Ich schreibe wirklich nicht gerne, dass es ausgerechnet der Pöbel von Washington war, von dem wir hierzulande ein wenig Englisch lernen können. Die Rede ist vom mob, der sich vergangene Woche bis ins Kapitol durchschlug und dort – naturgemäß – mit mobbing auffiel. (Bevor Sie weiterlesen, dürfen Sie mob nicht mit mop verwechseln: ein Putzlappen oder eine Frisur von der Art, die Boris Johnson trägt.)
Spätestens seit dem 6. Januar 2021 sollten wir also wissen, dass mobbing in der englischen Sprache etwas völlig anderes bedeutet, als das, was wir in unserer Alltagssprache unter „Mobbing“ verstehen. Sie wissen schon: Belästigungen und Schikanen im Büro oder vielleicht in den sozialen Medien. Wer darüber auf Englisch sprechen – und klagen – will, muss harassing, harassment oder bullying sagen. Zum Beispiel: workplace harassment oder online bullying.
Mob bedeutet hingegen das, was wir als „Meute“, „Horde“, „Bande“, „einen Trupp Randalierer“ oder – wie einst in der DDR – als „Rowdys“ bezeichnen. (In den USA kann mit The Mob auch die Mafia gemeint sein.) Folgerichtig beschreibt mobbing eine hartnäckige und manchmal gewaltbereite Belagerung: in zivilen Zeiten vielleicht vor dem Hotel eines Prominenten, in stürmischen oder gar bürgerkriegsähnlichen Zeiten gegenüber Institutionen und Vertretern des Staates oder anderen Gruppen und Gesinnungen.
Nun ist der Unterschied zwischen der muttersprachlichen Bedeutung von mobbing und unserem denglischen „Mobbing“ nur eines von vielen Beispielen, die Sie kennen sollten. Solange wir unter uns sind, ist es zwar egal, ob wir zum Beispiel von „Shakehands“ (statt handshake), „Invest“ (statt investment) oder „Claim“ (statt slogan oder tag line) sprechen. Doch sobald wir beruflich oder privat mit Menschen kommunizieren, die weder dem Deutschen – noch dem Denglischen – mächtig sind, wird es tricky, um nicht zu sagen: It will be quite impossible – ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Rede ist von sogenannten Scheinanglizismen – englischen Wörtern, die eine ganz andere Bedeutung haben oder die es gar nicht gibt! Also eine Art Quatschenglisch, das wir uns ausgedacht haben, und das man als „Spleen“ aus Deutschland bezeichnen könnte – wäre spleen nicht „die Milz“. Die international verständliche Diagnose lautet deshalb: a tic, an eccentricity oder ganz einfach English nonsense – made in Germany.
Besonders gefährlich wird es, wenn die gebildeten Schichten (also known as Akademiker) mit ihren Fremdwörtern anrücken und sie arglos ins Englische übersetzen – immer in der Annahme, dass sie schon verstanden werden. So wie „das Hotel“ mit hotel oder „das Taxi“ mit taxi übersetzt werden kann, glauben sie, dass es in der englischen Sprache auch „Autogramm“, „Causa“, „Duktus“, „Faible“, „Fazit“, „Feuilleton“, „Fiskus“, „Gage“, „Junktim“, „Lektion“, „Makulatur“, „Rabatt“, „Stativ“ und viele mehr gibt!
- Besonders häufig kann man hören, wie Denglische Patienten in der großen weiten Welt über irgendein „Niveau“ schwärmen oder jammern – obwohl das für sich genommen nicht niveauvoll (intellectually satisfying) oder schlicht niveaulos (primitive) ist, da man – je nach Umstand – von class, quality, calibre, level sprechen oder es vielleicht umschreiben muss.
- Besonders konfus wird es, wenn gleich zwei Worterfindungen aneinandergehängt werden, so wie ein deutscher Botschafter in London einmal in meinem Beisein ein „eklatant manko“ beklagte – und alle nur ratlos staunten, because his English had a serious shortcoming.
- Besonders ulkig und auch ein bisschen peinlich wird es, wenn (mal wieder) der vermeintliche „Ischias“ Thema ist und man sich dabei an den Popo fasst, so dass es klingt wie „itchy arse“, ein Kratzarsch – weil nur sciatica verständlich wäre.
Glauben Sie mir, ich weiß selbst am besten, worüber ich hier schreibe! Mein jüngster Patzer stieg aus einer Öffnung hervor, die wir gewöhnlich „Ventil“ bezeichnen. Ich wollte im übertragenen Sinne über ein Ventil sprechen: „an emotional ventile“ oder so ähnlich. Dabei war mir nicht bewusst, dass es weder das Wort gibt – man spricht technisch von valve – noch, dass man es vielleicht so umschreiben muss: to let off steam, an outpouring of emotions oder an emotional outlet.
Wieder einmal war ich selbst in die Falle der frei erfundenen und letztendlich superfalschen englischen Wörter gefallen. Übrigens bezeichne ich sie als „Superfalse Friends“. Wenn Sie noch mehr über sie erfahren wollen, empfehle ich Ihnen das Kapitel „Let's not talk tacheles“ im zweiten Band meiner Buchreihe „The Devil lies in the Detail“.
Und wenn Ihnen selbst Beispiele einfallen, schreiben Sie mir! Ich werde sie bestimmt nicht ad acta legen – solange Sie mir auch verraten, wie man „ad acta“ auf Englisch sagt …
Peter Littger beschäftigt sich seit Langem mit deutsch-englischen Sprachverwirrungen und ist Autor unter anderem der Bestseller-Buchreihe „The Devil lies in the Detail – Lustiges und Lehrreiches über unsere Lieblingsfremdsprache“. Sie können Peter Littger auf Instagram und Twitter folgen.
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