Als bekennende Querdenkerin („Ich hasse Erklärungen, die mit ,Das geht nicht‘ beginnen“) brauchte einige Zeit, um sich im Großunternehmen zurechtzufinden. Wie sie sich an den Konzern gewöhnt, muss der Konzern sich auch an sie gewöhnen. In Mitarbeiterkreisen berüchtigt sind von Beginn ihrer Daimler-Zeit an die E-Mails, die Winkler vom frühmorgendlichen Jogging per Blackberry verschickt – kurz vor 7 Uhr morgens. Dutzende Ideen, die „der Chefin“ beim Trab durch die Landschaft gekommen sind, werden dann zur Diskussion gestellt oder Anweisungen erteilt, die, wie ein Insider lästert, möglichst bis acht Uhr umgesetzt sein sollten: „Sonst kann es schon mal ungemütlich werden.“
„Ich will, dass wir alle begeistert sind. Dass wir dafür brennen, nicht nur Autos zu bauen, sondern auch unseren Kunden mehr Lebensqualität in der Stadt zu verschaffen und die Städte schöner zu machen“, doziert Winkler zu später Stunde nach einem langen Messetag. Womit wir wieder bei Smart wären.
Als Winkler dort Chefin wird, besteht das Produktprogramm nur noch aus einem einzigen Auto. Die Marathon-Rennradlerin, die in ihrer Zeit als Statthalterin von Daimler in Belgien bis zu einem schweren Unfall Tagesetappen von bis zu 250 Kilometern bewältigte, lässt in aller Eile ein Elektrobike entwickeln, um den Smart-Händlern ein kleines Zubrot zu verschaffen. Zudem hilft der Aufbau des Carsharing-Systems Car2Go, die Produktion in Hambach zu stabilisieren und das Unternehmen über Wasser zu halten.
Steigerung der Unternehmenskultur
Aber erst die strategische Kooperation mit Renault-Nissan und die Entwicklung einer gemeinsamen, heckgetriebenen Plattform für Smart und Renault Twingo (Codename Edison) sorgen für neuen Schwung. Winkler trägt viel dazu bei, um die unterschiedlichen Firmenkulturen zusammenzuführen und die Zwistigkeiten, die während der Fahrzeugentwicklung immer wieder zwischen den Ingenieuren von Daimler und Renault ausbrachen, zu beenden – durch klare Worte und versöhnliche Gesten, auch durch Kochevents, zu denen sie ihre deutschen und französischen Kollegen einlädt. Winkler und Renault-Chefentwickler Ali Kassei sind darüber zu Freunden geworden.
So entwickelte sich Mercedes-Benz 2014
Größter Absatzmarkt waren erneut die USA mit 330.391 verkauften Autos (plus 5,7 Prozent). Wegen der hohen Nachfrage nach SUV hat Daimler den Ausbau seines Werks in Tuscaloosa angekündigt.
Erstmals vor Deutschland, war China 2014 für Daimler der zweitwichtigste Markt weltweit mit insgesamt 281.588 Autos - ein Plus von 29,1 Prozent.
In Europa steigerte Mercedes den Absatz 2014 um 9,4 Prozent auf 723.000 Fahrzeuge - und liegt damit deutlich über dem allgemeinen Marktwachstum. In Deutschland setzten die Schwaben 261.000 Modelle ab - ein Plus von 2,3 Prozent.
Die Kleinwagen verkauften sich 2014 dem Modelwechsel geschuldet schlechter. Der Absatz brach um 10,9 Prozent auf 89.844 Fahrzeuge ein. Der neue Fortwo und der Forfour sollen in diesem Jahr den Absatz deutlich steigern.
Seit Februar ist die neue Modellgeneration nun auf dem Markt, sind mit Zwei- und Viertürer sogar zwei Autos im Angebot, nicht nur in Europa, sondern auch in China. Zusammen mit Bodo Buschmann, dem Besitzer des Mercedes-Veredlers Brabus, feilt sie an stylischen Sondermodellen. Oft bis spät in die Nacht, denn auch um die Farben und Materialien der neuen Reihe Tailor Made, die in Kürze auf den Markt kommt, kümmert sich die Smart-Chefin persönlich. „Es ist nicht immer leicht mit ihr“, sagt der Unternehmer. „Aber es imponiert mir, mit wie viel Einsatz sie für das kleinste Auto im Großkonzern kämpft.“
Und der Einsatz zeigt Wirkung: Das ursprüngliche Verkaufsziel von 200.000 Autos pro Jahr erscheint Analysten erstmals ebenso realistisch wie ein ordentlicher Betriebsgewinn. Friedrich Maier, Geschäftsführer des Smart Centers in Esslingen und Sprecher des deutschen Smart-Händlerverbandes, ist guten Mutes. „Die Durststrecke ist endlich zu Ende.“
Zumal der Ausbau der Modellpalette zügig weitergeht. Im Herbst kommt das Cabrio, die Version mit Elektroantrieb im kommenden Frühjahr. Und hartnäckig halten sich Gerüchte, dass auf Basis des Nissan Juke ein Smart-SUV entsteht – die Produktionsentscheidung für den Smart Formore könnte bald fallen.
Winklers Ideen sind damit noch lange nicht ausgeschöpft. Kostprobe? Smart-Fahrer sollen in Parkhäusern Rabatt kriegen und bargeldlos bezahlen können, sie sollen Facelifts downloaden können, Teil einer weltumspannenden Community werden. „Es gibt für uns Chancen ohne Ende.“
Und das gilt sicher nicht nur für die Marke, sondern auch für deren Chefin.