Lob ist ja eigentlich auch Kritik. Nämlich positive Kritik. Im alltäglichen Sprachgebrauch aber setzen wir Kritik mit negativer Kritik gleich. Das im Englischen gebräuchliche Wort Feedback trifft es da eigentlich besser, weil hier Lob und (negative) Kritik zusammen gehören. Lob zielt darauf ab, den Anderen in seinem Verhalten zu bestärken oder sogar zu noch mehr Gutem beflügeln, was der Nektar ist, von dem wir alle leben. Denn wir alle wollen gemocht werden. Und Kritik?
Tipp 1: Klären Sie für sich: Wozu kritisiere ich?
Und mal wieder sind wir bei der Frage nach dem Ziel unserer Kommunikation. Was wollen Sie mit Ihrer Kritik erreichen? Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Denn nicht immer liegt die Antwort auf der Hand.
a) Wir können kritisieren, um den Kritisierten zu zeigen, dass wir es besser wissen: „Das muss man eigentlich so und so machen.“
b) Um zu unterstreichen, dass uns die Rolle der Kritiker zusteht, was oft ein Zeichen für eine Hierarchie ist, bei dem die Kritiker oben stehen: „Ich bin mit deiner Arbeit unzufrieden.“
c) Kritik kann dazu dienen, andere klein zu machen, um sie entmutigt aufgeben zu lassen: „Dir fehlt hier offenbar das Fingerspitzengefühl. Lass es künftig besser wieder mich machen.“
d) Frust ablassen kann man mit Kritik auch wunderbar: „Hat mir überhaupt nicht gefallen, hat mich aber auch nicht gewundert.“
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Solche Ziele mit Kritik zu verfolgen, ist so unangenehm wie legitim – allerdings wird sie einen Erfolg nicht optimal erreichen: Dass die kritisierten Fehler künftig unterbleiben und dass da jemand über sich hinauswächst. Wenn es Ihnen tatsächlich darum geht, die Leute im Team zu kritisieren, damit Ihr Unternehmen ab sofort erfolgreicher ist, dann sollten Sie die oftmals mitschwingenden Nebenschauplätze namens Besserwisserei, Machtspielchen, Demütigung und Abreagieren zu eliminieren. Denn sie schaden Ihrem obersten Ziel, erfolgreicher zu sein.
Jeder, wie er kann: Sieben Führungsstile
Der Chef gibt den charismatischen Führer, der die Arbeit visionär auflädt. So motiviert er die Mitarbeiter ohne materielle Anreize.
Vorgesetzte bauen auf Moral und Transparenz, außerdem kümmern sie sich um die persönlichen Belange der Mitarbeiter.
Chefs geben klare Ziele vor und unterstützen die Angestellten konstruktiv auf dem Weg dorthin, aber ohne Mikromanagement.
Auch hier gibt es Ziele, dazu aber Konsequenzen. Bei Erfüllung gibt es Belohnungen etwa durch Boni, bei Verfehlung Bestrafungen.
Erfordert Vertrauen und gute Nerven, denn Chefs geben weder detaillierte Vorgaben noch Feedback, sie lassen die Mitarbeiter machen.
Chefs verteilen Aufgaben mit Anweisungen und erwarten, dass sie befolgt werden. Wie gemacht für Kontrollfreaks und Perfektionisten.
Sie verwandelt das Büro in einen Truppenübungsplatz: Der Chef übt oft und gerne öffentlich harte Kritik an seinen Mitarbeitern.
Tipp 2: Analysieren Sie: Was ist das wahre Problem und wie geht es besser?
Oft macht sich Kritik an einer Sache fest, die für sich genommen eine Lappalie ist, aber dennoch der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Viele von Ihnen dürfte das Beispiel von der von der Mitte aus ausgedrückten Zahnpastatube bekannt sein, die letztendlich zur Ehescheidung geführt hat. Auch im Berufsleben gibt es diese blöd ausgedrückten Tuben, die alle für sich betrachtet nicht der Rede wert sind. Beispiel: eine fünfminütige Verspätung einer Mitarbeitenden, die bei Ihnen direkt nach der Konferenz den Kragen platzen lässt: „Deine Larifari-Haltung ist nicht akzeptabel.“
Wenn es hier um ein grundsätzliches Problem geht, dass Sie schon länger beobachten, dann nutzen Sie den letzten fehlenden Tropfen, um das Generelle anzusprechen. Aber machen Sie es nicht allein an diesem einen Beispiel fest. Überlegen Sie vorab in Ruhe: Was ist in der vergangenen Zeit noch vorgefallen? Und was könnten Sie konkret vorschlagen, um die Situation zu verbessern? Vielleicht ist ein anderer Tag dafür besser geeignet.
Tipp 3: Disziplinieren Sie sich rhetorisch: keine Strangulations-Sprüche
Sich nicht an einem einzelnen Beispiel hochziehen zu wollen, birgt das Risiko zu generalisieren oder das Fehlverhalten sogar mit dem Charakter des Gegenübers gleichzusetzen. Klingt übertrieben? Wir machen das ganz oft, ohne das zu merken. Beispiele: „Sie machen das immer falsch.“ „Du bist so ein unkreativer Typ.“ „Was haben Sie sich dabei gedacht?“
Gerade zum letzten Beispiel habe ich an anderer Stelle in dieser Kolumne schon einmal den Rat aus dem Blickwinkel der Kritisierten gegeben: Bloß nicht auf diese Frage antworten, die die Fehler der Vergangenheit aufgabelt, sondern direkt den Blick in die Zukunft wenden: „Künftig werde ich in solchen Situationen...“ Aber nicht allen gelingt es, die Generalkritik ad hoc an sich abprallen zu lassen. Wenn Sie mehr erreichen wollen, als Wut abzulassen, dann denken Sie dran:
a) Ganz konkret, statt Rundumschläge: Wenn jemand wirklich immer alles falsch macht, wie soll der oder die das jemals in den Griff kriegen? Vermeiden Sie „immer“, sondern zählen Sie besser einige Einzelfälle auf. Das lässt den Kritisierten Luft zum Atmen und macht Mut, es künftig besser zu machen.
b) Situationen statt Charaktereigenschaften aufgabeln: Sagen Sie nicht, wie andere Menschen sind. Denn dann ersticken Sie die Motivation im Keim, das Verhalten zu verändern. Wie soll Veränderung möglich sein, wenn man leider so und so „ist“. Sagen Sie nicht: „Du bist so unkreativ“, sondern lieber: „Ich fände es gut, wenn du mit mehr originellen Ideen an die Sachen rangehen würdest.“
c) Drücken Sie nicht Ihr Unverständnis darüber aus, wie jemand bloß in der Lage war, den Fehler zu begehen. Schlagen Sie Ansätze vor, wie der Fehler künftig vermieden werden kann: „Ich schlage vor, dass Sie künftig bei solchen Entscheidungen eine weitere Meinung einholen. Sicher ist sicher. Was meinen Sie?“
Tipp 4: Geben Sie den Kritisierten Raum, aus eigener Kraft zu wachsen
Sie kritisieren, verändern sollen sich andere. Das steht Ihnen als Führungsperson im Team zu. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Kritik von oben schnell als Einengung der eigenen Handlungsfähigkeit empfunden wird. Deshalb: Sagen Sie nicht nur, wie Sie es künftig anders haben wollen, sondern geben Sie alles, um die zu überzeugen, auf deren Mitarbeit Sie angewiesen sind.
a) Erklären Sie, warum Sie eine Verhaltensänderung für erforderlich halten. „Das nervt mich einfach“ ist zu wenig, schildern Sie konkret die negativen Auswirkungen aus Ihrer Sicht: „Ich möchte nicht, dass unsere Kunden schlecht über uns denken und ich glaube, dass du dein Verhalten in Krisengesprächen mit ihnen dafür optimieren solltest.“
b) Fragen Sie auch, was Ihr Gegenüber darüber denkt. Oftmals stellt sich heraus, dass sich die Auffassungen von den Zielen kaum unterscheiden, nur der Weg dorthin unterschiedlich beurteilt wird. Und oftmals sind die Leute im Operativen näher an Lösungen dran als Sie als Chef oder Chefin. Laden Sie zur Diskussion ein. Das zeigt nicht nur Ihre Wertschätzung, sondern bietet Ihnen auch die Chance auf ganz neue Lösungsideen.
Also: „Was würden Sie anders machen?“ „Was haben Sie gelernt?“ „Was hältst du von meinem Vorschlag?“
Die Möglichkeit, die eigenen Fehler selbst abzustellen, ist ein großartiger Vertrauensbeweis der Vorgesetzten und kann enorme „Selbstverbesserungskräfte“ freisetzen. Das nimmt Ihnen nicht die Freiheit, am Ende als der- oder diejenige ein „Machtwort“ zu sprechen, wenn Sie zu keiner einvernehmlichen Lösung finden. Aber erklären Sie auch den Inhalt Ihrer einsamen Entscheidung. So gelingt es am ehesten, dass die Betroffenen mit Ihnen an einem Strang ziehen.
Tipp 5: Sagen Sie, wie es Ihnen geht: Die rhetorische Super-Option
Ärger, Enttäuschung, mangelnde Geduld, Ungeduld, Verständnislosigkeit und der Wunsch, sich selbst für seine negativen Gefühle zu rechtfertigen. All dies und noch viel mehr können Sie daran hindern, ein Kritikgespräch mit Ihrem Gegenüber zu führen, das in Ihrem Sinne ist, nämlich zielführend. Es soll ja künftig besser werden. Seien Sie sich nicht zu fein dafür, Ihrem Gegenüber offen zu bekennen, was in Ihnen vorgeht. So lassen sich Symptome Ihrer blanken Nerven in Ihrem Sinne heilen: Stöhnen, Kopfschütteln, Seufzen, der Blick auf die Uhr.
All das kann wirken, als sei die Lage aus Ihrer Sicht hoffnungslos. Wenn Sie bemerken, dass Sie beginnen, diese Signale zu senden, sprechen Sie sie an und kassieren Sie sie: „Sorry, ich gebe zu, ich bin ziemlich unzufrieden und habe das Gefühl, mit meinen Argumenten noch nicht so recht bei Ihnen durchzudringen. Aber ich will mit Ihnen eine gute Lösung erarbeiten. Sehen Sie mein Augenrollen nicht als Ablehnung, sondern als Zeichen meiner Ungeduld.“
Tipp 6: Lob ist auch aus heiterem Himmel erlaubt
Wenn Sie spüren, dass Sie mit Ihrer Kritik trotz aller Bemühungen bei Ihrem Gegenüber ein Gefühl von Kränkung auslösen, besinnen Sie sich auf das, was Sie an ihm schätzen. Nehmen Sie sich ein, zwei Minuten, um dies anzusprechen, auch wenn dies vom eigentlichen Thema wegführt. So geben Sie dem anderen die Chance, Kraft zu tanken: für die vielen guten Ideen dazu, wie es künftig besser laufen kann. Viel Erfolg.
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