Exklusive IBM-Studie Deutsche Fachkräfte: keine Ahnung von KI

Robotik und künstliche Intelligenz (KI) Quelle: obs

Jeder nutzt sie, ständig. Aber selbst in der IT-Branche verstehen wenige wirklich, wie künstliche Intelligenz funktioniert – vor allem in Deutschland. Und das wird zunehmend zum Wettbewerbsnachteil.

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Fehlende Fähigkeiten in künstlicher Intelligenz (KI) hemmen die Unternehmen in Europa. Sie suchen nicht nur grundsätzlich IT-Experten. Das Personal, das es gibt, weiß zu wenig über KI. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des IT-Konzerns IBM. Sieben von zehn Arbeitssuchende und Beschäftigte im Tech-Bereich sind demnach der Meinung, dass viele Arbeitnehmer in ihrem Land nicht über die für die KI-Branche erforderlichen Fähigkeiten verfügen.

KI begegnet jedem jeden Tag, beim Onlineshopping, im Bewerbungsprozess und in Apps. Unternehmen kann sie helfen, effizienter zu produzieren und Kosten zu sparen. Doch die wenigsten durchdringen die Technologie, sagt Patricia Neumann, bei IBM verantwortlich für Daten und KI im Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika. Zwar hätten Unternehmen längst erkannt, wie wichtig Aus- und Weiterbildung sind, „wenn sie den Anschluss nicht verlieren wollen“. Das ändert aber nichts an der riesigen Lücke zwischen Angebot und Nachfrage: Während drei Viertel der Personaler im Techbereich nach Absolventen mit einem KI-Abschluss suchen, haben nur 15 Prozent der Jobsuchenden tatsächlich einen höheren Uniabschluss in KI. Unter den bereits Angestellten sind es noch weniger.

Im globalen Wettbewerb um digitale Innovationen, sagt Neumann, könnten sich Unternehmen solche „Qualifikationslücken kaum leisten“. Fast 30 Prozent der in Deutschland, Großbritannien und Spanien befragten Personalvermittler haben Schwierigkeiten, Bewerber mit Erfahrung in Deep Learning und maschinellem Lernen sowie mit Fähigkeiten in der Datentechnik und -analyse zu finden. Der Talentpool für diese Disziplinen ist begrenzt und daher sehr gefragt. In Deutschland mangelt es im Ländervergleich vor allem an Experten für maschinelles Lernen. Mehr als ein Drittel der Personalvermittler hierzulande suchen verzweifelt nach Arbeitskräften mit entsprechender Erfahrung. In Großbritannien sind es 23 Prozent.

Überrascht hat Neumann, „dass von Personalern den Soft Skills weniger Bedeutung beigemessen wird“. Damit meint sie vor allem „ein Verständnis für Geschäftsmodelle und Unternehmen sowie die Fähigkeit, in komplexen Zusammenhängen zu denken“. Diese brauche es aber „unbedingt zusätzlich zu den technischen“.

Die Ausbildung an den Universitäten hält Neumann auch deswegen für ausbaufähig. Viele seien zwar „technologisch viel breiter aufgestellt“, aber längst nicht in allen Fachrichtungen. Denn nach ihrem Verständnis sollte KI auch in Lehrplänen auftauchen, die keinen IT-Fokus haben, wie Jura oder Medizin, sondern überall, wo KI-Anwendungen denkbar wären. Ein Kollege von ihr sei etwa Gastdozent für Rechtswissenschaften an der Uni Tübingen.



Den Kindern erklären: „Was passiert denn da, wenn du auf deine „For You“-Seite gehst?“

Unis sollten noch viel interdisziplinärer und variabler werden, fordert Neumann. Es müsse erlaubt sein, „im Laufe des Studiums Module abzugeben und neue aufzunehmen. Denn in fünf Jahren können sich Interessen und Schwerpunkte ändern.“

Um schon Kinder für KI zu sensibilisieren – und vielleicht so dafür zu begeistern, dass sie später einmal in dem Bereich arbeiten –, will die IBM-Expertin aber noch früher ansetzen: in den Grundschulen. „Wir müssen sehr früh das Bewusstsein für KI schärfen“, sagt Neumann und fordert Investitionen vom Staat. Wenn in der dritten Klasse die ersten Smartphones auftauchten, „sollten wir den Kindern erklären: Was passiert denn da, wenn du auf deine „For You“-Seite gehst? Du siehst ein Profil nach dem anderen, brauchst überall Passwörter – wie funktioniert das im Hintergrund?“

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Aus purer Uneigennützigkeit hat IBM die Studie eher nicht in Auftrag gegeben. Wissen ist Macht – und zumindest in diesem Fall eine verlässlicher Gewinnbringer. Mit KI-Produkten verdienen IBM, Microsoft, Facebook und andere viel Geld. Aber Neumann betont, IBM wolle die eigene Technologie möglichst transparent machen. Die passenden Kurse und Dienstleistungen hat sie im Angebot. Es gehe, sagt Neumann, eben nicht nur um die KI-Anwendungen selbst, sondern um Wege, die KI für die breite Gesellschaft verständlich zu machen.

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