Die Börsen laufen trotz aller Krisen gut. Der Dax bricht neue Rekorde. Der japanische Nikkei-Index hat zum ersten Mal seit der Spekulationsblase vor 35 Jahren ein neues Allzeithoch erreicht. In den USA laufen die Börsen ebenfalls wie geschmiert: Der amerikanische Leitindex S&P 500 hat kürzlich die Marke von 5000 Punkten geknackt. Im März 2009 notierte er im Tief bei gerade einmal 666 Punkten. Allein seit Anfang 2023 ist er um 30 Prozent gestiegen.
Bei so vielen Rekorden und Feierlaune bleibt die Frage, ob die Aktienmärkte überhaupt noch Chancen bieten. Die Antwort darauf ist ein wenig hilfreiches „Ja, aber“. Zuerst die Einschränkung: Die einfachen Gewinne dürften hinter uns liegen. Würden die Märkte weiterhin so rasant steigen, wäre das eher eine gefährliche Blasenbildung. Ausschließen kann das niemand, aber falls es so kommt, müsste man dies irgendwann wohl mit einem harten Crash bezahlen. Der gesündere Weg wäre ein langfristig moderater Anstieg, mit den üblichen Schwankungen.
Bloß: Was heißt moderat, welche Renditen können Anleger in der Zukunft erwarten? Bisher ließ sich diese Frage überraschend akkurat beantworten. Der amerikanische Finanzprofessor Jeremy Siegel, bekannt für sein Standardwerk „Aktien für die Ewigkeit“, hat eine historisch verlässliche Formel gefunden. Wird bei der Bewertung von Aktien das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) umgedreht, bekommt man die Gewinnrendite – wie viel der Gewinn prozentual vom Aktienkurs ausmacht. Hat eine Aktie ein KGV von 20, beträgt ihre Gewinnrendite ein Zwanzigstel, also fünf Prozent. Anschaulicher betrachtet: Würde ein Unternehmen seinen gesamten Gewinn ausschütten, wären Gewinnrendite und Dividendenrendite gleich hoch.
Die Gewinnrendite hat sich als hervorragender Indikator für die langfristige, inflationsbereinigte Rendite von Aktien erwiesen. 2018 hat Siegel US-Finanzdaten von 140 Jahren ausgewertet. Während dieser Phase entsprach die durchschnittliche Gewinnrendite fast exakt dem mit Aktien erzielten Wertzuwachs inklusive Dividenden. Bei einem KGV von 15 waren für Anleger nach Inflation 6,7 Prozent Rendite pro Jahr drin.
Diese Ergebnisse ergeben durchaus Sinn. Schließlich sollte der Gewinn von börsennotierten Unternehmen auch in Form von Rendite bei den Anlegern ankommen. Was aber auch heißt, dass es weniger abzugreifen gibt, wenn ein Aktienmarkt teuer ist. Das ist aktuell der Fall. Der S&P 500 ist momentan mit einem KGV von 23 bewertet. Dadurch sinkt die Gewinnrendite auf etwas über vier Prozent – weit entfernt vom historischen Wert. Wäre aber als Rendite nach Inflation immer noch deutlich vielversprechender als Alternativen wie Anleihen oder Festgeld.
Wie unsere Grafik zeigt, könnten global andere Märkte lukrativer sein, jedoch haben diese unberechenbare Eigenheiten. Wirklich langfristige Daten sind dort nur begrenzt verfügbar, die Rahmenbedingungen oft weniger kapitalmarktfreundlich. Den meisten Aktienmärkten außerhalb der USA fehlt außerdem die Breite.
Der Dax und der EuroStoxx enthalten beispielsweise gerade einmal 40 beziehungsweise 50 Werte. Fehlen dort ein paar kräftige Zugpferde, kann die Renditeentwicklung auch über Jahrzehnte erlahmen.
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