Vegane Produkte haben es unter Löwen naturgemäß schwer. Dennoch konnten Nicole (49) und Bernd Sell (61) gleich zwei potentielle Investoren von ihrem Fleischersatzpulver auf Seitanbasis überzeugen. Nach einem Bieterstreit konnte sich am Ende Ralf Dümmel gegen Nils Glagau durchsetzen. Für 100.000 Euro gab das Gründerpaar 25 Prozent ihrer Start-up-Anteile ab.
WirtschaftsWoche: Frau Sell, Herr Sell, Sie haben sich für Ralf Dümmel als Investor entschieden. Hand aufs Herz: Wie sehr hat seine Herkunft bei der Wahl eine Rolle gespielt?
Nicole Sell: Eine ziemlich große, müssen wir sagen. Mein Mann kommt wie Herr Dümmel aus Hamburg, ich bin eine Küstendeern – da konnten wir nicht nein sagen zu diesem norddeutschen Trio. Aber im Ernst: Wir hatten uns vorher natürlich überlegt, wer zu uns passen könnte. Carsten Maschmeyer macht in Apps, Judith Williams in Kosmetik. Ralf Dümmel und Nils Glagau erschienen uns die passendsten Kandidaten, weil sie beide Erfahrung im Einzelhandel mitbringen und weil wir wissen, wie schwer es ist, dort einen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Entscheidung zwischen den beiden war dann ein Bauchgefühl. Schließlich ist es wichtig, dass man als Team funktioniert.
Und für diesen Teamspirit waren Sie auch bereit, fünf Prozent mehr Anteile an Ihrem Start-up abzugeben, als Sie es ursprünglich wollten?
Nicole Sell: Ja, weil es uns nicht in erster Linie ums Geld ging, sondern vor allem um das Netzwerk und das Know-how des Löwen. Wir sind ein sehr kleines Team, bestehend aus nur drei Leuten. Da ist es wichtig, dass wir auf die Mitarbeiter von Herrn Dümmel zurückgreifen können.
Trotzdem haben Sie mit Herrn Dümmel verhandelt und statt der von ihm geforderten 30 Prozent nur 25 Prozent angeboten. Hatten Sie keine Angst, dass er ablehnt?
Nicole Sell: Das hat er mich in unserem Gespräch nach der Aufzeichnung der Sendung auch gefragt. Aber ehrlich gesagt habe ich so weit gar nicht gedacht. Es war ein spontaner Impuls, ihm dieses Gegenangebot zu machen. Erst im Nachhinein habe ich daran gedacht, was das für Konsequenzen hätte haben können.
Bernd Sell: Das hatten wir tatsächlich nicht abgesprochen. Aber ich war nicht überrascht. Meine Frau ist eine harte Verhandlerin. Und zum Glück hat sich Ralf Dümmel ja darauf eingelassen.
Wie lief denn die Zusammenarbeit mit Ralf Dümmel und seinem Team in den letzten Monaten?
Nicole Sell: Äußerst fruchtbar. Wir haben sogar gemeinsam ein neues Produkt entwickelt und an unseren bereits bestehenden Produkten gebastelt und auch zwei glutunfreie Varianten kreiert.
Haben Sie sich die Kritik von Georg Kofler etwa zu Herzen genommen? Er hatte angemerkt, dass Seitan einen hohen Anteil an Gluten hat und dass es viele Allergiker gibt, die eine Unverträglichkeit haben.
Nicole Sell: Es war Ralf Dümmel, der uns überzeugt hat, zwei glutenfreie Varianten zu entwickeln. Die bestehen jetzt aus Soja und Erbsenproteinen und ich muss sagen, dass das Burger-Pulver in dieser Form sogar noch besser ist als vorher.
Welches Ziel haben Sie sich für Early Green gesetzt?
Nicole Sell: Wir wollen, dass wir in allen großen Supermarktketten zu finden sind. Vegane Nahrungsmittel sollten kein Nischenprodukt sein. Viele Leute vergessen, dass es dabei nicht nur um Umweltschutz geht, sondern auch um die eigene Gesundheit.
Stoßen Sie oft auf Kritik?
Nicole Sell: Ich habe den Eindruck, dass die Gruppe an Personen, die die Problematik verstanden hat, größer wird. Aber ja, wir bekommen auch viel Kritik.
Bernd Sell: Zu Recherche-Zwecken bin ich oft im Netz in Foren unterwegs, in denen Leute sich zum Thema Grillen austauschen. Da herrschen nach wie vor sehr viele Vorurteile gegenüber Vegetariern und Veganern, manchmal ist das eine regelrechte Hetze.
Nicole Sell: Skeptiker gibt es auch in unserem direkten Umfeld. Ich muss mich häufig rechtfertigen, dass ich Veganerin bin, aber gleichzeitig sind die Leute häufig überrascht, wenn sie unsere Sachen probieren, weil sie sagen, dass es wirklich wie Fleisch schmeckt.
Denken Sie auch schon an eine Expansion?
Bernd Sell: Die USA wären unser Traum. Ich war in meinem früheren Job als Flugzeugelektroniker oft dort und habe gemerkt, dass die Leute dort schneller auf neue Produkte anspringen als hierzulande, weil sie experimentierfreudiger sind.
Nicole Sell: Erstmal konzentrieren wir uns aber auf die deutschsprachige Region. Wir hoffen, dass wir durch unseren Auftritt in der Höhle bekannter werden und endlich die Umsatzgrenze von 200.000 Euro knacken können. Das hatten wir uns eigentlich für letztes Jahr vorgenommen, aber da hatte uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil alle Order-Messen abgesagt wurden.
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