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Ab Herbst soll es mit irgendeiner Mischung aus Homeoffice und Firmenbüro weitergehen. Quelle: imago images

Zurück ins Büro: Ihre Chance für den Persönlichkeits-Neustart

In den meisten Unternehmen wird es im Herbst auf eine Mischung aus Homeoffice und Präsenz im Büro hinauslaufen. Zum ersten Mal seit vielen Monaten wieder in der Firma: Jetzt bloß nicht zurück in alte ungeliebte Muster. Nutzen Sie die Zäsur für einen fulminanten Neustart.

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Wie wird der Büroalltag nach der Pandemie? Bislang herrscht doch bei vielen das Gefühl vor: Irgendwie soll es mit irgendeiner Mischung aus Homeoffice und Firmenbüro weitergehen. Aber wie genau? Es ist jetzt die Zeit für eine gemeinsame Auswertung von Vor- und Nachteilen des Homeoffice und des Firmenbüros und eine daraus abgeleitete fein austarierte Arbeitskultur, die die Vorteile beider Welten abfischt.

Mal ein Beispiel: Was anfangen mit der Erkenntnis „Im Homeoffice bleibt die Kreativität auf der Strecke“? So ein Spruch wird schnell zur nie mehr hinterfragten Weisheit, die als Allzweckargument für Präsenz am Firmenstandort abgefeuert werden kann.

Aber warum leidet die Kreativität? Daran, dass Menschen in ihren eigenen vier Wänden einfach keine guten Ideen haben? Oder daran, dass kein Schwung in die Gruppe kommt, wenn alle zuhause sitzen und man sich gegenseitig irgendwie nicht richtig geistig und emotional befruchten kann? Angenommen es läge an Zweitem: Wie ließe sich das lösen, ohne dass sich gleich wieder alle im Herbst morgens und abends mit feucht geatmeter Maske in vollgestopften Bussen und Bahnen durch die Städte quetschen oder mit dem Auto kilometerweit in der trüben Dämmerung über Landstraßen zuckeln und dabei Stunde um Stunde ihrer Lebenszeit verheizen, statt länger schlafen oder früher arbeiten zu können?

von Konrad Fischer, Daniel Goffart, Julian Heißler, Nele Husmann, Kristin Rau, Teresa Stiens, Claudia Tödtmann

Wenn etwa beim Brainstorming zwischen Wohnzimmer und Wohnzimmer der gemeinsame Blick auf eine richtig in echt beschriebene Flipchart fehlt: Warum bekommt nicht jede(r) einen zweiten Monitor, etwa ein Tablet, über den das Kamerabild nichts anderes zeigt, als eine echte Flipchart, auf der eine oder einer aus dem Team voller Tatendrang mit dem Edding die guten Ideen notiert, sortiert, verknüpft, streicht und ergänzt?

Wenn wir die Möglichkeit vermissen, einfach immer mal schnell der Kollegin etwas durchs Großraumbüro zurufen zu können, dann könnte eine Online-Standleitung mit Bild die Lösung sein (über das praktischerweise bereits fürs Brainstorming gekaufte Tablet): Mikro an – „Sind die Sommerprospekte schon im Druck?“ – Mikro am anderen Ende an: „Nee, ab Freitag“ – „Alles klar, danke.“ – Mikro aus – Mikro aus.
Sind schon alle technischen Möglichkeiten ausprobiert, zu Ende gedacht, Investitionen in die Software-Infrastruktur richtig durchdiskutiert?

Was ich damit sagen will: Unsere Erfahrungen mit den Grenzen des Homeoffice sind nicht abschließend. Da geht noch mehr. Und Verbesserungen liegen nicht allein darin, das Alte aus der Zeit vor März 2020 zu reaktivieren. Der Neustart voraussichtlich im Spätsommer 2021 ist Ihre gigantische Chance, aus beiden Welten das Beste rauszupicken und weiterzuentwickeln. Auch für Sie ganz persönlich. Streifen Sie ab, was damals blöd war. Und machen Sie es sich künftig schöner.

1. Routinen von damals gnadenlos hinterfragen

Kreative Köpfe inspirieren sich in Gemeinsamkeit leichter gegenseitig. Ok. Wo aber fördert gemeinsames Zeitverbringen gerade nicht das gemeinsame Vorankommen?
Aus Erfahrung weiß ich: Wo früher Leute in der Gesamtkonferenz saßen, und sich Notizen machten zu Dingen, die sie dann später mal am Computer checken oder am Telefon nachfragen wollten, da erledigen sie im Homeoffice diese Angelegenheiten sofort in Momenten, in denen ihre geistige Anwesenheit gerade entbehrlich ist. Aus „muss ich nachher mal nachgucken“ werden so klare Statements, die die Konferenz schlagkräftiger und entscheidungsfreudiger machen.

Fragen Sie sich also: Muss ich künftig wirklich bei den täglichen Meetings im Konferenzraum dabei sein, oder ist es effizienter, von zuhause (oder auch vom Büroarbeitsplatz aus) per Videoschalte teilzunehmen? Bringen Sie diese Fragen jetzt schon ein. Bevor sich die Ereignisse überschlagen und zu früh Pflöcke eingeschlagen werden.

Lassen Sie den Gedanken nicht mehr zu, dass der Wunsch nach Abwesenheit automatisch Faulheit bedeutet. Darüber sind wir längst hinweg. Selbst wenn jemand während der Konferenz mit den Kollegen im Ohr joggen geht, weil sein oder ihr Input nicht gefragt ist und eine passive Teilnahme ausreicht, kann das eine sehr sinnvolle Variante im Arbeitsalltag sein. Zufrieden und fit arbeitet es sich besser. Davon profitieren alle. Und ein plattgesessener Hintern ist kein Leistungsnachweis.

2. Sie wären gerne anders? Dann jetzt oder nie!

Was möchten Sie an sich verändern und haben den Umbruch noch nicht erledigt?
Ein anderer Kleidungsstil? Ein selbstbewussterer Auftritt vor den Anderen? Die grauen Haare nicht mehr wegfärben? Gesünder essen? Mehr eigene Ideen einbringen? Lernen, in der Mittagspause richtig abzuschalten?

Von Freitag auf Montag den Hebel umzulegen, kostet mehr Mut und Energie, als nach Monaten als neues Ich vorm Team aufzutreten: „Wow! Die Pandemie hat dir gut getan.“
Wir billigen einander zu, uns innerhalb eines Jahres weiterentwickelt zu haben. Es wird vieles so ungewohnt sein, wenn wir uns wieder im Büro treffen, dass es regelrecht spannend wird zu überprüfen: Was hat sich verändert? Das ist Ihre Gelegenheit für einen persönlichen Neustart!
Was wollen Sie im Zusammenspiel mit den Kolleginnen und Kollegen unbedingt verändern? Wie wollen Sie anders sein? Fangen Sie jetzt schon an, darüber nachzudenken. Schreiben Sie es sich auf, machen Sie einen Plan: Welche Veränderungen beginnen Sie am besten schon im Sommer in den letzten Monaten der Homeoffice-Hardcore-Phase? Womit wollen Sie ab Tag 1 der Büropräsenz durchstarten? Das macht Spaß. Genießen Sie es, sich ganz in Ruhe dort hineinzudenken.

3. Die Chance für die Versöhnung

Für viele ein Homeoffice-Highlight: Ungeliebte Kolleginnen und Kollegen laufen uns nicht mehr über den Weg. So gesehen droht hier ein Stimmungskiller, wenn wir uns im Herbst wieder im Büro treffen.

Jetzt ist die Gelegenheit, den Rückfall in die dunkle Vorzeit zu verhindern. Nehmen Sie jetzt aus der Ferne Kontakt auf, nutzen Sie aus, dass über vieles dank der Pandemie-Distanz Gras gewachsen ist, und sprechen Sie es offen aus: „Lass uns einen Neustart hinlegen. Es wäre mir persönlich ein Anliegen. Was kann ich tun, damit wir das hinkriegen?“ Und nennen Sie auch Ihre Wünsche. Wer so offensiv deutlich macht, dass er an einem guten Verhältnis mit dem anderen interessiert ist, wird es kaum erleben, barsch zurückgewiesen zu werden. Und wenn doch, dann ist zumindest sicher: Sie haben Ihr Bestes gegeben. Mehr geht nicht.

4. Nehmen Sie ein Stück Homeoffice mit in die Firma

Was gefällt Ihnen in Ihrem Homeoffice-Alltag am besten? Nicht immer ist es nur das, was sich unter den Schlagworten Flexibilität und Zeitgewinn einsortieren lässt. Ich habe im Freundes- und Kollegenkreis mal rumgefragt. Einige genießen es auch einfach, den Tee aus der Lieblingstasse zu trinken, zwischendurch mal mit dem Laptop auf dem Sofa zu sitzen, beim Nachdenken die Zimmerpflanzen zu gießen oder einfach mal am Nachmittag ein Viertelstündchen mit einem alten Kumpel von damals zu telefonieren, statt ihn verschämt wegzudrücken.

Nicht alles wird sich ins Firmenbüro übertragen lassen. Aber einiges sicher schon. Wenn Ihnen der Automatenkaffee nicht schmeckt: Was spricht gegen eine Kaffeebohnenmühle im Rollcontainer unter Ihrem Büroschreibtisch und eine Kaffeemaschine für alle in der Gemeinschaftsküche? Für einmal 100 Euro gönnen Sie sich ein tägliches Highlight für die kommenden Jahre. Nur mal so als Beispiel.

5. Die Nachteile des Homeoffice abschütteln

Die Arbeit im Firmenbüro hat auch Vorteile, die nicht unmittelbar aus erfolgversprechenderen Arbeitsprozessen herrühren. Ein Punkt ist auch: Im Büro lässt man den privaten Trubel hinter sich, der einen im Homeoffice parallel in den Wahnsinn treiben kann. Genieren Sie sich nicht, diese Aspekte klar zu benennen. Es geht bei der Aufteilung Homeoffice/Firmenbüro auch um Ihre privaten Interessen, denn Homeoffice ist Privatgelände.
Sorgen Sie zum Beispiel dafür, dass alle Arbeitsprozesse, die viel Raum beanspruchen (etwa Berge von Akten) von der Firma aus erledigt werden, die schlanken Angelegenheiten von zuhause aus. Oder arrangieren Sie Homeoffice-Halbtage. Möchten Sie zuhause sein, wenn die Kinder es auch sind? Oder lieber gerade dann, wenn die Wohnung absolute Ruhe bietet? Ode mal so, mal so? Sammeln Sie die Bedürfnisse im Team und versuchen Sie eine Art Stundenplan zu entwerfen, um alles unter einen Hut zu bringen.

Überlegen Sie auch mal, ob eine neue Art von Meeting her sollte: das wöchentliche Socializing im persönlichen Treffen. Der gemeinsame Kaffee „in echt“, das Feierabend-Bier jeden Freitag um 17 Uhr. Wer sich nach „Nähe“ sehnt, muss dafür dann nicht die Meetings nutzen, bei denen es auf Wendigkeit und Effizienz ankommt, statt auf kuscheli-ges Zusammensein mit Plausch Marke Kaffeeküchenkränzchen.

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Unterm Strich: Fangen Sie jetzt an, die Rückkehr ins Homeoffice gedanklich und praktisch vorzubereiten. Für sich ganz persönlich und im Team. Bevor es am Ende heißt: Ja gut, dann kommt halt erstmal alle wieder und dann gucken wir mal. Das wäre einfach zu schade. Kommen Sie gut in die neue Phase!

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Mehr zum Thema: Die Arbeit vom heimischen Schreibtisch ist flexibler, kann Umzüge ersparen und ist oft konzentrierter. Gäbe es da nicht ein Problem: die Kommunikation mit den Kollegen. Zeit für einen Homeoffice-Knigge.

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