Ich will Ihnen kurz eine kleine Geschichte erzählen, bevor ich zu den harten Fakten der neuen Studie komme, die etwas über die Bremser, Blender und Blutsauger in unserem modernen Büroalltag verrät. Entdeckt habe ich sie in dem wunderbaren Buch von Dietrich von der Oelsnitz und Michael Busch, das schon vor einiger Zeit bei Orell Füssli erschienen ist. Der Titel: „TEAM – Toll Ein Anderer Macht's - Die Wahrheit über Teamarbeit.”
Die Geschichte also handelt von vier Kollegen namens Jeder, Jemand, Irgendjemand und Niemand. Es ging darum, eine wichtige Arbeit zu erledigen und Jeder war sicher, dass sich Jemand darum kümmert, Irgendjemand hätte es tun können, aber Niemand tat es. Jemand wurde wütend, weil es Jeders Arbeit war. Jeder dachte, Irgendjemand könnte es machen, aber Niemand wusste, dass Jeder es nicht tun würde. Schließlich beschuldigte Jeder Jemand, weil Niemand tat, was Irgendjemand hätte tun können.
Ich möchte wetten, dass Sie diese Erfahrung teilen: Dass die Realität der Arbeitswelt 4.0 alles andere als kuschelig ist, zeigt nun auch die Studie des Büroexperten Sharp Business Systems, die in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Censuswide entstanden ist. Demnach gilt im deutschen Arbeitsalltag vor allem Eines: Jeder ist sich selbst der Nächste.
So geben fast die Hälfte (46 Prozent) der Befragten an, dass das umfassende Teilen von Informationen in ihrem Arbeitsalltag nicht selbstverständlich ist. Das bedeutet, dass eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Zusammenarbeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist – was wiederum zu ineffizienten Arbeitsabläufen führt und sich negativ auf die Unternehmensbilanz auswirkt.
Knigge für das Großraumbüro
Im Großraumbüro sitzen die Menschen selten freiwillig zusammen oder weil sie sich besonders sympathisch sind – sondern, weil sie es müssen. Deshalb ist es wichtig, den Abstand zur Intimsphäre der Kollegen zu wahren. Der beträgt rund 80 Zentimeter. Absolut tabu: Sich auf den Schreibtisch des Kollegen zu setzen.
Ob Windhund oder Mops: Rein rechtlich liegt es in der Hand des Arbeitgebers, ob ein Hund im Büro erlaubt ist oder nicht. Studien belegen, dass die Anwesenheit von Hunden das kollegiale Klima befördert und das Wohlbefinden der Mitarbeiter fördert. Einerseits. Doch Hunde haben nicht nur weiches Fell und lassen sich ohne Unterlass streicheln – sie bellen schon mal und riechen auch nicht immer angenehm. Wen das stört oder wer gar unter Hundehaarallergie leidet, sollte den Kollegen darauf aufmerksam machen. Und zur Not auch den Chef mit ins Boot holen.
In fast jedem sozialen Gefüge gibt es besondere Charaktere, die einen besonderen Umgang erfordern – zum Beispiel Choleriker. Das Tückische: Der Ausbruch kommt oft völlig unerwartet. Ist es dann so weit, sollte man nicht noch Feuer ins Öl gießen. „Spielen Sie den Anlass nicht herunter, aber geben Sie auch nicht zu stark Kontra“, rät Knigge-Experte Horst Hanisch. Etwa indem man dem unreifen Schreihals zumindest in einigen Punkten recht gibt.
Einmal akzeptiert, gibt es keinen Weg zurück: Wer sich aufs Duzen einlässt, kann es nur sehr schwer rückgängig machen. Deshalb sollte man sich genau überlegen, wie nah man Kollegen verbal kommt. Wer deutlich macht, lieber erst mal beim Sie bleiben zu wollen, begeht keinen Fauxpas. Eine vorläufige Absage impliziert nämlich auch, dass sich das künftig noch ändern kann.
Ob Döner mit Knoblauchsoße, Schnitzel mit Pommes oder eine Stulle mit Leberwurst: Nahrungsmittel haben am Arbeitsplatz grundsätzlich nichts zu suchen. Und das nicht nur aus hygienischen Gründen: Das Mittagessen am Schreibtisch einzunehmen ist schlicht ungesund.
Wegen eines lockeren Spruchs sollte das Bürogefüge nicht gleich ins Wanken geraten. Aber nicht jeder Kollege kann mit flapsigen Bemerkungen umgehen. Also lieber eine Pointe zu wenig als eine zu viel.
Egal, ob der Kollege nebenan viel und laut telefoniert oder die Kollegin hinten links einen penetranten Klingelton eingestellt hat: Der Geräuschpegel ist Dauerstreitpunkt im Großraumbüro. Kleiner Trick, große Wirkung: Bitten Sie die Kollegen Bescheid zu sagen, wenn ein langes Telefonat ansteht – und kündigen an, das Büro während dieser Zeit zu verlassen. Dann sollte er merken, dass es Sie stört.
Jeder Mitarbeiter sollte seinen Arbeitsplatz sauber halten – abgekaute Apfelreste oder eine Sammlung leerer Pfandflaschen sind im Büro tabu.
Sprechen Sie Kritik immer als Ich-Botschaft aus: „Ich bin gegen Kälte sehr empfindlich – vielleicht könntest du das Fenster wieder schließen?“ So fühlt sich der Kollege nicht persönlich angegriffen.
Dieses Thema führt häufig zu Konflikten – Väter und Mütter schulpflichtiger Kinder wollen meist gleichzeitig frei nehmen, kinderlose Kollegen müssen die Stellung halten. Da empfiehlt sich frühzeitige Planung – am besten hängen Sie einen großen Plan sichtbar im Büro auf, dann sind alle auf dem gleichen Stand.
Karneval, Oktoberfest oder Halloween: Ob zu solchen Anlässen gefeiert werden soll, lässt sich in größeren Büros selten einstimmig lösen. Wenn jemand verkleidet im Büro erscheint, ist das meist in Ordnung. Wer aber auf laute Karnevals- oder Blasmusik und das Fässchen Bier nicht verzichten mag, eckt schon mal an. Am besten vorher erkundigen, wie die Kollegen das in der Vergangenheit gehandhabt haben.
Auch wenn es nur eine Büroklammer ist: Sich etwas ungefragt vom Tisch des Kollegen zu leihen ist tabu. Auch schlecht: Sich munter am Kaffee zu bedienen, ohne sich finanziell zu beteiligen.
Ob kurzes Röckchen, knielange Shorts oder schulterfreies Oberteil: Wer sich vom Anblick nackter Haut gestört fühlt, sollte das ansprechen. Weisen Sie den Kollegen einfach höflich auf den Büro-Dresscode hin.
Ein Großraumbüro ist nichts anderes als eine große, sozial sensible Zone – da muss jeder Mitarbeiter auch mal schlucken, was ihn nervt. „Stört aber etwas so penetrant, dass die eigene Arbeit davon beeinträchtigt wird, muss es natürlich angesprochen werden“, sagt Knigge-Experte Horst Hanisch.
Kollegen, die immer alles besser wissen, gibt es in jeder Bürogemeinschaft. Wenn es Ihnen zu viel wird, müssen Sie den Kollegen ansprechen. Weisen Sie höflich darauf hin, dass Sie seinen Rat sehr zu schätzen wissen, aber ihre Arbeit machen müssen.
Sie haben den Kollegen schon gefühlte 20 Mal auf seine nervigen Privattelefonate angesprochen und trotzdem beschallt er das Büro täglich mit seinen Problemen? Suchen Sie den Kollegen erneut auf und machen Sie deutlich, dass Sie sich ja nicht beim Chef beschweren wollen, aber langsam wisse man einfach nicht weiter. Passiert wieder nichts, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten.
Ein kurzes Gespräch mit dem Kollegen ist auch im Großraumbüro erlaubt – sollte es allerdings länger als ein paar Minuten dauern, ist es höflicher sich in die Küche oder einen Besprechungsraum zurückzuziehen.
Vom Rosenblüten-Raumspray bis zum Pausenbrot mit altem Gouda: Gerüche können so nerven wie die Lautstärke – jeder Kollege ist an anderer Stelle sensibel. Grundsätzlich sollten Sie auf Extreme verzichten – was den einen erfrischt, könnte der Büronachbar als unangenehm empfinden.
Jegliche Art von Bildern oder Sprüche mit sexistischen, politischen oder religiösen Motiven haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen.
Frischluftfanatiker versus Heizkörperhocker – dieser Konflikt ist vermutlich genauso alt wie das Großraumbüro selbst. Da gibt’s nur eines: Miteinander reden und einen Kompromiss schließen.
Geben Sie ihren Kollegen immer erst die Chance, ihr Verhalten zu ändern. Direkt mit dem Gang zum Chef zu drohen schießt über das Ziel hinaus und wirkt auf Dauer unglaubwürdig.
Ob Einzelkemenate oder Massenbüro: Kranke Mitarbeiter sollten grundsätzlich zu Hause bleiben. Aber gerade im Großraumbüro kann ein mit Viren verseuchter Kollege verheerenden Schaden anrichten.
„Sprechen Sie Konflikte nicht im Eifer des Gefechtes an, sondern atmen Sie erst einmal tief durch und lassen Sie etwas Zeit vergehen“, sagt Knigge-Experte Hanisch. Suchen Sie das Gespräch an einem neutralen Ort, wie etwa der Kaffeeküche und nicht vor den anderen Kollegen.
Xenophobie – also die feindliche Einstellung gegenüber Fremden – hat im Großraum wirklich keinen Platz. Diese Kollegen sollten sich schleunigst ein Einzelbüro suchen.
Wenn der Kollege vor seinem Bildschirm regelmäßig einen Lachanfall bekommt oder das Video gar ohne Kopfhörer anschaut, sollten Sie das Gespräch suchen – am Arbeitsplatz hat das nichts verloren.
Der Schreibtisch sollte in erster Linie Arbeitsplatz sein und kein Ausstellungsort für Souvenirs, Porzellanpuppen oder andere Sammelleidenschaften. Grundsätzlich ist es positiv, wenn sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, aber auch hier gilt: Die eigene Freiheit endet dort, wo die des Kollegen beginnt.
Doch nicht immer verbirgt sich dahinter pure Boshaftigkeit: Knapp 38 Prozent der Angestellten machen vor allem die technische Ausstattung dafür verantwortlich, die das Teilen von Informationen mit Kollegen erschwert. Vor allem ist langsame und veraltete Technik auch ein fieser Zeitfresser, durch den Deutsche Büro-Angestellte im Jahr 20 Arbeitstage verlieren.
Die Top 10 der Büro-Unsitten
Die Studie offenbart aber auch eine ganze Reihe ich-bezogener Verhaltensweisen, die den Büro-Alltag dominieren und dem Team-Gedanken explizit entgegenwirken. Hierzu zählen zum einen folgenschwere Verhaltensweisen, wie mangelnde Sorgfalt bei Passwörtern, die den Unternehmenserfolg nachteilig beeinflussen.
Doch auch triviale und gleichsam ärgerliche Angewohnheiten, die schleichend zu Missstimmung unter den Kollegen führen, richten auf Dauer großen Schaden an. Häufig genannt werden hier beispielsweise leere Druckerfächer, weil der Kollege wieder einmal kein Papier aufgefüllt hat – diese Erfahrung macht jeder Zweite (50 Prozent) regelmäßig, weitere 23 Prozent geben zu, selbst des Öfteren kein Papier nachzulegen.
Die Top 10 der Büro-Unsitten:
- Vergessen ausgedruckter Seiten in der Druckerablage (84 Prozent)
- Papier im Drucker nicht nachfüllen (73 Prozent)
- Heimliches Umstellen der Temperatur von Heizung/Klimaanlage (79 Prozent)
- Dokumente verschieben/Ordnerstrukturen eigenmächtig verändern (70 Prozent)
- Verschludern von Passwörtern und Zugangsdaten (64 Prozent)
- In Meetings an eigenen To Dos weiterarbeiten (61 Prozent)
- Anderen ins Wort fallen (58 Prozent)
- Ignorieren technischer Probleme bei gemeinschaftlich genutzten Geräten (54 Prozent)
- Vorlagen ändern bzw. sich nicht an Vorgaben halten (49 Prozent)
- Wichtige Informationen werden nicht geteilt (46 Prozent)
Ärger schlucken oder Luft machen?
Obwohl sie regelmäßig unter diesen Verhaltensweisen ihrer Kollegen leiden, ziehen es immerhin noch 27 Prozent der Befragten vor, einfach darüber hinwegzusehen und ihren Ärger zu schlucken. 26 Prozent ziehen, soweit möglich, den verantwortlichen Kollegen per E-Mail zur Rechenschaft oder beschweren sich bei anderen.
Weitere 21 Prozent kleben eine Notiz an den Tatort oder an eine für jeden gut sichtbare Stelle im Büro. Besonders kompromisslos geht es offenbar im Bereich Personalmanagement zu: Hier gaben 35 Prozent der Befragten an, ihrem Ärger vorzugsweise durch direkte Benachrichtigung an den oder die Vorgesetzte Luft zu machen.
Die unterschiedlichen Typen eines Teams
Er übernimmt gerne die Vorbildfunktion, hält das Team zusammen und spornt die anderen an. Außerdem spricht er Bedenken an und präsentiert Lösungen für Probleme. Um ihn zu motivieren, kann der Chef ihm zusätzliche Verantwortung übertragen – sowohl hinsichtlich inhaltlicher Entscheidungen als auch beim Führen der restlichen Mannschaft. Sich immer wieder neu zu beweisen, ist seine zentrale Motivation.
Er kann ständig Höchstleistungen abrufen, liebt Herausforderungen und reagiert schnell auf neue Anforderungen – auch unter Druck. Der Top-Performer erwartet regelmäßige Belohnungen für Erfolge. Diese können sowohl materieller Natur sein, aber auch Lob und Aufstiegschancen motivieren ihn.
Er ist neutral und fair gegenüber allen Beteiligten, egal ob Kollegen, Kunden oder Lieferanten. Er hat die Gabe Emotionen und Fakten zu trennen. Dieser Typ fühlt sich besonders in Abteilungen beziehungsweise Betrieben wohl, die ihr Handeln an Unternehmenswerten ausrichten. Auch ihn motiviert eine gewisse Entscheidungsfreiheit, allerdings braucht er Richtlinien, an denen er sich orientieren kann.
Er ist ein langjähriger Mitarbeiter, auf dessen Leistung man sich verlassen kann. Außerdem teilt er sein Wissen gerne, bringt so das gesamte Team voran. Auch der Profi will durch neue Aufgaben gefordert und gefördert werden. Motivieren Sie ihn, in dem Sie ihn als Mentor für neue Mitarbeiter oder Verbindungsmann zwischen verschiedenen Abteilungen einsetzen. Das zeigt, wie sehr Sie seine Erfahrung schätzen.
Die meisten Neuen wollen schnell lernen und sich im Team einfügen. Sie bringen neue Ideen und wertvolles Wissen mit. Mit einem Einarbeitungsplan könnte der Vorgesetzte den Neuankömmling motivieren. Seine Rolle sollte darin ebenso geklärt werden, wie die übergeordneten Geschäftsziele. Regelmäßiges Feedback sind besonders für die Neuen wichtig.
„Fast jeder Angestellte kennt solche Verhaltensweisen aus eigener Erfahrung und nimmt die damit einhergehenden Ärgernisse und Nachteile als Teil des Arbeitslebens hin“, so Alexander Hermann, Vice President bei Sharp Information Systems Europe. „Blickt man hinter die Kulissen, haben wir es hier aber mit einem ernstzunehmenden Problem zu tun: Der Teamgedanke leidet erheblich oder ist schlimmstenfalls gar nicht erst vorhanden. Kommen gravierende Probleme wie mangelnder Informationsaustausch hinzu, steht ein Unternehmen als Ganzes schnell auf der Verliererseite."
Unternehmen müssen also unbedingt die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen, um diesen Austausch zu gewährleisten – Das betrifft sowohl die physische Arbeitsumgebung als auch die technische Ausstattung und die Unternehmenskultur als Ganzes, bei der die Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen sollten.
Was erfolgreiche Teams auszeichnet? Dietrich von der Oelsnitz und Michael Busch betonen, dass sie nicht gegen- und auch nicht nebeneinander, sondern miteinander arbeiten. „Selbst wenn es schon oft zitiert wurde, seine Gültigkeit für die Beschreibung echter Teams hat das Motto der drei Musketiere bis heute bewahrt: Eine für alle und alle für einen“, so die beiden Autoren. „Das ist der Kern jeder guten Zusammenarbeit.“ Oder mit Friedrich Schiller in seinem Wilhelm Tell: „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.“