"Würden Sie jemandem vertrauen, der Dämon heißt?"
So sollte die Autorin dieses Textes eine Rede beginnen, rät Kommunikationsexperte und Verkaufstrainer Hans-Uwe Köhler. Damit wäre ihr nämlich die Aufmerksamkeit der Zuhörer sicher.
"Beginnen Sie mit einer Überraschung", so Köhler. "Jeder James-Bond-Film beginnt mit einer gewaltigen Explosion – und steigert sich dann". Genauso müsse es ein perfekter Redner auch tun. Schließlich sei es das Ziel einer Rede - und besonders des ersten Satzes, auf einen einzigen Schlag die gesamte Aufmerksamkeit aller Zuhörer zu fesseln.
Dem stimmt auch die Opernsängerin und Stimmtrainerin Alexandra von der Weth zu. "Verzichten Sie auf Standardbegrüßungen. Erklären Sie nicht den Grund für Ihre Rede. Das weiß ohnehin jeder", sagt sie. Wenn von der Weth nicht auf der Bühne steht, bringt sie Managern bei, wie man Reden hält.
Vorsicht vor Schachtelsätzen
"Die Rede ist immer noch eines der wirksamsten Führungsinstrumente", sagt Caroline Waldeck, Vizepräsidentin des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS). Doch offenbar scheuten sich sogar Konzernchefs, die Rede als solches zu nutzen. Denn auch bei den Top-Managern liegt in puncto Rhetorik oft noch einiges im Argen.
Tipps für die perfekte Rede
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Reden Sie nie ohne Plan. Auch wenn Sie sich im Thema blind auskennen – überlegen Sie sich ganz genau, wie Sie Ihren Zuhörern die Informationen vermitteln wollen.
Machen Sie sich Stichwörter auf Moderationskarten. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zum monotonen Ablesen.
Verzichten Sie auf lange Handouts oder eine vollgestopfte PowerPoint-Präsentation – Folien oder Charts sollen den Vortrag unterstützen und ihn nicht überflüssig machen.
Was wollen Sie erreichen? Bauen Sie eine Beziehung zu ihrem Publikum auf und verzichten Sie auf Belehrungen von oben herab. Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie deren Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, falls eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
So versteckte sich beispielsweise Allianz-Chef Michael Diekmann bei einer Rede anlässlich einer Hauptversammlung hinter einem Riesenschachtelsatz. Er sagte: "Auch wenn sich diese Investitionen laut Internationaler Energie Agentur bereits innerhalb von zehn Jahren durch eingesparte Brennstoffkosten amortisieren lassen, stellt sich die Frage, wer das Geld für die dringend notwendigen Investitionen für die Energiewende, aber auch für Brücken und Straßen bereitstellen kann beziehungsweise soll."
Na, noch wach?
Besser machten es dagegen Peter Terium (RWE), Norbert Reithofer (BMW) und Timotheus Höttges (Deutsche Telekom). Sie haben 2014 die besten Reden auf den Hauptversammlungen der Dax 30-Unternehmen gehalten. Ihre Reden überzeugten nach Ansicht der Analystinnen und Analysten VRdS durch einen klaren Gestaltungsanspruch, gut verständliche Sprache, dramaturgisch geschickten Aufbau und nachvollziehbare Argumente. Passende rhetorische Stilmittel und anschauliche Beispiele rundeten den Gesamteindruck ab.
"Die guten Redner scheuten sich auch nicht, selbstkritische Töne anzuschlagen und Probleme und Versäumnisse klar zu benennen", so Waldeck. "Und sie wagten etwas, was viele Hauptversammlungsredner vermeiden: Sie ließen es menscheln und suchten die emotionale Verbindung zu ihren Zuhörerinnen und Zuhörern." Und darauf kommt es an.
Reden halten will geübt sein
Der Berufsverband für professionelle Redner, Trainer und Coaches, die German Speakers Association (GSA), hat vergangenen Freitag Menschen ausgezeichnet, die diese Tipps längst nicht mehr benötigen. Nach Hans-Dietrich Genscher, Margot Käßmann und Dieter Zetsche nahm der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog den Deutschen Rednerpreis für seine "herausragenden rhetorischen Leistungen" entgegen. "Die Ruck-Rede hat in die damalige Situation hinein gepasst", so Herzog. "Normalerweise hören die Menschen sehr viel lieber, wenn man ihnen nach dem Mund redet. Es geht aber nicht darum, gegen den Strom zu schwimmen, es geht um Kritik."
Erstmals in der Geschichte der GSA Convention wurde der German Speakers Global Award verliehen. Mit dieser internationalen Auszeichnung bedachte die GSA den Dalai Lama für seine außergewöhnliche Art, Menschen in der ganzen Welt mit Worten zu berühren. Worte der Erinnerung, Worte der Mahnung, Worte der Hoffnung und Versöhnung, Bescheidenheit, Frieden, Respekt: Das sind die Eigenschaften und Werte, weshalb die Wahl der GSA auf das geistige Oberhaupt der Tibeter fiel.
Um andere mit Worten zu bewegen, braucht es neben guter Ideen viel Training. Natürlich hat jeder seinen ganz persönlichen Stil, Reden unterscheiden sich je nach Anlass: Die Rede des Brautvaters auf einer Hochzeit ist anders als die auf der Hauptversammlung eines Konzerns oder einer Trauerfeier. Trotzdem gibt es wichtige Bausteine, die jede Rede beinhalten sollte.
Und die Struktur der guten Rede lässt sich - wie die Rede selbst auch - trainieren. "Die Leute unterschätzen, wie viel die Profis üben. Selbst Barack Obama übt seine Reden", weiß Michael Rossié. Er ist Vizepräsident der GSA und trainiert seit über 25 Jahren Menschen, die vor Gruppen oder in den Medien sprechen. Außerdem bildet er Radio- und Fernsehmoderatoren aus und tritt als Redner auf. "Die Zuhörer müssen das Gefühl haben, dass der Redner sich alles einfach so aus dem Ärmel schüttelt. Und das ist viel Arbeit", weiß er.
Botschaft, Stichwort, Witz
Das Üben vor dem Spiegel hält er allerdings für unnötig, weil man sich nicht beobachten und gleichzeitig so tun könne, als sei man unbeobachtet. Auch Freunden und Familie würde er es nicht unbedingt zumuten, sich wieder und wieder die Redeübungen anzutun. Er rät: "Erzählen Sie es ihrem Dackel oder dem Lenkrad." Hauptsache, der zukünftige Redner gewinnt an Sicherheit.
Die perfekte Rede basiert laut Rossié auf den drei Rhetorikgrundsätzen, die schon Cicero verwendete: delectare, movere, docere. Die Rede ist also unterhaltsam, berührt und informiert.
"Es muss nicht alles zutreffen", so Rossié. "Wenn ein Redner tolle Sachen erzählt, verzeihen Sie ihm alles." Wer allerdings eine Stimme wie Heidi Klum oder Kermit der Frosch habe, solle daran arbeiten. Gleiches gelte für einen starken Dialekt, Nuscheln oder Lispeln.
Außerdem brauche der Redner eine klare Botschaft. "Die meisten erzählen einfach irgendwas" - und das gehe dann schief. Das bestätigt auch Gerriet Danz, Experte für kreative Präsentation. Er sagt: "Werden Sie sich immer zuerst klar, was Ihre Kernbotschaft ist. Welchen einen Satz soll sich das Publikum merken?" Dabei sei es wichtig, den relevanten Nutzen für das Publikum zu kommunizieren. "Was haben die Herrschaften in Euro, in Zeit, in Sicherheit davon, Ihnen zuzustimmen?"
Wenn die Botschaft der Rede klar ist, geht es an die Vorbereitung. Hier empfiehlt Rossié, Themen aufzuschreiben statt ganzer Sätze. Sonst laufe man Gefahr, die Rede abzulesen, statt sie zu halten. Und das sei der Tod für eine lebendige Rede. "Die Sätze müssen tanzen, nicht marschieren - und das tun sie beim Ablesen leider nicht", sagt er.
"Die beste Rede ist die, die gar keine ist", sagt auch Stefan Wachtel von ExpertExecutive in Frankfurt. Er coacht unter anderem Manager von Dax-Konzernen. Auch wenn eine Rede bei einer Bilanzpressekonferenz natürlich nie so locker sein könne, wie die auf einer fröhlichen Feier, empfiehlt er allen seinen Schützlingen, den Dialog statt des Monologs zu wählen. "Die Wichtigsten sind die auf der anderen Seite", sagt er. Deshalb solle man Reden in einer mündlichen Sprache schreiben. Gerade bei Hauptversammlungen falle auf, dass Manager zu korrekt und faktenlastig formulieren, ihre Reden im Schriftdeutsch texten und dann einfach ablesen werden. Er bearbeite die Reden deshalb mit den Vorständen so, dass es am Ende Stichwortkonzepte sind.
Die richtige Haltung auf der Bühne
Die Stichworte zur Rede sind notiert, die Botschaft ist klar und der Dackel war bei jedem Spaziergang ein geduldiger Zuhörer. Jetzt wird es ernst, das Publikum schaut erwartungsvoll. Erst einmal durchatmen, rät von der Weth. Sie sagt: "Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung und Ihre Körperspannung. Verharren Sie in dieser Haltung schweigend so lange vor Ihrem Publikum, bis es still ist." Erst wenn Ruhe eingekehrt sei - und zwar sowohl im Publikum als auch im Redner - beginnt die Rede. Jessica Wahl, Personal Performance Coach, empfiehlt außerdem, erst die Augen und dann den Mund aufzumachen.
"Gehen Sie bereits kurz bevor Sie Ihre Rede beginnen, in Blickkontakt mit Ihrem Publikum und sprechen Sie möglichst frei, sodass Sie mit Ihrem Publikum in Beziehung gehen können", sagt sie. Es herrscht also Ableseverbot. Einzelne Zahlen und Fakten dürfen natürlich nachgeschaut werden, aber ansonsten gehört der Blick ins Publikum.
Was Ihre Gesten über Sie verraten
signalisiert laut den Bewerbungsexperten von Hesse/Schrader Konzentration oder Nachdenken
bedeutet Ungeduld oder Nervosität, vielleicht sogar Provokation
zeigen die eigene Überlegenheit
Gesagtes wird zurückgenommen, weil Unsicherheit in der Sache besteht
demonstriert Selbstzufriedenheit, wirkt aber nicht immer sympathisch
zeigt bei Zurücklehnen grenzenlose Souveränität
lässt auf Desinteresse, Unkonzentriertheit oder Nervosität schließen
steht für Nachdenklichkeit, Erschöpfung oder Langeweile
zeigt Ratlosigkeit oder Unsicherheit
steht für Nachdenklichkeit und Zufriedenheit
zeigen bei Frauen: Unsicherheit oder Angst, bei Männern: Ablehnung und Verschlossenheit
signalisieren Überheblichkeit, gleichzeitig Abwehr gegen Einwände
"Ab und an ein Lächeln", so Wahl, " kann Wunder wirken." Und die Hände bitte nicht in die Hosentasche stecken oder hinter dem Rücken verstecken. "Mit den Händen zeigen Sie, dass Sie "handlungsfähig" sind", so Wahl. Sie gehören deshalb locker in Gürtelhöhe, sodass der Redner sie bei Bedarf jederzeit öffnen kann. Wildes Herumgefuchtel mit den Händen lenkt allerdings nur ab. Dasselbe gilt für das nervöse Herumzupfen an Kleidung oder Manuskript. "Setzen Sie Gesten sparsam, aber gezielt ein", rät von der Weth.
Das rhetorische Risiko eingehen
Rossié ist überzeugt, dass eine gute Rede immer ein bisschen provokant sein muss. "Sie muss aufrütteln und wach machen." Außerdem braucht die perfekte Rede gute Bilder und Metaphern. Am besten sei es, die Rede habe einen Slogan, der im Kopf bleibt, wie bei Herzogs "Ruck-Rede" oder Wowereits Ausspruch, dass Berlin "arm, aber sexy" sei.
Letzteres ist im Übrigen ein gutes Beispiel für den persönlichen Bezug oder die Anekdote, die jeder Rede gut tut, also dem "movere". Hätte Wowereit gesagt, dass Berlin zwar arm sei, die Zahl der Touristen und die Lebenszufriedenheit der Einwohner jedoch hoch, würde sich niemand daran erinnern. Gleiches gilt für den Ausspruch des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Dass "der Islam zu Deutschland gehört", hat die Menschen bewegt.
Deshalb müsse man sich frei machen von der Angst, sprachlich ein Risiko einzugehen, so Waldeck vom VRdS. Eine klare Haltung und deutliche Worte können zwar negative Reaktionen hervorrufen, wortreiches Geschwurbel erreicht dagegen gar nichts. "Für Hauptversammlungsreden gilt, was jeder Kleinanleger wissen sollte: Geringes Risiko bringt wenig Rendite; wer mehr Rendite will, muss etwas riskieren", so Waldeck.
Davon, sich durch Witze hervorzutun, raten die Experten jedoch dringend ab. "Um Himmels Willen", sagt beispielsweise Danz. "Selbst wenn man ein guter Witze-Erzähler ist, geht so etwas meist schief." Außerdem habe ein Witz selten etwas mit dem Inhalt der Rede zu tun und wirke daher nur als Pseudo-Stimmungsaufheller, der die Unsicherheit des Redners offenbare.
Geht der Witz dann auch noch daneben, ist der Auftritt total versaut, so die Opernsängerin von der Weth. "Ein misslungener Witz wirkt bemüht, aber nicht gekonnt."