Diese Position setzt sich nun bis in die Vorstandsetagen großer Konzerne durch. Henkel, BMW und SAP – die laut den Analysten der Ratingagentur Oekom zu den nachhaltigsten der Welt gehören – arbeiten daran, verantwortungsvolles Wirtschaften tief in ihrer Strategie zu verankern. Denn die Manager wissen, wenn sie mit vermeintlich grünen Kampagnen ihre Glaubwürdigkeit verlieren, glaubt ihnen niemand mehr.
Wie also steht es in Sachen Greenwashing um die deutsche Wirtschaft? Welche Branchen sind besonders anfällig? Was sind die häufigsten Tricks? Wo lauern Fallen für Unternehmen? Und können Verbraucher überhaupt erkennen, wo wirklich nachhaltig drinsteckt, wenn nachhaltig draufsteht? Um diese Fragen zu beantworten, haben WirtschaftsWoche-Reporter in aller Welt recherchiert: in Papierfabriken in China, bei Baumwollbauern in Indien und auf Recyclinghöfen in Deutschland.
Siegel sind ihren Kleber nicht wert
Wer sich für einen bewussten Lebensstil entscheidet, hat es schwer. Kunden können nicht jeden Zulieferer einer Lieferkette kontrollieren. Sie sind auf Siegel angewiesen und darauf, dass eine unabhängige Instanz die guten von den schlechten Produkten unterscheidet. Doch viele dieser Siegel sind nicht den Aufkleber wert, auf den sie gedruckt wurden: Mal erfinden Unternehmen ihre eigenen Labels, mal stammen die Auszeichnungen von dubiosen Organisationen – und oft halten sie schlichtweg nicht das, was sie versprechen.
Die erste Spur führt nach China. In Dutzenden Fabriken entsteht hier aus einem weißen Brei Papier, das schier endlos über gigantische Fließbänder rollt. Die Produkte in Form von Kartons und Papier landen später containerweise in Europa. Die Basis für Papier ist Holz. Doch in Asien gibt es im Vergleich zu Europa weniger Nutzwälder – dafür massenhaft Urwald.
Noch vor zwei Jahren hielt es Heinz-Joachim Schaffrath für ausgeschlossen, dass schützenswerte Tropenhölzer in deutschen Küchenrollen oder Zeitungen landen. Schaffrath erforscht die Papierherstellung an der Technischen Universität Darmstadt und ist einer der angesehensten Experten in dem Feld. Druckerpapier, Taschentücher und Klopapier tragen oft das Umweltsiegel FSC der Umweltorganisation Forest Stewardship Council. Kein Problem also. Dachte der Experte.
Starker Hinweis auf Tropenholz
Heute weiß Schaffrath, wie falsch er gelegen hat. Hunderte Papierchargen hat er untersucht, die ihm Umweltschutzorganisationen, Discounter und Verlage zugespielt haben. Weil es bisher kein Verfahren gab, die wertvollen Hölzer im Papier nachzuweisen, hat Schaffrath selbst eines entwickelt: Er analysiert die mikroskopische Gestalt der Holzfasern – sozusagen den Fingerabdruck von Buche, Birke, Kiefer und Eukalyptus. Manche Fasern sind länglich und gesprenkelt, andere kurz und dick. Lassen sich die Muster den in Deutschland katalogisierten Bäumen nicht zuordnen, ist das ein "extrem starker Hinweis auf Tropenholz", sagt Schaffrath. Denn nur die exotischen Tropenhölzer wurden hier nicht erfasst. Und "alle verdächtigen Papiere kommen aus Südostasien", sagt er.