Daily Punch Bei der Allianz versagt die Kontrolle

Seit dem Fondsskandal in den USA leidet die Allianz-Aktie unter Vertrauensverlust. So wie Bäte agiert, wird er das verlorene Vertrauen kaum zurückgewinnen können. Quelle: Imago

Allianz-Chef Bäte baut seinen Vorstand inzwischen im Jahrestakt um. Mit Cheftransformator Ivan de la Sota geht wieder ein Vorstand vorzeitig, alle anderen erhalten zusätzliche Aufgaben. Der Aufsichtsrat macht alles mit. Ein Kommentar.

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Es gab Zeiten bei der Allianz, und die sind noch gar nicht so lange her, da waren Vorstandsposten ernstzunehmende Aufgaben für viele Jahre. Um bei Europas größtem Versicherer in den Vorstand aufzusteigen, mussten sich Managerinnen und Manager in vielfältigen Jobs – operativ und international – bewähren. Um dann entsprechend dieser Qualifikationen auch langfristig in der Konzernführung eingesetzt zu werden.

Unter Konzernchef Oliver Bäte allerdings ist Bäte, der die Allianz seit 2015 führt, die einzige Konstante. Mit dem Italiener Sergio Balbinot geht am Jahresende der letzte Vorstand in Ruhestand, der damals schon an Bord war. Manche der damals neun Vorstandsposten hat Bäte seither sogar mehrfach neu besetzt. Anfang 2022 erweiterte er den Vorstand auf elf, um ihn ab Januar 2023 wieder auf neun zu verkleinern. Die Allianz rühmt sich, dies sei eine „Vereinfachung“ der Vorstandsstruktur. Ernsthaft?

Vorstandsumbauten geschehen bei der Allianz inzwischen im Jahrestakt. Der Neueste sieht, in Kürze, folgendermaßen aus: Der glücklose Transformationsvorstand Ivan de la Sota verlässt die Allianz am Jahresende, drei Jahre vor Ablauf seines Vertrags, und wird nicht ersetzt. De la Sota verantwortete diverse Digitalprojekte Bätes, die allesamt nicht wirklich funktioniert haben: etwa der europäische Direktversicherer oder das Allianz Customer Model, das standardisierte Masterprodukte entwickeln sollte. Die Aufgaben von De la Sota und Balbinot werden mehr oder weniger wahllos auf die anderen Vorstände verteilt. Dass Compliance künftig nicht mehr von M&A-Vorständin Renate Wagner verantwortet wird, sondern von Finanzvorstand Giulio Terzariol, ergibt wohl noch mit am meisten Sinn. Wagner erhält die Zuständigkeit für die Region Asien-Pazifik und stärkt damit ihren Status als potenzielle Bäte-Nachfolgerin.

Die ständigen Umbauten entsprechen der Persönlichkeit Bätes, der immer wieder als sprunghaft beschrieben wird. Dass man auf diese Weise eine Strategie exekutieren kann, ist allerdings zu bezweifeln. Entsprechend hapert es bei der Allianz an vielen Stellen im Konzern an der Umsetzung, ob es etwa um digitale Transformation oder um Compliance, also die Durchsetzung von gesetzestreuem Verhalten überall im Konzern, geht. Dass ein kleiner Trupp Fondsmanager der Allianz Global Investors in Miami sich mit ihren „Structured-Alpha“-Hedge-Fonds derart verspekulieren konnte, dass die Allianz dadurch einen Schaden von sechs Milliarden Euro erlitt, spricht für sich.

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Es wäre Sache der Aufsichtsräte um Chefaufseher Michael Diekmann, für nachhaltige Vorstandsbesetzungen zu sorgen. Stattdessen lassen sie Bäte, dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf, alles durchgehen. Ihr Kontrollversagen ist eklatant.

Nicht zuletzt ist die Art und Weise der Kommunikation eines Dax-Konzerns und Blue Chips nicht würdig. Die Allianz versandte ihre Pressemitteilung zu dem erneuten Vorstandsumbau nicht an die Medien, sondern stellte sie am Donnerstagabend – eher versteckt – in englischer Sprache auf die englischsprachige Konzernwebsite. Auf der deutschsprachigen Konzernwebsite sucht man die Nachricht vergeblich; eine deutsche Mitteilung existiert nicht.

Seit dem Fondsskandal in den USA leidet die Allianz-Aktie unter Vertrauensverlust. Investoren zweifeln an der Qualität des Topmanagements um Konzernchef Bäte. Seit Anfang 2020 ist der Kurs des einstigen „Witwen-und-Waisen“-Papiers um 26 Prozent gefallen. Der Dax gab im selben Zeitraum um neun Prozent nach. So wie Bäte – unbehelligt von seinen Aufsichtsräten - agiert, wird er das verlorene Vertrauen kaum zurückgewinnen können.

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