Die Börsengeschichte der Veggie-Aktien lehrt, bei Hypethemen kühlen Kopf zu bewahren. Quelle: Imago

BörsenWoche 361 - Editorial Veggie-Aktien: Veganz, Oatly & Co. – misstraut dem Hype!

Der Absturz der Veggie-Aktien Veganz, Oatly und Co. kommt mit Ansage und zeigt, dass eine schöne Geschichte noch kein gutes Investment macht.

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Was für ein Desaster! Nachdem der Veggie-Lebensmittel-Produzent Veganz vergangene Woche seine Zahlen fürs erste Quartal präsentierte, fiel der Kurs ins Bodenlose. Umsatz und Marge waren geschrumpft, gewachsen nur der Verlust. 48 Prozent verlor der Kurs daraufhin im Tagesverlauf, eine glatte Halbierung. So etwas erlebt man als Börsianer selten. Dabei ist der Börsengang noch nicht lange her. Im November kam das Unternehmen zu 87 Euro je Aktie aufs Parkett. Übrig ist davon heute, ein halbes Jahr später, nicht einmal ein Viertel.

Es ist eine deftige Wertvernichtung. Aber auch eine mit Ansage: Denn die Chancen dieser Aktie und größerer Konkurrenten wie der amerikanischen Beyond Meat (Fleischersatz) oder der schwedischen Oatly (Milchersatz) auf eine gute Wertentwicklung standen von Anfang an schlecht. All diese Aktien kamen zu sehr üppigen Bewertungen an die Börse. Oatly zum Beispiel wurde bei einem Jahresumsatz 2020 von 422 Millionen Dollar beim Börsendebüt im vergangenen Sommer mit sage und schreibe zehn Milliarden Dollar bewertet, also zu mehr als dem 20-fachen Umsatz. Beyond Meat startete 2019 an der Börse zum 17-fachen Vorjahresumsatz. Veganz war mit einer vierfachen Umsatzbewertung vergangenes Jahr zwar billiger, ist aber auch viel kleiner und ging zudem nur im skandalumwitterten Börsensegment Scale aufs Parkett.

Solche Bewertungen kennt man eher von hochprofitablen Techwerten. Bei den Veggie-Aktien dagegen war nie erkennbar, wann und ob überhaupt die Unternehmen je Gewinne erwirtschaften können. Denn der Lebensmittelmarkt ist wettbewerbsintensiv, die Eintrittshürden bei Fleisch- oder Milchersatzprodukten niedrig.

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Diese Tatsachen bildete die Börsenbewertung zum Debüt nicht ab. Sie gründete einzig auf einer, zugegeben: schönen, Geschichte. Weil immer mehr Menschen erkennen, wie schädlich unser hoher Fleischkonsum ist, steigen sie auf vegane Produkte um. Als Aktionär der entsprechenden Hersteller kann ich davon finanziell profitieren und nebenbei die Welt retten. Weil das zu schön klang, um wahr zu sein, war ich von Anfang an skeptisch. Klar, dass die Euphorie so schnell so gnadenlos aus den Kursen entweicht – Oatly notierte zuletzt fast 90 (!) Prozent unter dem Kurshoch – war in der Form nicht absehbar. Dass die Aktien aber allein von einem Hype getragen wurden und die Absturzgefahr hoch ist, das konnte man schon erkennen.

Wie also geht es weiter? Nun, das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich durch den Abverkauf zwar gebessert. Gut ist es nach meinem Dafürhalten aber immer noch nicht. Denn die Frage, ob die Unternehmen im harten Wettbewerb mit Lebensmittelmultis bestehen und langfristig gute Renditen erzielen können, konnte bisher nicht beantwortet werden – zumindest nicht mit ja. Wieso aber investieren, wenn die Aussicht auf ein langfristig ertragreiches Geschäft fehlt? Am ehesten noch, weil vielleicht ein großer Konzern eine etablierte Marke wie Oatly jetzt relativ günstig kaufen könnte. Allein darauf würde ich ein Investment aber nie gründen – viel zu unkalkulierbar sind solche Fantasien. Bei den Aktien bleibe ich deswegen außen vor.

Die Börsengeschichte der Veggie-Aktien lehrt, bei Hypethemen kühlen Kopf zu bewahren. Vegane Ernährung ist ohne Zweifel ein Megatrend, der viel Wachstum verspricht. Aber das allein macht die Aktien des Sektors eben nicht zu guten Investments. Veganz-Aktionäre mussten das nun auf die ganz harte Tour lernen.

Hier geht's zum aktuellen Finanzbrief.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.
Ihr Georg Buschmann

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