Crispr-Cas9 Wie die Gen-Schere unsere Welt verändern soll

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Vermarktung über vier Start-ups

Das Trio liegt allerdings im Streit und debattiert seit Wochen erbittert, wer die älteren Rechte an einer der wichtigsten Biotechinnovationen des Jahrhunderts besitzt. Das hindert die Forscher aber nicht, die Technik über vier Start-ups zu vermarkten: Doudna via Caribou und Intellia, Charpentier mit Crispr Therapeutics und Zhang durch Editas.

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Um die vier Firmen buhlen nun Pharma- und Chemiekonzerne, aber auch Biotechunternehmen, die alle mitverdienen wollen. Seit 16 Monaten tobt der Verteilungskampf nun schon. Dabei agieren die Firmen mit sehr unterschiedlichen Strategien.

Caribou: Hunger bekämpfen

Doudnas Gründung Caribou Biosciences im kalifornischen Berkeley spielt die Rolle des Landeis und konzentriert sich auf die Agrarbranche. Caribou will nicht weniger als die Welternährung sichern. Denn mit Crispr lassen sich Pflanzen wie auch Nutztiere gentechnisch optimieren. Dank Crispr sollen Mais und Weizen Dürren überstehen und zugleich höhere Erträge abwerfen.

Das lockt den US-Chemie- und Agrarriesen Dupont, der im Oktober 2015 von Caribou-Chefin Rachel Haurwitz die Nutzungsrechte für die Pflanzenzucht erhielt. Was der Konzern für die mehrjährige Kooperation bezahlt, verraten die Partner nicht. Schon im Frühling sollen Feldversuche beginnen.

Diese Start-ups arbeiten an Crispr-Cas9

Besonders spannend: Das US-Landwirtschaftsministerium signalisierte, dass Pflanzen nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssten, solange keine Gene fremder Lebewesen wie Bakterien eingebaut seien. Ob das auch für Europa gilt, will die EU-Kommission bald entscheiden. Es wäre für die Branche ein Durchbruch: Schließlich ist konventionelle gentechnisch veränderte Nahrung, die entsprechend gekennzeichnet werden muss, hoch umstritten, vor allem unter Europas Verbrauchern. Ohne die Kennzeichnung wittern die Agrarkonzerne neue Marktchancen.

Intellia: Krebsabwehr stärken

Für die Anwendung beim Menschen hat Caribou in Cambridge Intellia Therapeutics ausgegründet. Das Start-up hat sich bereits im November 2014 mit dem Pharmakonzern Novartis verbündet – ohne Zahlen zu nennen. Die Schweizer haben sich damit als weltweit erster Konzern den Zugriff auf die neue Genschere gesichert. Novartis will Immunzellen außerhalb des Körpers mit der Crispr-Technik gegen Tumore aufrüsten und dann wieder in die Kranken zurückzugeben. Der Ansatz hat gute Chancen, zur ersten Crispr-Therapie zu werden. Denn er lässt eine Erfolgskontrolle zu: Nur Zellen, bei denen das Gentuning ohne Störung funktioniert hat, kommen zum Einsatz.

Editas: Erblinden stoppen

Vornehme Verschwiegenheit wie bei Intellia ist dem Start-up Editas Medicine fremd, das Feng Zhangs mitgegründet hat. Die ebenfalls in der Biotechhochburg Cambridge angesiedelte Firma gibt sich eher als Retter der Menschheit. Mammuts wieder auferstehen lassen, Menschen optimieren, sämtliche Krankheiten heilen, weniger wäre nicht gut genug für Editas. Im Mai 2015 hat sich die Firma mit Juno Therapeutics aus Seattle zusammengetan, um in einem 25 Millionen Dollar schweren Forschungsprogramm – wie Intellia – externe Krebstherapien zu entwickeln. Und im August 2015 erhielt das Start-up unter anderem von Microsoft-Gründer Bill Gates 120 Millionen Dollar, um Gentherapien zu entwickeln, etwa gegen ein erbliches Augenleiden. Der Vorteil der Strategie: Die Geneditierung muss nicht gleich perfekt im ganzen Körper funktionieren, sondern nur in einem einzigen Organ, das noch dazu gut von außen zu erreichen ist. Im Frühjahr 2017 sollen Versuche am Menschen beginnen, sagt Editas-Chefin Katrine Bosley, die im Januar auch den baldigen Börsengang ankündigte.

Crispr Therapeutics: Bluter heilen

Bescheidener gibt sich Charpentiers Gründung Crispr Therapeutics, die in Basel residiert und in Cambridge forscht. Sie hat dennoch das meiste Geld eingesammelt. So fädelte Chef Rodger Novak im November 2015 den mit 2,6 Milliarden Dollar größten Biotechdeal des Jahres ein – mit Vertex Pharmaceuticals aus Boston. Vertex ist auf Erbleiden wie Mukoviszidose spezialisiert, das die Lunge zerstört. Gegen diese und fünf weitere Krankheiten will das Duo kämpfen.

Mit Bayer gründete das ebenfalls an die Börse strebende Start-up in Cambridge ein Joint Venture, das Therapien sogar für Herzleiden finden soll. Was Novak gut gefällt: „Wir geben keine Rechte ab, sondern entwickeln und vermarkten gemeinsam Therapien.“ Mit einem Mal kann sein Team auf die Expertise eines Pharmakonzerns zugreifen.

In zwei bis drei Jahren hofft Axel Bouchon, derzeit Chef des Joint Ventures und Leiter des Bayer LifeScience Centers, Bluterkranken per Gentherapie helfen zu können. Bei vielen ist eine Erbanlage defekt, die den Bauplan für einen lebenswichtigen Blutgerinnungsfaktor liefert. Die Genschere soll den Defekt in jeder einzelnen Zelle des Patienten reparieren. Wenn das wirklich funktioniert, gebe es praktisch keine durch Gene verursachten Krankheiten mehr, meint Bouchon, die sich nicht heilen ließen.

Und wann geht Bayer dazu über, die Gendefekte schon in der Keimbahn, am ungeborenen Embryo zu korrigieren? „Niemals“, lautet die einhellige Antwort von Bouchon und seinem Forschungsvorstand Malik: „Dafür gibt es weder heute noch in Zukunft irgendeine medizinische Notwendigkeit.“

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