Bis zu sieben Unterschriften musste Niederstätter in den Führungsebenen sammeln, um eine Maschine zu kaufen. Der letzte Unterschriftsberechtigte – in der Hierarchie weit oben – habe keine Ahnung gehabt von dem, was er da unterschrieb, erzählte Niederstätter später. Der promovierte Physiker kämpfte als Kalle-Chef um mehr Selbstständigkeit. Die Entscheidung des damaligen Hoechst-Chefs Jürgen Dormann, sich von allen Nebenaktivitäten des Konzerns zu trennen, führte dann 1995 zur Ausgründung.
Eine Loslösung zu günstigem Zeitpunkt. Denn damals begann die Private-Equity-Industrie in größerem Stil auch deutsche Firmen zu kaufen. 1997 stieg die Luxemburger Gesellschaft CVC Capital Partners bei Kalle ein, obgleich der Wursthüllenmacher noch rote Zahlen schrieb. Dabei hatte Niederstätter zu Beginn seiner Investorensuche nicht einmal gewusst, dass es Private Equitiy überhaupt gab. Nun war er, dank der neuen Finanzierungsform, Chef eines mittelständischen Unternehmens.
Die neuen Eigentümer ließen dem Manager mit Unternehmergeist freie Hand. Zuerst krempelte er die Forschung und Entwicklung um. Die Kunden, von der kleinen Metzgerei bis zum internationalen Lebensmittelkonzern, wurden zu den wichtigsten Ideengebern.
Raum für Neuentwicklungen gab und gibt es reichlich. Einige Kunstdärme lassen Dampf und Wasser passieren, andere müssen dicht sein. Die einen sind glatt, die anderen zeigen die körnige Struktur der Wurst. Kalle erzielt heute ein Viertel des Umsatzes mit Innovationen aus den vergangenen zehn Jahren.
CVC finanzierte Kalle-Gründer Niederstätter die Internationalisierung nach Südamerika, Asien und Europa. Den Ausbau des US-Marktes begleitete dann aber von 2004 an Nachfolger Montagu, unter dem Kalle für 20 Millionen Dollar ein Werk in der Nähe von Chicago errichtete. Insgesamt gab Montagu während der fünf Jahre bei Kalle nach Branchenschätzungen noch einmal so viel für Investitionen aus wie für die Firma selbst. Schließlich verkaufte Montagu Kalle für stattliche 213 Millionen Euro an Silverfleet.
Seitdem aber steigerte Kalle den Umsatz um mehr als 25 Prozent und wächst profitabel weiter, vor allem in den USA. Dort verzehnfachte sich das Geschäft seit 2009, der unter Silverfleet übernommene US-Anbieter Jif-Pak hat seinen Umsatz verdoppelt.
Keine Angst vor veganer Ernährung
Für Kalle-Chef Heldmann, der seit zwei Jahren an der Spitze des Unternehmens steht, sieht die Welt gut aus: Der globale Markt für Wursthüllen wachse stetig. Mit seinen neuen Kunstdärmen, die die Wurst würzen oder räuchern helfen, besitze Kalle einen Wettbewerbsvorteil. Auch der Trend zu vegetarischer und veganer Nahrung macht Heldmann keine Sorge. „Unsere Hüllen lassen sich auch mit Käse, Tofu oder Saitan füllen.“
Obwohl in der Hand eines Finanzinvestors, fühlt sich Heldmann fast wie bei einem mittelständischen Familienunternehmer. „In einer Aktiengesellschaft müssen Sie mit einer größeren Anzahl von Shareholdern sprechen, um zum Beispiel eine größere Akquisition umzusetzen“, sagt Heldmann, „jetzt spreche ich mit einem Entscheider.“