Karrieretipps aus der Forschung „Geduldigere Menschen finden eher einen Job“

Wie die Einstellung den Erfolg und das Glücksempfinden im Berufsleben ändern kann. Quelle: Getty Images

Matthias Sutter zählt zu den renommiertesten Verhaltensökonomen im Land. Jetzt überträgt der Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern seine Erkenntnisse in die Praxis – und hat ein paar überraschende Ratschläge parat.

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Karriereratgeber gibt es viele, aber die wenigsten sind wissenschaftlich fundiert. Der Volkswirt Matthias Sutter will das ändern. In seinem gerade im Hanser Verlag erschienenen Buch „Der menschliche Faktor oder worauf es im Berufsleben ankommt“ schildert der Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, wie Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie Einstieg und Aufstieg im Berufsleben erleichtern können.
WirtschaftsWoche: Herr Sutter, als Direktor in der Max-Planck-Gesellschaft sind sie vor allem der abstrakten Grundlagenforschung verpflichtet. Jetzt haben Sie ein sehr konkretes Ratgeberbuch über das Berufsleben geschrieben. Warum? 
Matthias Sutter: Ich habe mir immer wieder Ratgeberbücher gekauft. Als Student, wenn es um Bewerbungen ging, später in der Karriere zu Fragen der Personalführung. Ich fand diese Bücher zwar hilfreich, aber ich habe sie immer als etwas zu kleinmustrig empfunden. Die konnten mir zwar beibringen, wie genau ich mich im Vorstellungsgespräch verhalten sollte, aber warum ein Personaler mal so und mal so auf mich reagiert, das wird nicht erklärt. Mir fehlt die große Klammer in diesen Büchern, die alles zusammenhält. 
Worin sehen Sie diese Klammer denn in Ihrem Buch?
In dem nur auf den ersten Blick trivial scheinenden Umstand, dass es im Berufsleben immer um den Menschen geht.

Am Ende sind wir alle Menschen. Ist das nicht wirklich etwas trivial? 
Menschliches Verhalten ist sehr komplex und manchmal erst auf den zweiten Blick zu verstehen. Warum reduzieren Menschen ihre Arbeitsleistung, wenn andere unfair behandelt werden? Warum wollen viele Angestellte nach der Pandemie doch wieder ins Büro, obwohl es im Homeoffice doch so bequem ist? Die Verhaltensökonomie hat auf solche Fragen oft sehr hilfreiche Antworten gefunden. 
Bleiben wir doch gleich bei diesen Erkenntnissen. Warum wollen denn Arbeitnehmer wieder zurück ins Büro?
Weil sie Angst haben, bei Beförderungen übergangen zu werden. Und die Forschung zeigt: Zu recht. Eine aktuelle Studie hat etwa herausgefunden, dass das Prinzip „Aus den Augen aus dem Sinn“ gilt, selbst für diejenigen, die auch von zu Hause aus brav gearbeitet haben.
Warum sollte man in diesen Fragen ausgerechnet auf Verhaltensökonomen hören? 
Weil wir in Experimenten tatsächliches Verhalten von Menschen beobachten und nicht einfach irgendwelche Gleichungen aufstellen. Wir machen nichts besser oder schlechter als andere Forscher, aber wir sind sehr nah dran am echten Leben. Dazu erheben wir große Mengen an Daten und wenn die Experimente gut gestaltet sind, können wir zeigen, welche Anreize welches Verhalten treiben. 
Lassen Sie uns über die konkreten Ratschläge sprechen, die Sie aus der Forschung ableiten. Sie empfehlen Arbeitnehmern zum Beispiel ihren Arbeitgebern eine gewisse Zeit treu zu bleiben. 
Der Tipp beruht auf einer Studie, bei der Forscher Lebensläufe an Unternehmen geschickt haben, die nahezu identisch waren. Ein Unterschied: Bei gleicher Berufserfahrung hatte eine Hälfte der fiktiven Bewerber vier Arbeitgeber, die andere Hälfte nur einen. Und es zeigte sich, dass diejenigen mit nur einem Arbeitgeber im Schnitt etwa 40 Prozent häufiger zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden.

In seinem Buch „Der menschliche Faktor oder worauf es im Berufsleben ankommt“ schildert Matthias Sutter, wie Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie Einstieg und Aufstieg im Berufsleben erleichtern können. Quelle: ECONtribute: Markets&Public Policy

Heißt das also, man sollte sich mindestens zwei, drei Jahre durch einen Job quälen, auch wenn er keine Freude bringt?
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will keine Anleitung zum Unglücklichsein geben. Wenn man sich unwohl fühlt, sollte man sich natürlich verändern dürfen. Einen Punkt, dass man sich verändern muss, gibt es sicher. Aber manche Leute sehen diesen Punkt einfach zu früh gekommen. Ich möchte vor allem, dass die Leser wissen, wie Arbeitgeber denken. Nämlich so, dass jemand, der schon viermal gewechselt ist, auch bei ihnen schneller aufgibt. Weil woanders das Gras grüner ist oder die aktuelle Arbeit zu anstrengend.
In mehreren Kapiteln loben Sie den Wert der Geduld für eine erfolgreiche Karriere. Sie hilft sowohl Einsteigern als auch Vorständen, bessere Entscheidungen zu treffen. 
Nehmen Sie die Arbeitssuche. Da muss man viel Zeit aufwenden und auch mal Absagen verkraften. Wer dann zu ungeduldig ist, gibt zu schnell auf. Geduldigere Menschen halten eher durch und finden daher auch eher einen Job. 
Was mache ich aber, wenn ich grundsätzlich eher ungeduldig bin? 
Im Schulalter kann man die Geduld noch gut erlernen, für Erwachsene ist das schon schwieriger. Aber auch da gibt es ein paar Kniffe. Zum Beispiel Wenn-Dann-Pläne, die ich mir vornehmen kann. Ich lege mir vorher einen Plan zurecht: Immer wenn ich der Versuchung erliege, etwas abzubrechen, dann halte ich erst einmal kurz inne und denke darüber nach, warum ich das tun will. Damit kann man sich selbst überlisten, wie Odysseus, der sich an den Mast seines Schiffes binden lässt.

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Sie beschreiben auch Vertrauen als Produktionsfaktor in Unternehmen. Wie meinen Sie das?
In meinem Arbeitsvertrag mit der Max-Planck-Gesellschaft ist vieles geregelt, zum Beispiel, wann ich die Stelle antreten sollte, wo die Räumlichkeiten sind, was ich verdiene. Da steht aber überhaupt nicht drin, wie ich meinen Job machen soll, wie ich mit den Leuten umgehe. Man sagt mir: Sutter, schau, wir geben dir eine sehr gute Ausstattung, mach“ das beste draus. Das ist ein dermaßen großer Vertrauensvorschuss, dass ich mich im positiven Sinne fast jeden Tag genötigt fühle, etwas zurückzugeben. Dafür will ich werben. Das ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn vom ersten Tag an gesagt wird: Wir kontrollieren gleich mal, wann du morgens kommst. Dieser Kontrollwahn gängelt und bremst die Leute. 
Sie berichten auch von einer verhaltensökonomischen Erkenntnis über das Berufsleben, die mich ratlos zurück ließ. Größere Menschen sind erfolgreicher, schreiben Sie. Muss man als karrieregetriebener Mensch in Zukunft Plateauschuhe tragen? 
Nein, das habe ich mit Absicht etwas provokant formuliert. Obwohl die Daten durchaus klar sind: Zehn Zentimeter mehr Körpergröße bedeuten in den USA zehn Prozent mehr Gehalt. Aber jeder logisch geschulte Mensch kommt zu dem Schluss, dass das nichts miteinander zu tun haben kann. Mich interessiert aber, woher dieser Zusammenhang kommt. Und dann wird es interessant: Wer im Jugendlichenalter schon größer ist, wird als attraktiver wahrgenommen und engagiert sich häufiger in Vereinen und im Ehrenamt. Das heißt, größere Menschen haben früher ein großes Netzwerk und schulen schon früh ihre Fähigkeiten mit anderen zu arbeiten, mal zu führen, mal zu delegieren, mal zuzuarbeiten. Sie lernen, Menschen zu managen. Und das sind Fähigkeiten, die im Arbeitsmarkt unglaublich wertvoll sind.

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