Persönlichkeit Artgerechte Haltung für Intros und Extros

Introvertierte und extrovertierte Menschen haben ihre ganz eigenen Stärken und Hürden sagt die Kommunikationsberaterin Sylvia Löhken. Sie können wunderbar voneinander profitieren, wenn sie sich in Teams gegenseitig ergänzen - oder heiraten.

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Sylvia Löhken ist promovierte Linguistin, Expertin für persönlichkeitsbasierte Kommunikation und Coach. Ihr Buch

WirtschaftsWoche: Sie sind eine bekennende Introvertierte. Was macht Sie so verschieden von Extrovertierten?

Sylvia Löhken: Introvertiert heißt „nach innen gewandt“, extrovertiert heißt „nach außen gewandt“. Als der Psychoanalytiker C.G. Jung 1921 die Begriffe prägte, konnte er noch nicht wissen, dass das sogar im Hirn nachmessbar ist. Introvertierte haben mehr Aktivität im frontalen Kortex und im vorderen Thalamus. In diesen Hirnarealen sind Lernen, Denken, Vergleichen, Problemlösen angesiedelt, aber auch Sorgen. Wenn ein Introvertierter scheinbar passiv in den Himmel guckt, funkt es zwischen den Ohren oft auf Hochtouren. Eindrücke in Ruhe aufnehmen, nachdenken und dann reden, das ist introvertiert. Meine extrovertierte Kollegin Margit Hertlein dagegen, mit der ich den „laut-leisen Diwan“ mache, sagt: Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich darüber geredet habe? Extrovertierte wollen Zugang zur Welt, mit ihr interagieren und dann nachdenken. In ihrem Gehirn sind Inselkortex und hinterer Thalamus, da wo die Andockstellen für Sinneseindrücke verortet sind, besonders aktiv.  

Sylvia Löhken, Intros und Extros. Wie sie miteinander umgehen und voneinander profitieren, Gabal 2014.

Sind Intro- oder Extrovertiertheit rein neurobiologische Merkmale?

Nein. Wir können zwar schon bei ganz kleinen Babys neurologisch vorhersagen, ob es ein kleiner Intro oder eine kleine Extro wird. Aber unsere Gehirne sind bei der Geburt natürlich noch überhaupt nicht fertig. Es kommt darauf an, was wir daraus machen. Wir sind Hordentiere. Was wir über soziale Gemeinschaft in einer spezifischen Gruppe lernen, prägt unser Gehirn weiter aus.

Intro- oder Extrovertiertheit ist also nicht so einfach erblich wie die Augenfarbe.

Überhaupt nicht. Entwicklungspsychologen nennen die soziale Komponente die zweite Natur. Die lässt sich von der ersten, angeborenen gar nicht mehr genau trennen. Die meisten Menschen sind übrigens nicht komplett intro- oder extrovertiert, sondern befinden sich in einem mittleren Bereich. Jeder hat seine Komfortzone im Intro-Extro-Kontinuum.

Die zehn Stärken introvertierter Personen

Kann Erziehung einen Intro zum Extro machen und umgekehrt?

Umpolen nicht, aber modifizieren. Die Frage für die Mutter eines intro- oder extrovertierten Kindes ist: Was macht die Horde mit dem Neuankömmling? Darf der sich so entwickeln, wie es für sie oder ihn artgemäß ist, oder bekommt dieses Kind signalisiert: Du bist nicht in Ordnung, wenn du zu laut bist oder zu große Risiken eingehst.

Sprechen wir mal über berühmte Menschen, Angela Merkel zum Beispiel.

Vorweg: Macht korreliert nicht mit Intro- oder Extroversion. Angela Merkel ist nach meiner Wahrnehmung klar introvertiert. Das belegt der Umgang mit ihrem Privatleben. Ihre ruhige, sicherheitsorientierte Art, auch in spannungsreichen Situationen. Und dass sie oft lange abwartet, bevor sie zu einem Thema Stellung nimmt. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder und ihr Herausforderer Peer Steinbrück sind dagegen wohl beide extrovertiert.

Barack Obama?

Auch eher introvertiert. Er berichtet, dass seine extrovertierte Frau Michelle manchmal nicht so happy ist, wenn er sich am Abend in sein Zimmer zurückzieht. Introvertierte brauchen das, um den Akku wieder aufzuladen.

Mark Zuckerberg?

Intro. Er hat Facebook gegründet, um Frauen kennenzulernen.

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