Pfeiffer Vacuum „Diversität passiert nicht durch Zufall“

Ayla Busch ist Geschäftsführerin von Busch Vacuum und Aufsichtsratsvorsitzende von Pfeiffer Vacuum. Quelle: PR

Zwei deutsche Frauen arbeiten beim Pumpenhersteller Pfeiffer Vacuum unter Hochdruck daran, dass die Chipkrise schnellstmöglich überwunden werden kann.  Das ist kein Zufall sondern hängt mit der sehr diversen Tradition der Eigentümerfamilie zusammen. Ein Gespräch mit der Aufsichtsratsvorsitzenden Ayla Busch.

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Für Ayla Busch hat die Förderung von Frauen Priorität. Sie ist Geschäftsführerin von Busch Vacuum und Aufsichtsratsvorsitzende von Pfeiffer Vacuum, seit die börsennotierte Gesellschaft mehrheitlich Busch gehört. Pfeiffer Vacuum stellt Vakuumpumpen her, die für Reinräume zur Herstellung von Chips unentbehrlich sind. Seit vergangenem Herbst wird das Unternehmen von Britta Giesen geführt. 

WirtschaftsWoche: Frau Busch, Pfeiffer Vacuum ist das erste börsennotierte Unternehmen in Deutschland, bei dem sowohl die Spitze des Aufsichtsrats wie auch die Spitze des Vorstands weiblich besetzt sind. Kann man hier von einer Frauen-Seilschaft sprechen?
Ayla Busch: Die Neubesetzung des Vorstandsvorsitzes war ein ganz gewöhnlicher Prozess, unterstützt durch einen Personalberater. Für dieselbe CEO-Stelle hatten wir zuvor schon einmal eine Person berufen, einen Mann, aber nicht weniger ungewöhnlich: Damals stellten wir einen Franzosen ein – Ausländer in Führungsrollen findet man selten im deutschen Mittelstand. Er stammte aus einer zugekauften Firma und war der Bewerber mit der höchsten Kompetenz. Diversität genießt in unserer Familie einen höheren Stellenwert als bei anderen Mittelständlern. Mit Busch Vacuum sind wir seit 2014 Equal Opportunity Employers und haben deshalb schon viel Übung mit dem Thema, Kandidaten Vertrauen zu geben, die andere ungewöhnlich finden – sei es das Thema Frau, Ausländer, nicht aus der Industrie oder ein ungewöhnlicher Lebenslauf.

Wie stellen Sie Diversität im Auswahlprozess sicher?
Das passiert nicht durch Zufall. Ich gebe dem ganzen sehr viel Effort und bin sehr viel fordernder als andere. Ich mache dem Personalberater klar, dass ich erwarte, dass er mir sehr gute Frauen vorstellt. Schon in der Ausschreibung der Stelle lege ich fest, dass ich keine Quotenlebensläufe will, sondern auch in der Endauswahl mindestens eine qualifizierte Frau haben möchte. Im Prozess coache ich die Suchteams und schicke sie immer wieder neu mit Ideen auf die Suche. Es gibt die guten Frauen, man muss sie nur finden. Ich habe viele Frauen interviewt und auch viele Männer. Frau Dr. Giesen war die beste Kandidatin für den Job.

Schon ihre eigene Unternehmerfamilie ist divers. Ihre Eltern gründeten das Unternehmen gemeinsam – Ihr Vater als deutscher Ingenieur, Ihre Mutter als türkische Zahnärztin. Jetzt sind Sie und Ihre beiden Brüder auch in der Geschäftsführung.
Bei uns ist sogar das Alter divers. Mein Vater ist 92 Jahre, meine Mutter 87, und beide arbeiten noch voll mit. Wir Kinder sind in zwei Welten aufgewachsen. Meine Eltern haben das Unternehmen 1963 gegründet. Wir sind viel gereist, haben viele Geschäftspartner der Eltern auf der ganzen Welt besucht, sind mit ihnen ins Gespräch gekommen und haben bei ihnen übernachtet. Das ist eine andere kulturelle Erfahrung als ein Urlaub im Ausland.

Und als Familie treffen Sie jede Entscheidung einvernehmlich – sie diskutieren also so lange, bis jeder überzeugt ist?
Wir arbeiten zu fünft zusammen. Dabei sind wir sehr verschieden. Voraussetzung ist: Die Familie muss funktionieren. Wir führen jeden Tag kritische Diskussionen. Das bringt jeden von uns jeden Tag wieder auf den Boden der Tatsachen. Man muss gut kritisieren und zuhören können, um andere zu überzeugen. Und auch nachgeben und Kompromisse eingehen können. Wir diskutieren grundsätzlich bis zum Konsens. Das ist anstrengend, führt aber zu besseren Entscheidungen. Es sorgt dafür, dass wir motivierter, kreativer und näher am Kunden sind. Und man sieht sich selbst von außen. Auch für die Inklusion anderer hilft es, die ehrliche Diskussionskultur und das inhaltliche Offensein zu üben.

Ein guter Punkt. Das Einstellen von diversen Mitarbeitern reicht nicht. Man muss sicherstellen, dass sie anerkannt werden und sich wohl fühlen.
Wichtiger noch als die Diversität beim Einstellen ist es, in der Organisation für Inklusion und Gleichstellung einzutreten, das ist eine tagtägliche Anstrengung. Es bedeutet, dass wirklich alle Positionen von denjenigen bekleidet werden, die am besten dafür geeignet sind. Und dass alle verstehen, dass alle erfolgreich sein können. Mit diversen Teams entsteht inhaltliche Offenheit und Agilität, keine Politik, keine Trägheit. Diversität macht Spaß. Es geht um Fairness, und das motiviert die Leute.

Wie stellen Sie die Inklusion sicher?
Das funktioniert über tägliche Regelkommunikation. Von Ebene zu Ebene gibt es in unserem Haus täglich eine Aussprache - konzernweit. Schon seit 15 Jahren nutzen wir dafür auch Videokonferenzen. Das ist wichtig, um das Vertrauen herzustellen, denn das steht immer am Anfang. Man muss die Kultur erleben können.

Oft ergreifen Frauen in solchen Runden doch nicht so oft das Wort. Studien zeigen, dass Frauen in Konferenzen erst effektiv kommunizieren, wenn mehrere im Raum sind, die sich im Team die Bälle zuwerfen.
Ich habe auch schon Gremien erlebt, in denen Frauen nicht zu Wort kamen. Ich glaube, Teams müssen es üben, und man muss es offen ansprechen, dass alle Leute im Team gehört und abgeholt werden. Jeder soll frei sprechen, sich einbringen, Kritik üben. Wenn man erstmal die Regeln aufstellt und sie vorlebt, dann entstehen herausragende Dinge.

Es gab die unsägliche Hauptversammlung von Pfeiffer Vacuum, wo Aktionäre Sie auf dem Podium nicht zu Wort kommen ließen und stattdessen ein Pfeifkonzert anstimmten.
Ich bin eine starke Frau. Als Aufsichtsratsvorsitzende ist es jetzt meine Aufgabe, wirklich alle Stimmen zu hören. Was passiert ist, reflektiert die Persönlichkeiten der Menschen, die so agiert haben, nicht meine. Ich bin kein Mensch, der beleidigt ist. Aber erstaunt war ich schon, vor allem vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden. Gerade, dass man Beleidigungen ignorierte, allerdings auch bei den anwesenden Medien, dies hat mich erstaunt. Vor fünf Jahren war es eben auch noch eine andere Zeit.

Definieren Sie Diversität auch über die Frau und die Herkunft hinaus? Geht es zum Beispiel auch um nicht binäre Geschlechter oder Behinderte?
Bei Busch haben wir derzeit nur die Frauenquote, obwohl wir schon lange für diverse Hintergründe kämpfen. Behinderte sind bei uns seit jeher im Team, schon in den ersten Gründungsjahren hatten meine Eltern einen behinderten Mitarbeiter an Bord geholt. In jeder Region läuft es bei uns im Konzern anders. In China zum Beispiel geht Diversität viel leichter als in Japan. In Polen haben wir gleich drei Frauen im Top-Managementteam – da sind wir in Polen schon besser aufgestellt als in Deutschland. In der Maschinenbaubranche gibt es noch viel Potential, die Rolle der Frau weiter auszubauen. Wir haben jetzt 27 Prozent Frauen im Vertrieb, 18 Prozent in der Produktion. Dabei gibt es genug Frauen, die das Fach studieren. Die Quantität und die Qualität sind gleichermaßen stark. Es hängt eher mit den Betreuungsmodellen für den Nachwuchs zusammen, dass Frauen sich seltener für Führungsrollen entscheiden.

Was muss besser werden?
Es braucht mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung. Das Angebot wird den Bedürfnissen von Führungskräften nicht gerecht, die zum Beispiel auch abends oder übers Wochenende eine Kinderbetreuung brauchen. Vor allem aber müssen die Mütter sich darauf verlassen können, dass es den Kindern gut geht. Da kommt es auch in den Schuljahren noch sehr darauf an. Es ist sehr wichtig, dass Mütter sich darauf verlassen können, dass die Kinder in der Schule ihr Potential erreichen, ohne dass sie nachmittags zu Hause mit ihnen Hausaufgaben machen. Da liegt die Verantwortung voll bei der Gesellschaft. Es hat sich für unsere Kinder schon viel bewegt, aber wir sind noch immer nur am Anfang. Frauen machen 52 Prozent der Deutschen aus. Es handelt sich um die größte Gruppe in der Gesellschaft, die ihr Potenzial nicht erreicht.

Mehr zum Thema: Frauen in Führungspositionen sind immer noch selten, vor allem im Mittelstand. Unternehmen wie Vaude zeigen, wie mehr Vielfalt möglich ist.

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