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Wie auch immer der Büroalltag nach der Corona-Pandemie aussehen mag: Was im Job während des Lockdowns gut war, sollten sich Teams erhalten. Quelle: imago images

Fünf Tipps gegen die Post-Corona-Panik: Bloß nicht alles so wie vorher!

Das Licht am Ende des Tunnels ist ganz nah. Muss im Job ab Herbst alles wieder so werden wie früher? Die Pandemie hat neue Vorlieben, Charakterzüge und Ziele in uns aufgedeckt. Die sollten wir nicht wieder vergraben. Fünf Tipps, wie Sie von Ihren neuen Erkenntnissen profitieren.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Bei all dem Leid, das die Pandemie über die Welt gebracht hat, kommt es mir immer ein bisschen verblendet vor, wenn ich an mir selber das gute Gefühl feststelle: Dies und das fand ich in der Corona-Krise gar nicht mal so schlecht.
Aber ich habe auch aus meinem Freundeskreis von einigen zu hören bekommen, was sie lieb gewonnen haben in der Zeit der Einschränkungen und Infektionssorgen. Beispiele aus dem Privatleben:

  • „dass wir gelernt haben, so lecker zu hause zu kochen.“
  • „Ich habe gemerkt, dass ich zum Ausspannen gar nicht immer in ferne Länder reisen muss.“
  • „Seit Monaten mache ich wunderbar zuhause Sport. Ich werde auch künftig nicht mehr so oft ins Fitnessstudio gehen.“
  • „Zuhause auf dem Balkon ist es genauso gemütlich wie im Café.“
  • „Ich kann den Kontakt zu Freunden auch per Cam pflegen. Ich höre von einigen nun häufiger, als vor Corona.“

Bekennen wir uns hemmungslos dazu. Schließlich geht es ja nicht darum, das Virus zu verherrlichen. Sondern darum, die eigenen Bedürfnisse zu beschreiben, die wir erst neu entdeckt oder justiert haben, als wir unsere Alltagsroutinen brachial umstellen mussten.

von Konrad Fischer, Daniel Goffart, Julian Heißler, Nele Husmann, Kristin Rau, Teresa Stiens, Claudia Tödtmann

Die Beispiele gerade sind natürlich einzelne Meinungen. Vielleicht sehen Sie persönlich es ganz anders. Was mich aber schon überrascht hat, ist, dass viele nach der zurückgewonnenen Chance, wieder die Gastronomie zu besuchen, trotzdem gerne zuhause bleiben.

Aber Corona hat uns, wenn überhaupt, sicherlich nicht nur genügsamer und weniger konsumfreudig werden lassen. Fragen wir uns auch, was uns nachhaltig verschreckt, verunsichert und ausgebremst hat. Ich kenne die folgenden Beispiele:

  • „Hoffentlich fangen wir nicht wieder an, Hände zu schütteln.“
  • „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in überfüllten U-Bahnen jemals wieder ohne Maske fahren will.“
  • „Ich fasse keine Türklinken und Knöpfe mehr an.“
  • „Mein Lieblingskino ist eigentlich viel zu eng und stickig.“
  • „Ich werde künftig nicht mehr in volle, schlecht belüftete Kneipen gehen.“

Vielleicht erkennen Sie eigene Befindlichkeiten hier wieder. Vielleicht stellen Sie an sich selber andere fest. Was machen wir daraus?

Gehen wir zunächst mit einer aufgeschlossenen Haltung ran. Gezwungen zu sein, sich einzuschränken und neu zu orientieren, bietet Chancen.

Durchforsten Sie die neuen Erkenntnisse über sich selbst unter den Aspekt „wertvoll“ und „kann weg“.
Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen, auch künftig in U-Bahnen eine Maske zu tragen? Ist die Befürchtung, blöd angeguckt zu werden, das einzige Argument?
Bedeutet zu hause zu trainieren und dafür Zeit zu sparen, dass Sie dafür weniger unter Leuten sind und dadurch ein bisschen vereinsamen?

Wägen Sie alles ab. Aber schlagen Sie nicht einfach in den Wind, was Sie in Corona-Zeiten als gemütlich/bequem/praktisch/billiger/stressfrei/kreativ/flexibel wahrgenommen haben, nur weil dies eine Corona-Erkenntnis war und die Pandemie in Europa auf dem Rückzug ist.

Und das gilt auch für das Berufsleben. Mit der einen Besonderheit, dass Sie die Fortsetzung der Corona-Prozesse oder deren Abwandlung oder auch deren Abschaffung oft im größeren Kollegen-Team abgestimmt werden muss oder im Zweifel eine Etage höher entschieden wird.

Ich würde so vorgehen:

1. Schreiben Sie Ihre persönlichen Corona-Erkenntnisse auf

Was hat sich für Sie als so vorteilhaft herausgestellt, dass Sie es künftig nicht mehr missen wollen?
Vielen wird hier als erstes das Homeoffice einfallen. Geringere Pendelkosten. Weniger Parkplatzsuche. Oder die Vorzüge der Konferenzen über Videochat-Programme: die weggefallenen Dienstreisen, weniger Nächte allein im Hotel, weniger Abendtermine.

Ein mit mir befreundeter PR-Berater hat mir erzählt, dass er es so genossen hat, nicht mehr unter dem Druck zu stehen, sich ständig die Abende auf überwiegend langweiligen Veranstaltungen um die Ohren zu hauen, für nur wenige Minuten Smalltalk und Netzwerken mit den für ihn relevanten Menschen. Denn damals einfach wegzubleiben, hätte sich für ihn angefühlt, als gehörte er nicht richtig dazu.

Sammeln Sie Ihre Erkenntnisse. Auch die nicht so auf der Hand liegenden Aspekte. Zum Beispiel gesündere Ernährung ohne Kantine usw.

2. Was ließe sich nach Corona fortführen?

Besagter PR-Berater steht jetzt vor der Frage: Was mache ich, wenn die Veranstaltungen wieder losgehen, die ich eigentlich meiden möchte? Wieder hingehen für die wenigen relevanten Minuten? Oder gibt es andere, neue Wege, die gewünschten Gespräche zu führen?
Was von all dem, was Ihnen am Herzen liegt, ließe sich ganz ohne Pandemie-Überlegungen aus Ihrer Sicht für Sie selber weiterführen?

3. Tun Sie sich zusammen. Jetzt oder nie!

Der PR-Berater könnte überlegen: Was, wenn ganz viele der Partygäste derselben Meinung sind: Das Netzwerken hier ist ineffizient? Wären vielleicht viele offen für neue Arten von Events in kleineren Gruppen, die zielorientierter aufgestellt sind? Wann, wenn nicht jetzt, da sich viele Leute Gedränge auf engen Räumen abgewöhnt haben? Ist die Post-Corona-Zeit der Startschuss für andere Arten von schlagkräftigem Netzwerken?

Was sagen die Leute in Ihrem Unternehmen: Was ist denen wichtig? Kristallisiert sich etwa heraus, dass keiner die Kantine vermisst, wäre dies vielleicht einen Hinweis an die Küchenchefin wert.
Wie lässt sich die flexible Mittagspause, die viele im Homeoffice schätzen gelernt haben, in der Firma fortführten?
Vielleicht wünschen ja nicht nur Sie sich, dass einige Meetings künftig selbst dann als Videokonfis abgehalten werden, wenn die Teilnehmer im Haus sind. Weil dann jeder parallel am Schreibtisch mitarbeiten kann. Vielleicht entpuppt es auch als besonders effizient, wenn alle die Morgenkonferenz schon um 8 Uhr 30 von zuhause aus abhalten, statt um 9 Uhr im Konferenzraum, und sich erst anschließend auf die Straße auf den Weg ins Büro machen. Weil dann jeder jeweils eine Viertelstunde Lebenszeitverschwendung im Berufsverkehrsstau umgeht.

4. Haben Sie als Team-Leiter ein offenes Ohr

Es dürfte unglaublich frustrierend sein, wenn sich im Team bald die Stimmung breitmacht: Wir drehen das Rad zurück und jetzt geht der Mist so weiter, wie er Anfang 2020 aufgehört hat. Lassen Sie Ihr Team sprudeln. Sammeln Sie die Erkenntnisse. Keine Angst, dass es sich alle jetzt nur so bequem wie möglich machen wollen. Bequem heißt auch praktisch, effizient und flexibel. Und das macht zufrieden. Fragen Sie sich selber. Und zufriedene Teams arbeiten besser.

5. Benennen Sie auch die neuen Herausforderungen

Bislang liefen die neuen Prozesse unter der Überschrift: Corona-Improvisation. Sobald sich Teile davon aber dauerhaft etablieren, müssen auch die Knackpunkte Berücksichtigung finden. Der Schreibtisch daheim ist oft auch der Esstisch. Wer bezahlt einen, der gut ist für den Rücken? Und was ist mit der Lizenz für die professionelle Videocall-App? Wie werden Überstunden daheim registriert?
Wie kann der fehlende soziale Kontakt wegen der Videokonferenzen durch neue Arten von gemeinsamen Treffen ausgeglichen werden, wenn Abstand zu halten nicht mehr nötig ist? Wie kommen auch diejenigen künftig wieder besser zur Geltung, die sich vor der Kamera nicht so galant ausdrücken können (etwa durch Fortbildungen)?

Wenn Sie das alles durchdenken, erst für sich allein, dann im Team, dann mit denjenigen, die es am Ende entscheiden, dann haben Sie sich wegen Corona am Ende für die nächsten Jahre besser aufgestellt. Mehr können Sie kaum rausholen aus so einer Pandemie.

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