Kraftwerke als Ausgleich für die Schwankungen zu setzen, hatten einige Studenten an der TU Darmstadt eine andere Idee: Sie entwickelten einen Zwischenspeicher, der den überschüssigen Strom aufnimmt und bei Flaute wieder in das Netz einspeist.
Wer dabei an eine überdimensionale Batterie denkt, liegt falsch. Den vier Tüftlern waren die Verluste, die beim Laden einer Batterie entstehen, zu groß. Stattdessen haben sie einen Schwungmassenspeicher entwickelt. Der speichert die elektrische Energie nicht in Form chemischer Energie wie eine Batterie, sondern als Bewegungsenergie.
Das Prinzip: Ist zu viel Energie im Netz, treibt ein Elektromotor ein Schwungrad an. Da dieses Schwungrad so reibungs- und widerstandsfrei wie möglich gelagert ist, verliert es kaum an Geschwindigkeit – also an Bewegungsenergie. Ist dann zu wenig Energie im Netz, wird der Elektromotor umgepolt und das rotierende Rad treibt den Generator an, der aus der kinetischen wieder elektrische Energie macht. Audi hatte über Jahre ein ähnliches Schwungradsystem in seinen Le-Mans-Rennwagen eingebaut, um den Strom für den Hybrid-Antrieb zu speichern.
Um größere Speichermengen zu erreichen, werden mehrere Schwungräder übereinander in einer Art Tonne gestapelt und mit einem Elektromotor versehen. „Das ist nachhaltiger als Batteriegroßspeicher, weil unser System nicht gekühlt werden muss und auch das Recycling deutlich einfacher ist als bei einer Lithium-Ion-Batterie“, verspricht Co-Gründer Sebastian Golisch. „Und er ist günstiger.“ Das Unternehmen „Adaptive Balancing Power“, das 2016 von Golisch und seinen Partnern aus der Darmstädter Hochschule ausgegründet wurde, spricht von 65.000 Euro pro Megawatt im Jahr. Ein entsprechender Batteriespeicher koste hingegen mindestens 90.000 Euro. Das Prinzip hat Adaptive mit mehreren Prototypen erprobt, die Leistung haben die Tüftler schon mehr als verdreifacht.
Das Interesse der Industrie ist groß: Nach seinem Vortrag vor dem Start-up-Forum in Halle 3 hatte er noch nicht einmal das Mikrofon abgelegt, da standen die Interessenten Schlange – aus deutschen Industriekonzernen, aber auch Vertreter indischer Unternehmen sind neugierig geworden. „Wir sind auf der Suche nach Investoren“, sagt Golisch danach. „2019 wollen wir unser erstes Serienprodukt auf dem Markt haben.“