Recycling Schrott-König im Schwabenland

Mehr als 7000 Mitarbeiter, weltweit 500 Standorte, und immer noch in der Hand der Familie: Der schwäbische Recyclingkonzern Scholz gehört nach massiven Zukäufen weltweit zu den fünf Größten seiner Branche.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Neues Metall aus alten Autos: Der Branchenriese Scholz macht gute Geschäfte mit dem Schrott. Quelle: dpa

Düsseldorf, Stuttgart Oliver Scholz ist auf Schrottplätzen groß geworden. Stolz zieht er seinen Schlüsselbund heraus, an dem ein Kugellager hängt. „Das hab ich mit zwölf Jahren auf unserm Platz gefunden. So etwas kann man doch nicht wegwerfen. Und deshalb begleitet es mich noch heute“, sagt der 40-jährige Firmenchef.

Seit Kindesbeinen ist Schrott, den andere wegwerfen, für ihn mehr als ein begehrter Industrierohstoff. Es ist der Lebensinhalt und die Existenz seiner Familie – und das seit Generationen.

1872 begann sein Ururgroßvater Paul Scholz in Niederschlesien Alteisen zu sammeln. Nach dem Krieg verschlug es die Familie ins schwäbische Essingen bei Aalen. Oliver Scholz ist heute Vorstand der Scholz AG, die ihm auch mehrheitlich gehört. Sein Vater Berndt-Ulrich Scholz ist ebenfalls noch im Unternehmen und mit 25,1 Prozent an ihm beteiligt.

Mit 7200 Mitarbeitern an 500 Standorten rund um den Globus setzt die Firmengruppe jährlich knapp elf Millionen Tonnen Material um. Das Familienunternehmen erzielte zuletzt 4,5 Milliarden Euro Umsatz und zählt zu den fünf größten Metallrecyclern der Welt. In den vergangenen zehn Jahren hat Scholz den Umsatz vor allem durch Zukäufe mehr als verdreifacht. Die Expansion kostete etwa 500 Millionen Euro. Nach früheren Angaben liegt die Eigenkapitalquote bei über 25 Prozent und die Umsatzrendite zwischen zwei und vier Prozent. Die stärksten Konkurrenten in Deutschland sind die börsennotierte Interseroh und die Remondis-Tochter TSR. International misst sich Scholz mit der Sims-Gruppe aus Australien und der britischen EMR.

Die Verwertung von Altautos ist seit jeher eine Domäne der Scholz-Gruppe. Das Unternehmen bezieht den Schrott vor allem von großen Autokonzernen wie Daimler, Audi und BMW, aber auch von vielen Mittelständlern. Schrott spielt bei der Stahlherstellung weltweit eine immer wichtigere Rolle: Etwa jede zweite Tonne Stahl wird aus Schrott geschmolzen. Zu den wichtigsten Abnehmern des recycelten Rohstoffs zählen Voestalpine, Thyssen-Krupp, die italienische Riva, die Lech-Stahlwerke und die Stahlwerke Thüringen.


Scholz will mehr Rohstoffe auf alten Fahrzeugen holen

Die teuren Rohstoffe belasten viele Unternehmen. Dabei fährt die Lösung sozusagen auf der Straße: Nur 20 Prozent der deutschen Fahrzeuge werden recycelt. Das soll sich jetzt ändern. Scholz will die Rohstoffgewinnung aus Altautos forcieren.

Rund drei Millionen Fahrzeuge würden jährlich in Deutschland abgemeldet, davon aber nur 420000 in Deutschland wiederverwertet. „Der deutschen Industrie gehen jedes Jahr etwa 2,5 Millionen Tonnen Industriemetalle wie Stahl, Edelstahl, Aluminium, Kupfer und Nickel durch Fahrzeugexporte verloren“, rechnet Unternehmensvorstand Oliver Scholz vor. Aus einem Altfahrzeug könnte rund eine Tonne Sekundärrohstoffe gewonnen werden. Dazu gehören legierte und unlegierte Stähle, werthaltige Nichteisenmetalle – etwa Kupfer oder Aluminium, Kabeldrähte und Kunststoffe.

Von China, das nicht nur Rohstoffe, sondern auch Schrott hortet, weiß er, wie ernst insbesondere Schwellenländer die Wiederverwertung nehmen. Scholz setzt bei der Autoverwertung vor allem auf das firmeneigene Werk in Espenhain bei Leipzig. Dieses sei mit einer Verwertungsquote von mehr als 90 Prozent eines der „effizientesten zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus Altfahrzeugen in Europa“, sagt er. In jedem Monat würden in Espenhain rund 6500 Altfahrzeuge verwertet. Im Durchschnitt liefert ein Auto knapp eine Tonne wiederverwertbares Material. Und Scholz sieht noch Potenzial: „Wir könnten bis zu 12000 Tonnen mehr Sekundärrohstoffe im Monat gewinnen.“

Der geringe Anteil des Recyclings bei Kraftfahrzeugen hat einen simplen Grund. Statt beim Verwerter „landen rund 80 Prozent der deutschen Altfahrzeuge im Ausland“, sagt Ulrich Leuning, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV). Dort würden sie meist noch gefahren und später vor Ort verschrottet.

Das Geschäft mit dem Altmetall lohnt sich – trotz des jüngsten Preisrutsches. Denn gegenüber den Tiefständen des Jahres 2005 hatten sich die Preise für eine Tonne guten Stahlneuschrott zeitweise verdreifacht. Aktuell müssen dafür rund 300 Euro bezahlt werden. In den Preisen spiegelt sich die Entwicklung an den internationalen Rohstoffmärkten wider. „Der Wert hängt maßgeblich von der Marktentwicklung ab“, bestätigt Leuning. Und weil die Rohstoffpreise sinken, dürfte auch der Schrottpreis noch billiger werden.

Um Konjunktureinbrüche und Schwankungen an den internationalen Rohstoffmärkten besser in den Griff zu bekommen, hat die Scholz-Gruppe mit Parag-Johannes Bhatt einen Investmentspezialisten von der Deutschen Bank als Finanzchef engagiert. Er soll verhindern, dass sich die Ereignisse des Jahres 2009 wiederholen. Damals hatte sich der Umsatz des Recyclers im Vergleich zum Vorjahr auf 2,5 Milliarden Euro fast halbiert. Erstmals seit zehn Jahren schrieb die Gruppe rote Zahlen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%