Rohstoffpreise Die Verantwortung der Spekulanten für teures Öl und Hunger in der Welt

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getreideversorgung

Auch wenn es für dieses Jahr für den Verbrauch inzwischen eine Entwarnung gibt – Beobachter schätzen einen nur noch geringen Anstieg von 0,9 Prozent auf 86,8 Millionen Barrel, reicht es für eine Beruhigung an der Preisfront bisher nicht. „Dies zeigt klar, dass der Anstieg angebotsgetrieben war“, sagt Jochen Hitzfeld, Rohstoffanalyst von Unicredit. Verknappend wirken Förderrückgänge in Mexiko und der Nordsee sowie eine Stagnation in Russland.

Signale, dass die Weltölförderung auf ihrem Höhepunkt ist, in den kommenden Jahren einbricht und damit den Preis weiter treiben wird, gibt es reichlich. So rechnet die Internationale Energie Agentur (IEA) mit einem steilen Rückgang der Ölförderung zwischen 3,7 und 4,2 Prozent pro Jahr. „Wir sollten das Öl verlassen, bevor es uns verlässt“, warnt IEA-Chefökonom Fatih Birol.

Eine Wette auf einen kurzfristig weiter steigenden Ölpreis wäre jedoch riskant. Wenn nach der US-Wirtschaft auch die asiatische Konjunktur kippen sollte, könnte die Nachfrage sogar einbrechen. „Auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten halten wir einen Ölpreis-Rückgang auf 80 Dollar für möglich“, sagt Markus Mezger von der auf Rohstoffe spezialisierten Investmentgesellschaft Tiberius Assett Management.

Eng könnte es künftig für Spekulanten werden, die möglicherweise manipulativ ihren Wetten stützen. Vor einem Monat startete die Federal Trade Commission, eine US-Regierungsbehörde, eine Untersuchung über Marktmanipulationen im Ölhandel. „Unsere Analyse zeigt, dass dort ein starker Zusammenhang zwischen Problemen auf den physischen Märkten und auf den Finanzmärkten besteht, die eine schlimme Preisspirale auslösen“, sagte Mark Cooper vom US-Verbraucherverband vor einem Ausschuss in Washington.

Senator Byron Dorgan aus North Dakota beschuldigte die Investmentbanken, sie „stecken bis zum Hals in den Future-Märkten“, würden sogar Öl-Lagerkapazitäten aufkaufen und „zum ersten Mal Rohöl absichtlich vom Markt weghalten, um so die Preise zu beeinflussen“. Gerüchte über Tanker, die angeblich auf den Ozeanen ihre Geschwindigkeit drosseln sollen, über falsche Informationen zu Lagerbeständen und über angebliche Absprachen von Hedge-fonds, lösen bei US-Politikern großes Unbehagen aus. Deutsche Amtsträger wie Umweltminister Sigmar Gabriel („Diese Spekulanten verdienen wirklich den Titel Heuschrecke“) schelten umso unbeschwerter, weil der Terminhandel sowieso in den USA stattfindet.

Markt für Rohstoffe wird immer tückischer

Könnten eine strengere Regulierung oder gar ein Verbot des Terminhandels wirklich billigere Rohstoffpreise bringen?

Der Blick in die Geschichte stimmt skeptisch: Im 19. Jahrhundert, als die Getreidebörse in Berlin größer als die Wertpapierbörse war, verkauften dort Großgrundbesitzer ihre Ernte auf Termin. 1894 stellte die Reichsregierung fest, dass im Getreidehandel auf ein „echtes“ Termingeschäft „20 speculativer Natur“ kämen. Schnell häuften sich Meldungen, wonach „Speculanten“ vor allem auf fallende Weizenpreise wetteten. Die ostelbischen Großgrundbesitzer tobten. 1896 wurde der Terminhandel mit Getreide ganz verboten.

Die Folgen waren katastrophal: Bauern und Verarbeiter konnten sich nicht mehr gegen natürliche Ernte-Schwankungen absichern; viele gingen pleite, Garantiepreise und Zölle auf ausländische Importe setzten sich durch. Der Boden für die teure Subventionierung der europäischen Landwirtschaft wurde damals bereitet.

Für private Anleger können Rohstoff-Investments ein lohnendes Geschäft sein, Gewinne daraus können den Ärger über hohe Sprit- und Brötchenpreise mildern. Ein von der WirtschaftsWoche 2003 empfohlenes Zertifikat auf den Rohstoffindex GSCI, der zu 60 Prozent in Rohöl investiert und alle wichtigen Agrarrohstoffe enthält, liegt derzeit über 300 Prozent im Plus. Auch Öl- und Agraraktien-Empfehlungen wie Petrobras, Bunge oder K+S haben ihren Wert vervielfacht.

Allerdings zeigen die drastischen Korrekturen beim Weizenpreis, dass der Markt für Rohstoffe immer tückischer wird. Für private Anleger kein guter Zeitpunkt, um jetzt noch auf den rasenden Zug zu springen. Die Experten von Tiberius halten beim GSCI Verluste bis zu 50 Prozent für möglich. Womöglich bieten sich sogar schon Wetten auf fallende Märkte an. Politisch korrekter wären die allemal: Beschwerden aus der Politik, dass Preise spekulativ nach unten getrieben werden, sind zurzeit kaum zu erwarten.

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