




WirtschaftsWoche: Herr Professor Engel, in der Liste der wertvollsten Marken ist in den Top Ten nur ein einziges deutsches Unternehmen vertreten: der Daimler-Konzern mit der Marke Mercedes. Sie führen dies auf die mangelnde Innovationsfähigkeit von deutschen Unternehmen zurück.
Jerome S. Engel: In der Regel werden Innovationen in den Konzernen in Deutschland erstickt. Die Unternehmensstrukturen sind in Deutschland viel fester zementiert und hierarchischer als in den USA. Dadurch führen deutsche Unternehmen ihre Strategien sehr effizient und erfolgreich aus. Doch die Innovationskultur leidet darunter. Amerikanische Firmen, die diese Liste anführen, haben hingegen eine Unternehmenskultur und einen Management-Prozess, der Innovation fördert.

Was ist gegen deutsche Gründlichkeit einzuwenden?
Unsere Gesellschaft ist zunehmend digital kompetent, die Entwicklung der Märkte wird immer schlechter vorhersehbar und Unternehmensmodelle müssen sich immer schneller an die neuen Umstände anpassen. Die klassischen Managementmethoden stoßen in diesem Umfeld an ihre Grenzen und eine gründliche, ingenieursmäßige Vorgehensweise ist nicht mehr zeitgemäß.
Was machen Amerikaner besser?
Amerikaner sind pragmatischer: sie sind näher am Markt.
Zur Person
Professor Jerome S. Engel ist Innovationsexperte und emeritierter Professor der Berkeley Universität Kalifornien. Er berät zudem sowohl Unternehmen, als auch staatliche Institutionen. Zuletzt befasste er sich in seiner Forschung mit Innovationsprozessen in Firmen, Gemeinschaften und globalen Netzwerken.
Ist das auch das Erfolgsrezept der Start-Ups im Silicon Valley, die Sie lange begleitet haben?
Meistens ist es eine Kombination aus der richtigen Idee zur richtigen Zeit, einem innovationsfördernden Management-Ansatz und einem Umfeld, das Erfolg ermöglicht. Wir meinen oftmals, dass das Silicon Valley so erfolgreich ist wegen der Start-Ups. Ich bin überzeugt, dass es genau umgekehrt ist: Start-Ups im Silicon Valley sind erfolgreich wegen des Umfelds, das sie dort vorfinden. Das beinhaltet mehr als nur das vorhandene Risikokapital, für das die Region berühmt ist. Die größeren Unternehmen dort fördern Innovationen von jungen Start-Ups und betrachten diese als Ressource für ihre eigenen Innovationen. Google oder Facebook waren bis vor kurzem selber noch Start-Ups und fördern und leben diese Gründerkultur nach wie vor.
Und warum gibt es kein deutsches Silicon Valley?
Leute mit Unternehmergeist finden Sie überall, egal ob in Deutschland, Amerika oder Asien. Aber es gibt durchaus kulturelle Unterschiede. In den USA, und speziell im Silicon Valley, werden Gründer von der Gesellschaft gefördert und Scheitern akzeptiert. Scheitern gilt nicht als Makel, sondern als wertvolle Erfahrung, aus der man lernen kann. Einem erfolgreichen Unternehmen wie Facebook stehen mehr als 1000 gescheiterte Start-Ups gegenüber. Die Akzeptanz und das Bewusstsein für diesen Lernprozess sind in Deutschland noch nicht sehr verbreitet.
Eine Studie von PwC zeigt, dass im internationalen Vergleich Unternehmen in Deutschland mit weniger Budget für ihre Innovationsbestrebungen auskommen. Ist erfolgreiche Innovation eine Frage des Geldes?
Absolut nicht. In den letzten 20 Jahren haben Entwicklungen wie das Internet, Clouds, GPS oder Smartphones Innovationen eher günstiger gemacht.
Inwiefern?
Unternehmen können heute dank Innovationen - ich denke hier an Clouds als Speicherplatz, aber auch Social-Media und Shopping-Plattformen - sehr viel schneller und effizienter Prototypen herstellen und am Markt testen. Das fördert nicht nur den Unternehmergeist, sondern auch das grundlegende Verständnis für Innovation, die als Lernprozess verstanden und in die Organisation integriert wird. Da können gerade große Unternehmen viel von Start-Ups lernen.