Seitdem sogar in den Chefetagen mancher Dax-Konzerne Turnschuhe und Jeans getragen werden, scheint die Krawatte ausgedient zu haben. Der klassische Schlips macht nur noch einen winzigen Teil der deutschen Textilwarenbranche aus. Die Verbraucher kaufen laut Angaben des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie jährlich für 70 Milliarden Euro Kleidung. Der Umsatz für Krawatten und Fliegen belief sich 2015 dagegen nur auf etwa 15 Millionen Euro. 2011 waren es noch rund 25,5 Millionen Euro.
Wäre da nicht die Finanzbranche - und auch hier verschwindet die Krawatten-Pflicht immer häufiger - Hersteller wie die Ascot-Manufaktur in Krefeld wären überwiegend abhängig von Hochzeiten und Abschlussbällen. "Die Masse trägt immer weniger Krawatten", räumt Barbara Pauen ein. Die Urenkelin der Firmengründer leitet mit ihrem Bruder das Traditionsunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Sie sagt aber auch: "Es wird immer Personen geben, die Wert auf ein hochwertiges Produkt legen und es sich auch leisten."
Die Binder von Ascot werden nach wie vor ganz oder teils in Handarbeit hergestellt - oft aus edlen Stoffen wie italienischer Seide. Zuschnitt, das Einarbeiten des Futters, Falten, Bügeln, Ziernähte und Etiketten anbringen - bis zu 20 Arbeitsschritte sind nötig.
Was bei Krawatten alles schief gehen kann
Eine zu kurze Krawatte ist vor allem für große Männer oder Zeitgenossen mit langem Oberkörper ein Problem. Diesen hilft nur die Krawatte nach Maß. Es sei denn, diese Männer steigen auf Schleifen um.
Quelle: Bernhard Roetzel „Der Gentleman nach Maß – Maßgeschneiderte Herrenkleidung“, ISBN: 9783848007684, ullmann publishing GmbH
Für etwas kleinere Männer ist die Standard-Krawatte meistens zu lang. In solchen Fällen wird gern zu einem doppelten Windsor geraten, der die Länge regulieren kann – doch manche Krawatten sind dafür zu dick.
Krawatten aus glatter, bedruckter Seide werden oft mit zu dünner Einlage geliefert. Die Folge: Der Knoten fällt sehr mager aus und lockert sich obendrein ständig. Dies kann die Freude an der betreffenden Krawatte schnell beeinträchtigen.
Wenn Krawatten aus schwerer Jacquardseide oder dicken Wollstoffen mit zu mächtigen Einlagen ausgestattet sind, fällt selbst ein einfacher Knoten viel zu voluminös – ganz zu schweigen von einem Windsorknoten.
Angesichts eines breiten Oberkörpers oder eines üppigen Bauchs wirken schmale Krawatten geradezu verloren. Wann immer die Mode sie gerade vorschreibt, wird es für starke und fülligere Männer schwer, ein passendes Exemplar zu finden.
Was nützt die schönste Seide, wenn die Krawatte zu breit ist? Bei einem sehr schmalen Oberkörper wirkt selbst eine Krawatte von durchschnittlicher Breite überdimensioniert und aus diesem Grund wenig elegant.
So sei die Qualität auf dem für Ascot maßgeblichen hochpreisigen Segmentmarkt gesichert, sagt Pauen. Ab 40 Euro sind bei Ascot-Binder zu haben. Zu den Abnehmern gehören entsprechend auch Luxus-Labels. "Alle Strickkrawatten von Hermès stammen von uns", berichtet Pauen.
Obwohl Krawatten einen winzigen Anteil an der gesamten Textilbranche Deutschlands ausmachen, ganz will sich die Bekleidungsindustrie nicht von ihnen verabschieden. So kürt das Deutsche Modeinstitut in Köln jährlich den „Krawattenmann des Jahres“. Und auch der Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Textilbranche, Hartmut Spiesecke, ist sicher, dass der Binder als Stilelement besteht: "Die Krawatte ist eine der wenigen Schmuck-Möglichkeiten für den Mann - ein Nasenring steht ja nun nicht jedem."