Fachkräfte für die Energiewende „Typische Betriebe tun sich schwer damit, im Boom mehr Leute einzustellen“

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Das Solar-Start-up Enpal beschäftigt Monteure und Elektriker selbst, statt Aufträge weiterzuvermitteln. Im Interview erklärt der Chef der zugehörigen Montagegesellschaft, wieso das Unternehmen so schneller wachsen kann.

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12.000 Solaranlagen in vier Jahren: Das Start-up Enpal baut Hausbesitzern Fotovoltaikanlagen aufs Dach, die diese mieten statt kaufen. Das Geschäft läuft gut – im vergangenen Jahr hat das Unternehmen die Umsatzmarke von 100 Millionen Euro durchbrochen. Unter den Investoren ist der japanische Techkonzern Softbank. Ein Schlüssel für das schnelle Wachstum: Das Unternehmen setzt auf einen eigenen Handwerkerstamm. 300 Monteure und Elektriker sind es aktuell. Chef der Montagegesellschaft ist seit einem Jahr der ehemalige Carglass-Manager Manuel Lippert.

WirtschaftsWoche: Herr Lippert, im Handwerksbereich gehen mehr und mehr Start-ups dazu über, eigene Mitarbeiter auf Baustellen zu schicken. Wäre es nicht attraktiver, sich auf die digitale Plattform zu konzentrieren und Aufträge an Fachbetrieb zu vermitteln?
Manuel Lippert: Mit diesem Modell sind wir gestartet. Aber es kam sehr bald die Erkenntnis, dass Enpal alleine mit Partnerbetrieben nicht so schnell wachsen kann. Viele sind aktuell stark ausgelastet. Und: Typische Handwerksbetriebe tun sich schwer damit, in Boomphasen mehr Leute einzustellen. Denn dann würden die etablierten Prozesse nicht mehr funktionieren. In der Regel ist alles auf den Inhaber ausgerichtet und noch wenig digital. Die Mitarbeiter starten morgens im Büro und bekommen da zu ihren Aufträgen vom Chef noch Informationen zugerufen. Wenn der Betrieb zu groß ist, klappt das nicht mehr – und erst recht nicht, wenn Zweigstellen in anderen Regionen aufgebaut würden.

Wie sieht Ihr Gegenmodell aus?
Wir haben uns in aktuell 60 dezentralen Montageteams organisiert, die bundesweit verteilt sind. Zu jedem Team gehören ein Vorarbeiter, zwei Monteure für die Dacharbeiten und ein Elektriker für die Hausanschlüsse. Außerdem gibt es Mitarbeiter, die keinem festen Team zugeordnet sind. Sie springen ein, wenn jemand krank oder im Urlaub ist. Die Monteure haben ihren eigenen Transporter mit Werkzeug und Verbrauchsmaterial. Sie starten am Montagmorgen zur ersten Baustelle, die Solarmodule wurden bereits dorthin geliefert. Abends geht es zurück nach Hause oder ins Hotel – und am nächsten Tag oft schon zum nächsten Kunden.

Manuel Lippert ist der Chef der Enpal-Montagegesellschaft. Quelle: PR

Und an die Stelle des morgendlichen Briefings durch den Chef tritt das Smartphone?
Tatsächlich ist jeder mit einem Firmenhandy ausgestattet. Unsere Software zerlegt alle Aufträge in einzelne Arbeitsschritte, die auch mit Fotos dokumentiert werden und von einem zentralen Qualitätsmanagement freigegeben werden. Die Teams vor Ort sind so weitgehend autark – aber werden nicht alleine gelassen. Zusätzlich haben wir regionale Niederlassungen, zu denen jeweils Teamleiter gehören. Die betreuen jeweils fünf Teams, besuchen die Baustellen und sind bei Fragen die ersten Ansprechpartner.

Bremst Sie nicht der Fachkräftemangel? Handwerksverbände warnen schon, dass die Energiewende ins Stocken gerät, weil qualifiziertes Personal fehlt.
Der ganze Installationsprozess ist bei uns so gestaltet, dass wir möglichst wenige Fachkräfte brauchen. Wir setzen sehr stark auf Quereinsteiger. Uns interessieren Lebensläufe und Noten nicht besonders. Es ist viel wichtiger, dass jemand Bock auf uns hat und den richtigen Spirit mitbringt. Alles andere können wir den Leuten beibringen. Unter unseren Mitarbeitern sind vormals Langzeitarbeitslose, Menschen ohne Schulabschluss und Leute, die sich beruflich umorientieren wollen. Wir haben zum Beispiel zwei ehemalige Köche im Team.

Und die sollen dann dieselbe Qualität liefern wie ein ausgebildeter Dachdecker, der vielleicht noch eine monatelange Fortbildung zur Fachkraft für Solartechnik gemacht hat?
Wir haben in unseren Teams durchaus auch gelernte Dachdecker. Aber die müssen wir in der Regel genauso schulen – die wenigsten haben in ihrem Berufsleben vorher Solaranlagen installiert. Und in den Ausbildungsplänen tauchen die erneuerbaren Energien noch zu wenig auf. Die Montagearbeiten können auch Branchenfremde schnell lernen. Ich habe selbst unsere Ausbildung durchlaufen und kann jetzt Solaranlagen montieren. Und ich bin wahrlich nicht besonders talentiert in handwerklichen Dingen.

Wie sieht die Ausbildung bei Enpal genau aus?
Unsere Akademie in Mahlsdorf bei Berlin arbeitet sehr praxisnah. In drei Gewerbehallen haben wir Übungsdächer und elektrische Installationen aufgebaut. Dort lernen die Mitarbeiter die Montageschritte, den Umgang mit den Werkzeugen und vor allem auch, wie sie sich auf dem Dach sicher bewegen. Während der Ausbildung stellen wir bereits Teams zusammen. Wir bekommen da schon ein gutes Gefühl dafür, wer gut zueinander passt. Die Teams gehen im Anschluss schon in die Praxis, werden aber für zwei Wochen noch von erfahrenen Kollegen begleitet.

Bläst Ihnen für diese Turboausbildung Gegenwind in der Branche entgegen?
Wir arbeiten eng mit der Berufsgenossenschaft zusammen und auch von der Handwerkskammer gibt es kein negatives Feedback. Auf Seiten der Partnerbetriebe finden viele den Ansatz spannend. Wir würden gerne etwas ähnliches auch für den Elektrobereich aufbauen – das ist aber nicht möglich. Die Vorschriften sind so, dass diese Arbeiten nur Fachkräfte übernehmen dürfen. Ob das wirklich für die gesamte Palette aller Tätigkeiten nötig ist, würde ich mal in Frage stellen. Fest steht jedenfalls: Elektriker und Elektroniker sind der eigentliche Flaschenhals in unserer Branche.

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Wie wollen Sie beim Recruiting punkten? Schreckt es gestandene Handwerker nicht ab, bei Ihnen standardisierte Arbeitsschritte zu übernehmen, statt selbst kreativ werden zu können?
Es ist zwar richtig, dass unsere Prozesse sehr strukturiert sind. Aber vor Ort ist dann doch jedes Dach und jeder Hausanschluss anders. Manche unserer Elektriker sagen, dass sie jetzt einen viel abwechslungsreicheren Alltag haben im Vergleich zu Großbaustellen, auf denen sie vorher tätig waren. Der Start-up-Spirit gefällt auch vielen. Und vor allem bei jüngeren Kollegen kommt es gut an, dass sie nun die Energiewende mitgestalten. Das alles hilft uns beim Recruiting: Ein Drittel unserer Elektriker sind über Empfehlungen von Kollegen zu uns gekommen.

Auf dem Jobbewertungsportal Kununu schneidet Enpal unterdurchschnittlich ab. Wie passt das zu der angeblich so hohen Weiterempfehlungsquote?
Ich könnte jetzt sagen, dass es immer Meckerer gibt und das nichts mit uns zu tun hat. Ehrlicherweise ist es aber so, dass unser Ausbildungsprozess zwischenzeitlich nicht optimal war. Wir haben im vergangenen Jahr gute Mitarbeiter verloren, die sich nicht ausreichend vorbereitet gefühlt haben. Wir haben da stark nachgebessert. Die Ausbildung ist nun noch praxisbezogener geworden. Und wir geben uns noch mehr Mühe, falschen Vorstellungen entgegenzuwirken. Wir sagen den Bewerbern sehr deutlich, was der Montagejob bedeutet. Auf dem Dach ist man bei der Arbeit Wind und Wetter ausgesetzt – dazu muss man bereit sein. Und unter der Woche wird man oft im Hotel schlafen, auch wenn das immer weniger wird, je mehr Montageteams wir bundesweit haben.

Ihre Montagegesellschaft ist zwar eine hundertprozentige Enpal-Tochter, aber rechtlich eigenständig. Denken Sie daran, Dienstleistungen auch für andere zu erbringen?
Im Moment habe ich keine Sorgen, die Teams auszulasten. Im Gegenteil: Ich muss zusehen, dass wir mit Enpal Schritt halten können. Alleine in diesem Jahr wollen wir die Zahl der Montageteams verdoppeln. Enpal hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Ende des Jahrzehnts eine Million Haushalte mit Erneuerbare-Energien-Anlagen zu versorgen. Zunehmend geht es nicht nur um Solaranlagen, sondern auch um Speicherlösungen und Ladestationen für das E-Auto. Da bleibt noch genug zu tun.

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