Impfpflicht in der Pflege „Es besteht die Gefahr willkürlicher Entscheidungen“

„Lieber gefeuert, als geimpft” schrieben Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen in Hamburg auf ihr Transparent Quelle: dpa

In Pflege- und Gesundheitsberufen gilt bald die Impfpflicht. Eine Arbeitsrechtlerin erklärt, wer auf Ausnahmen hoffen darf – und warum den Gesundheitsämtern eine Klagewelle droht.

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In Gesundheits- und Pflegeberufen müssen Arbeitnehmer bis 16. März ihre Immunisierung gegen das Coronavirus nachweisen. Tun sie das nicht, kann das zuständige Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot aussprechen – muss es aber nicht. Welche Folgen das für Arbeitnehmer und Unternehmen haben kann, weiß die Arbeitsrechtlerin Nadja Hartmann aus ihrer täglichen Mandatsarbeit bei der Kanzlei Rittershaus. 

WirtschaftsWoche: Frau Hartmann, in Gesundheits- und Pflegeberufen gilt die Impfpflicht ab 16. März. Was bedeutet dieser Stichtag für Arbeitnehmer?
Nadja Hartmann: Arbeitnehmer haben die Pflicht, bis dahin einen Immunitätsnachweis vorzulegen. Das kann ein Impfnachweis sein oder eine Bescheinigung, dass sie als genesen gelten. Ausnahmsweise reicht auch ein ärztliches Zeugnis darüber, dass man aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann. 

Wer fällt unter diese Regelung?
Der Paragraph ist sehr weit gefasst. Wir reden nicht nur davon, dass der Pfleger oder die Ärztin den Nachweis vorlegen müssen. Betroffen sein können auch die IT-Abteilung, die Küche, der Empfang und vielleicht sogar externe Handwerker oder der Friseur, der einmal die Woche ins Pflegeheim kommt. Entscheidend ist, wie viel Zeit diese Personen während ihrer Tätigkeit in der Einrichtung oder dem Unternehmen verbringen und ob eine ausreichende räumliche Trennung vorhanden ist. Friseure haben natürlich direkten, langen Kontakt und fallen daher unter die Nachweispflicht. Dachdecker oder Postboten dagegen nicht. 

Was passiert, wenn die Nachweise nicht geliefert werden?
Da gibt es derzeit die größten Unsicherheiten. Der Ablauf ist folgendermaßen geregelt: Spätestens am 16. März müssen die Arbeitgeber prüfen, ob sie von allen Mitarbeitern einen Immunitätsnachweis haben und ob dieser echt ist. Sollte bei einzelnen Arbeitnehmern der Nachweis fehlen oder der Verdacht einer Fälschung aufkommen, muss die Leitung der Einrichtung unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt benachrichtigen und die erforderlichen Daten wie Name und Anschrift des Mitarbeiters nennen. 

Was heißt das für die betroffenen Angestellten? Dürfen sie dann nicht mehr arbeiten?
Der nächste Schritt wäre, dass das Gesundheitsamt den Arbeitnehmer kontaktiert und erneut zum Nachweis auffordert. Antwortet er auch darauf nicht, kann das Gesundheitsamt ein Begehungs- oder Tätigkeitsverbot anordnen. Das gilt für diejenigen, die bereits angestellt sind. Wer erst nach Inkrafttreten der Nachweispflicht neu eingestellt wird, muss vor Antritt der Tätigkeit einen Nachweis vorlegen und darf andernfalls gar nicht beschäftigt werden. 

Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird vor allem bei den Gesundheitsämtern liegen. Gerade hat das Bundesgesundheitsministerium verkündet, dass die Ämter im Rahmen ihres Ermessens entscheiden können und Mitarbeiter unter Umständen auch ohne Nachweis weiterbeschäftigt werden dürfen. Was heißt das? 
Bislang ist nur klar: Das Gesundheitsamt kann ein Tätigkeitsverbot verhängen, muss aber nicht. Die Behörde hat also einen Ermessensspielraum. Problematisch ist aber, dass die Gesundheitsämter jetzt schon an ihre Grenzen kommen, zum Beispiel mit der Kontaktverfolgung. Ermessensentscheidungen sind Einzelfallprüfungen – brauchen also Zeit. Sie brauchen Hilfestellungen und Handreichungen. Sonst riskiert man eine Klagewelle.

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