Gesundheit Wie gefährlich Handystrahlung wirklich ist

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Wenn Gelder aus der Wirtschaft fließen


Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

„Um die Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Organismus beziehungsweise die Gesundheit nachweisen zu können, müssen sowohl epidemiologische als auch experimentelle Studien herangezogen werden“, erklärt Sarah Drießen aus Aachen. Einen umfassenden Überblick über einen Großteil der Studien bietet das EMF-Portal, eine Internet-Informationsplattform zu den Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen und auf biologische Systeme.

Eine klare Antwort auf die Frage, wie schädlich Handystrahlung wirklich ist, scheint es im Moment nicht zu geben. „Wir können in der Forschung nie beweisen, dass etwas nicht da ist. Aber die Ergebnisse der vielen Studien deuten auf eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit hin“, sagt auch Alexander Lerchl. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für nicht ionisierende Strahlung der Strahlenschutzkommission und Professor an der Jacobs-University in Bremen.

Alexander Lerchl Quelle: Presse

Lerchl gilt als einer der schärfsten Kritiker Lennart Hardells. „Wenn Handystrahlungen tatsächlich Hirntumore auslösen würden, müssten wir längst einen rapiden Anstieg dieser seltenen Krankheit wahrnehmen. Auch wenn die Technik erst zwanzig Jahre alt ist“, sagt er. Lediglich zwei Prozent aller Krebsarten sind Hirntumore. Drei bis fünf Personen pro 100.000 erkranken weltweit jährlich neu daran. Dabei sind die Zahlen in den letzten Jahren trotz steigender Handynutzung unverändert beziehungsweise sogar leicht zurückgegangen. Das zeigen unter anderen Daten der Statistik Austria.

Der Professorenkrieg zwischen Lennart Hardell und Alexander Lerchl hat Geschichte. Während Hardell 2011 in Lyon bei den Sitzungen der WHO anwesend war, ließ man den Bremer wegen Finanzierungen aus der Wirtschaft nicht zu. Lerchl sagt dazu: "Man hat mich nicht zugelassen, weil ich zu viele kritische Kommentare zu Studien veröffentlicht habe, die vermeintliche Schäden durch Mobilfunk zeigten. Inzwischen ist rund ein halbes Dutzend solcher Studien aufgrund meiner Kommentare zurückgezogen worden, die ansonsten weiterhin für Verunsicherung gesorgt hätten."

Lerchl wühlte anschließend in Hardells Geschichte und fand heraus, dass auch der Schwede schon von einem Unternehmen gefördert worden sei. Bei Studien aus den Jahren 2002 und 2004 nahm Hardell Gelder des schwedischen Telefonkonzerns Telia an. Dass Finanzspritzen aus der Wirtschaft in die Forschung fließen ist nicht ungewöhnlich. In der Regel geschieht dies dann über eine neutrale Instanz, die als „Firewall“ dient und so den direkten Einfluss der Unternehmen auf die Arbeit der Wissenschaftler ausschließen soll. Sowohl Hardell als auch Lerchl behaupten von sich, dass in ihren Fällen die Unabhängigkeit so sichergestellt worden sei.

Die IARC der WHO in Lyon hatte mich seinerzeit nicht wegen "Finanzierungen aus der Wirtschaft" nicht zum Expertentreffen eingeladen, sondern deswegen, weil ich zu viele kritische Kommentare zu Studien veröffentlicht habe, die vermeintliche Schäden durch Mobilfunk zeigten. Inzwischen ist rund ein halbes Dutzend solcher Studien aufgrund meiner Kommentare zurückgezogen worden, die ansonsten weiterhin für Verunsicherung gesorgt hätten. Dass dieses in der Wissenschaft normale und notwendige Verhalten von der IARC moniert und als Grund angegeben wurde, mich nicht einzuladen, spricht nicht eben für ein besonders kluges Wissenschaftsverständnis. Es ging, so muss man annehmen, bei der Einstufung der IARC nicht so sehr um Fakten, sondern um Proporz oder Konsens (beides gibt es in der Naturwissenschaft nicht). Wie sonst ist zu erklären, dass die IARC in Kenntnis der Dokumente (!) zuließ, dass Lennart Hardell, dem massive Manipulationen in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wurden, dem Expertenteam angehörte?

Mobilfunknutzer sind verunsichert

Während sich die Wissenschaft streitet, sind viele Menschen verunsichert. Über 27 Millionen Deutsche nutzen derzeit Mobiltelefone. Sie wollen wissen, wie gefährlich die Geräte letztlich wirklich sind. Die Mobilfunkunternehmen streiten den gesundheitsgefährdenden Einfluss von Handystrahlung auf den menschlichen Körper selbstverständlich ab. Man halte sich an die vorgeschriebenen Grenzwerte im Frequenzbereich.

Denn eines ist sicher: Der Mensch nimmt hochfrequentierte elektromagnetische Felder auf und wandelt deren Energie vor allem in Wärme um. Die Felder werden von allen möglichen Antennen abgestrahlt - wie beim Fernseher, Radio, sogar Babyphone oder eben auch Mobilfunk. Die Umwandlung in Wärme wird auch als thermischer Effekt bezeichnet, der allerdings so gering ist, dass er sich kaum messen lässt.

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