SK Elektronik verlässt Leverkusen Warum ein Firmenumzug im Rheinland zum Politikum wird

Geht es dem Wirtschaftsstandort Leverkusen zu gut? Quelle: dpa Picture-Alliance

Der Leverkusener Betrieb SK Elektronik zieht um – und löst eine überregionale Standortdebatte aus. Politiker kritisieren, dass Leverkusen Konzernbelange über Mittelstandsinteressen stelle. Geht es der Stadt zu gut?

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Von den vielen Reaktionen war dann selbst Nathalie Kühn überrascht, wie sie rückblickend sagt. Als die Geschäftsführerin des Leverkusener Unternehmens SK Elektronik im Mai dieses Jahres ihren Umzug ankündigte, da überschlugen sich nahezu die Ereignisse. Rauf und runter ging der Fall in den Lokalmedien, auch in einem Podcast sprach Kühn über ihre Motive. Selbst ein Landtagsabgeordneter reagierte und gab postwendend eine Pressemeldung heraus. 

Gute vier Monate ist das jetzt her und es gilt einiges aufzuarbeiten in Leverkusen. Warum konnte SK Elektronik nicht gehalten werden? Droht gar der Abzug weiterer Unternehmen und was hat Nathalie Kühn, die doch eigentlich eine Leverkusener Lokalpatriotin ist, eigentlich zu der Entscheidung bewegt? 

SK Elektronik beschäftigt an seinem Hauptsitz in Leverkusen 42 Mitarbeiter. Es ist der Entwicklungs- und Prüfstandort des Unternehmens. Produziert wird in Erfurt, der alten Heimat der Familie Kühn. Dass SK Elektronik überhaupt in Leverkusen seinen Hauptsitz hat, hängt mit der Teilung Deutschlands zusammen. Nathalie Kühns Vater, Siegfried Kühn, zog vor dem Mauerbau von Ostdeutschland nach Köln, arbeitete dann unter anderem bei Bayer. In den Achtzigerjahren machte er sich mit seiner Frau selbstständig und gründete das Unternehmen. Nach dem Fall der Mauer verlagerte Siegfried Kühn die Produktion nach Erfurt, auch aus alter Verbundenheit. Dort beschäftigt das Unternehmen derzeit rund zehn Mitarbeiter.

Nathalie Kühn ist Geschäftsführerin des Leverkusener Unternehmens SK Elektronik. Quelle: imago images

SK Elektronik ist kein Massenproduzent. Das Unternehmen ist Weltmarktführer für Flammen-Detektoren und baut gerade mal 200 Geräte im Jahr. Mehr brauche es auch nicht, sagt Nathalie Kühn. „Das ist eine sehr spezielle und hochpreisige Messeinrichtung“, erklärt sie. Die Zahl der potenziellen Abnehmer ist überschaubar. 

Kühn möchte mit ihrem Unternehmen dennoch wachsen und genau das ist in ihren Augen in Leverkusen nicht möglich. Es gebe zu wenig verfügbare Fläche in der Stadt, sagt sie. Wachsen sei vor Ort unmöglich. Vieles an Gewerbefläche in Leverkusen liegt im Chempark, wo auch der Riesenkonzern Bayer sitzt, Platz genug gibt es für Kühn nicht, wie sie sagt. Darüber hinaus ist SK Elektronik derzeit nur Mieter. „Wir haben viele Gespräche geführt“, sagt sie. Mit allen Stellen habe sie gesprochen, mit der Stadt, mit der IHK, mit der Wirtschaftsförderung. Am Ende jemandem die Schuld zuzuweisen, dass keine geeignete Fläche gefunden wurde, möchte sie nicht. 

Im benachbarten Burscheid, nur 15 Kilometer entfernt, hat Kühn eine Fläche von 5000 Quadratmetern angeboten bekommen und zugeschlagen. „Wir konnten es uns nicht leisten, die Sache weiter auszusitzen und in Leverkusen auf eine Veränderung zu hoffen“, sagt die Unternehmenschefin. Im Rheinisch-Bergischen-Kreis, zu dem Burscheid gehört, gebe es nicht nur die geeignete Fläche, sondern auch bessere Netzwerke. „Mit dem Kreisbauamt zu reden, war deutlich einfacher, alles ist ein wenig niederschwelliger, die Verwaltung ist kooperativer der Wirtschaft gegenüber“, sagt Kühn. 

Ende nächsten Jahres will SK Elektronik umziehen. Das Gebäude in Burscheid wird derzeit noch gebaut. Bei Kühn überwiegt längst die Vorfreude, auch wenn sie ihre alte Heimat damit verlässt. Ohnehin sind es nur wenige Kilometer bis zum neuen Standort. Umziehen muss dafür keiner der Mitarbeiter. Kühn sagt heute: „Wenn Leverkusen einem das Gefühl gibt, dass Unternehmen wie wir nicht so wichtig sind, dann ist das ja auch eine Nachricht.“

Dabei ist es längst nicht so, als würden sie in Leverkusen nichts tun für ihre Wirtschaft. Die Stadt hat gerade erst die Gewerbesteuer gesenkt, um den Standort für Unternehmen attraktiver zu machen. Mit seiner Anbindung an die Autobahn, den Rhein und an die Städte Düsseldorf und Köln, wo ebenfalls viele große Unternehmen beheimatet sind, hat der Standort durchaus etwas zu bieten. 

Die Wirtschaftsförderung Leverkusen betont, seit 2018 mit SK Elektronik über eine mögliche neue Fläche gesprochen zu haben. Dabei sei es um mehr gegangen als nur die Quadratmeterzahl, auch produktionsspezifische Anforderungen oder entsprechende Logistikanbindungen spielten eine Rolle.

Eine fehlende Wertschätzung für kleinere Unternehmen will man sich nicht ankreiden lassen. „Die Wirtschaftsförderung Leverkusen sieht sich für alle ansässigen und zukünftigen Unternehmen als zentraler Ansprechpartner in Sachen Wirtschaft“, heißt es auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Dabei sei eine kontinuierliche und verlässliche Begleitung, Beratung und Vermittlung von größter Bedeutung. „Jedes Unternehmen erhöht die Vielfalt und damit die Zukunftsfähigkeit des Standortes Leverkusen.“

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Hat es also schlicht keine geeignete Fläche gegeben? Vielleicht schon, sagt CDU-Ratsmitglied und Landtagsabgeordneter Rüdiger Scholz. „Die Stadt hätte SK Elektronik die Gewerbefläche an der Solinger Straße zumindest anbieten können.“ Dort liegen gut 80.000 Quadratmeter frei, seit Jahren. Nur ist das mit dieser Fläche so eine Sache. Seit 2006 ist die Fläche dort als eingeschränktes Gewerbegebiet ausgewiesen, teilt die Stadt auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit. Teile dort werden jedoch von Hochspannungsleitungen überspannt, was die Fläche schon einmal schrumpfen lässt. 

„Der Flächennutzungsplan stellt aber nur die beabsichtigte Nutzung dar, aus diesem Plan lässt sich nicht direkt ein verbindliches Baurecht ableiten“, argumentiert die Stadt. „Die im Flächennutzungsplan als eingeschränktes Gewerbegebiet ausgewiesenen Flächen befinden sich größtenteils nicht im Besitz der Stadt Leverkusen, sondern in unternehmerischem beziehungsweise Privatbesitz. Das heißt, derzeit kann sich dort kein Betrieb ansiedeln, so dass die Flächen auch nicht direkt auf dem Markt zur kurzfristigen Nutzung angeboten werden können.“ Außerdem braucht es noch ein Bebauungsplanverfahren, damit dort überhaupt gebaut werden darf. Verschiedene Voruntersuchungen hat es dazu in der Vergangenheit schon gegeben. Die hätten bisher ergeben, dass die notwendige technische Erschließung, etwa mit Kanalisation, Strom und Straße sehr aufwändig sei. 

Scholz reicht das als Gegenargument nicht. „Wenn ein Unternehmen, das seit vielen Jahren in Leverkusen ist, überlegt wegzuziehen, dann muss die Stadt alles unternehmen, um es zu halten“, sagt der Politiker.

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