Tönnies Wurst-Showdown in Elmshorn

Es sollte eine einfache Übernahme werden, als der Sohn von Fleisch-Mogul Clemens Tönnies einen anderen Wursthersteller kaufen wollte. Kurz darauf stand die Firma vor der Insolvenz. Das Protokoll eines Wirtschaftskrimis.

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Eine Wurst in vielen Teilen. Quelle: Getty Images

Max Tönnies, Sohn von Fleisch-Mogul und Schalke-04-Boss Clemens Tönnies, hat die Übernahme des Elmshorner Bockwursthersteller DöllingHareico abgeschlossen. Zuvor hatten sich hinter den Kulissen die Verhandlungen und die finanzielle Situation des Unternehmens dramatisch zugespitzt. Eine drohende Insolvenz konnte in letzter Sekunde abgewendet und mehr als 200 Arbeitsplätze gerettet werden. Das Protokoll eines Wirtschaftskrimis. 

21. November 2016: Maximilian Bernd Tönnies, kurz Max genannt, lässt verkünden, er habe den Elmshorner Brühwursthersteller DöllingHareico von der Inhaberfamilie um Claus Dölling gekauft und meldet die Übernahme beim Bundeskartellamt an.

23. November 2016: Andreas Subai, Geschäftsführer von DöllingHareico, und der Betriebsrat melden sich über die PR-Agentur Dederichs Reinecke & Partner zu Wort und teilen mit: „Verkauf nicht abgeschlossen.“ Der am 21.11. verkündete und überraschende Verkauf stehe noch unter verschiedenen aufschiebenden Bedingungen und sei insbesondere von der Zustimmung diverser Stakeholder abhängig.

24. November 2016:  Mitgesellschafter Claus Dölling meldet sich zu Wort: „Wir sind verwundert und auch empört über die gestreuten Gerüchte. Der Verkauf ist beschlossen. Wir können über die Beweggründe nur spekulieren, hoffen aber, dass in dieser Situation einzelne Personen ihre persönlichen Ziele nicht über die des Unternehmens und der Arbeitsplätze stellen.“

21. Dezember 2016: Obwohl die Verträge noch nicht final verhandelt und unterzeichnet sind, genehmigt das Bundeskartellamt die Übernahme von DöllingHareico durch Max Tönnies.

Anfang Januar: Hinter den Kulissen laufen die Gespräche auf Hochtouren. In der Tat hatte Claus Dölling auf Druck der Banken Entscheidungsbefugnisse an einen Treuhänder abgeben müssen. In der jüngeren Vergangenheit hatten die Elmshorner einen harten Sanierungskurs fahren müssen – 260 Mitarbeiter, knapp die Hälfte der Belegschaft, mussten gehen. Der im Jahr 1907 gegründete Wursthersteller erlöst heute mit 230 Beschäftigten in Elmshorn und Lübz in Mecklenburg-Vorpommern nur noch einen Umsatz von rund 40 Millionen Euro.



Die Gespräche mit Banken und dem Treuhänder gestalten sich zäh. Zudem, so heißt es aus Verhandlungskreisen, habe sich die Liquiditätslage von DöllingHareico seit der ersten Ankündigung der Übernahme deutlich verschlechtert. Gingen Max Tönnies und seine Berater anfangs noch von einem Jahresüberschuss in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro aus, so schmolz diese Summe nach Durchsicht des Banken-Reports für den Monat Dezember auf null. DöllingHareico stand unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit.   

Unter anderem wohl auch, weil sich Geschäftsführer Andreas Subai, so jedenfalls schildern es beteiligte Parteien, widerrechtlich Boni in Höhe von 500.000 Euro habe auszahlen lassen. Ebenfalls soll sich Subai  unberechtigt Geld für nicht genommenen Urlaub auszahlen haben lassen und eine Vereinbarung mit einer Bank über eine Restrukturierungsgebühr in Höhe von 300.000 Euro (eine Art Verkaufsbonus) getroffen haben, deren Wirksamkeit sowohl von den Inhabern als auch deren Treuhänder angezweifelt wird, da die Belastung zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, in dem das Unternehmen noch nicht veräußert war. Andreas Subai reagierte nicht auf Anfragen der WirtschaftsWoche.

Mitte Januar bis 1. Februar

Mitte Januar: Die Lage von DöllingHareico spitzt sich zu. Auch durch Subais Finanztransaktionen hatte sich die Liquidität des Unternehmens dramatisch verschlechtert. Gleichwohl hatte Subai einen Antrag auf Insolvenz vorbereiten lassen  – ohne Wissen der Gesellschafter und des Treuhänders. Dabei, so die Vorwürfe, habe Subai gegen seine Auskunftspflicht gemäß GmbH-Gesetz verstoßen. Der Treuhänder fordert ihn daraufhin auf, unverzüglich Einsicht in die vorbereiteten Insolvenzanträge zu ermöglichen sowie Auskunft zu erteilen, welche Verfahrensart beantragt, welche Person als vorläufiger Insolvenz- oder Sachwalter vorgeschlagen und welche Personen oder Institutionen als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses vorgeschlagen werden sollen.

Ende Januar: Claus Dölling stellt seinem Geschäftsführer ein Ultimatum. Subai solle die Summen in Höhe von knapp einer Million Euro sofort wieder an das Unternehmen überweisen. Der Treuhänder bekräftigt die Forderungen seines Treugebers und fordert Subai ebenfalls auf, die genannten finanziellen Transaktionen rückgängig zu machen. Kurz darauf lässt ein Anwalt des Geschäftsführers  durchblicken, dass sein Mandant bereit sei, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.  

1. Februar:  Die Übernahme ist besiegelt, die Zusammenarbeit mit Andreas Subai wurde beendet. Nach den Kommanditanteilen der Familie Dölling übertragen die Banken auch die Komplementäranteile an Max Tönnies. Die akute Liquiditätslücke füllt zur Hälfte Max Tönnies, den Rest teilen sich Banken und Claus Dölling in Form von Darlehen.

DöllingHareico ist die dritte Übernahme des 26-jährigen Jungunternehmers Max Tönnies binnen zwei Jahren. Anfang 2015 schluckte er die Nölke-Gruppe mit der bundesweit bekannten Geflügelwurstmarke Gutfried, im Sommer 2016 den Wursthersteller Hochwald mit der Marke Poppenburger. Dass aus einem kriselnden Unternehmen wie DöllingHareico aber binnen Wochen ein harter Sanierungsfall werden würde, damit hatte auch Tönnies junior nicht gerechnet.



Sein Geld verdient der Tönnies-Sprössling jedoch nicht als Unternehmer, sondern als Manager der zur-Mühlen-Gruppe, einem Wurstimperium mit Marken wie Redlefsen, Böklunder, Schulte und Könecke, das seinem Vater Clemens Tönnies (60) gehört. Nach Informationen der WirschaftsWoche hält Max 49 Prozent an der Firmengruppe, die mit rund 3000 Mitarbeitern und mehr als 800 Millionen Euro Umsatz zu den führenden europäischen Wurstproduzenten gehört.

Mit dem Kauf eigener Firmen tut es Max seinem Vater Clemens gleich. Auch der Schalke-04-Boss und Mitinhaber der Tönnies-Gruppe (Umsatz: 6,3 Milliarden Euro) hatte 1998 mit dem Kauf der Marke Böklunder begonnen, sein privates Zur-Mühlen-Reich aufzubauen. Er kaufte angeschlagene Unternehmen, sanierte sie und generierte über die großen Kunden aus dem Lebensmittelhandel schnell wieder Umsätze.

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