Überraschende Studie Kann ein Katzenparasit uns zu besseren Unternehmern machen?

In Katzendreck soll Unternehmergeist schlummern und Menschen risikofreudiger machen Quelle: dpa

Im Darm von Katzen vermehrt sich ein Parasit, der laut einer neuen Studie den Gründergeist fördert. Kann ein Krankheitserreger menschliches Verhalten beeinflussen?

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Wundern Sie sich nicht, wenn deutsche Start-ups bald säckeweise benutztes Katzenstreu ordern. Es könnte in kleinen Schälchen verteilt werden, als Produktivitätshelfer neben Smoothiebar und Barista-Kaffee. Denn inmitten der kleinen Steinchen könnte sich der Stoff verstecken, der die kleine Gründerbude zum Milliarden-Einhorn macht: Im Katzendreck soll Unternehmergeist schlummern.

Zugegeben, dieser Ausblick mag etwas übertrieben sein. Doch die Ergebnisse, die das Forscherteam um Stefanie Johnson, Professorin für Leadership an der Boulder Universität in Colorado, gerade in einer Studie veröffentlicht hat, sind zumindest eines zweiten Blickes würdig.

Im Zentrum der Untersuchung von Johnson und ihren Kollegen steht ein mikroskopisch kleiner, bogenförmiger Parasit namens Toxoplasma gondii. Zwei Milliarden Menschen auf der Welt tragen ihn schätzungsweise in sich, in Deutschland tummelt er sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in etwa der Hälfte der Bevölkerung. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann der Erreger die Krankheit Toxoplasmose auslösen – der große Teil der Infizierten bemerkt allerdings nie, dass er ihn in sich trägt.

von Miriam Meckel, Milena Merten, Sven Prange

Darüber hinaus hat Toxoplasma gondii eine Eigenart, die ihn für Forscher interessant macht: Er kann sich nur im Verdauungstrakt von Katzen vermehren. Um sich von einem Darm zum nächsten zu verbreiten, musste der Mikroorganismus eine kuriose Strategie entwickeln. Zunächst produziert er Sporen, die mit dem Katzenkot ausgeschieden werden. Über entsprechend verseuchte Gewässer oder Böden gelangen sie in Zwischenwirte, etwa Mäuse. Die Sporen befallen die Zellen, vermehren sich und verteilen sich durch das Blut im Körper. Sie sammeln sich in Gewebezysten, etwa in Muskeln oder im Gehirn, bis der Zwischenwirt irgendwann von einer Katze gefressen wird – und Toxoplasma gondii sich wieder in deren Darm fortpflanzen kann. Menschen können sich über Verunreinigungen anstecken oder indem sie infiziertes, nicht gegartes Fleisch essen.

Soweit, so unappetitlich – aber wie soll der Parasit nun Unternehmertum begünstigen? Auf diese Hypothese kam die Forschergruppe um Stefanie Johnson, weil mittlerweile diverse Studien nahelegen, dass der Erreger im Hirn seiner Zwischenwirte etwas nachhilft, damit diese schneller gefressen werden.

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Bei infizierten Mäusen äußert sich das, indem sie in Experimenten einen größeren Erkundungsdrang entwickeln, sich weniger vor offenen Flächen fürchten und – besonders fatal – eine ungesunde Anziehung zu Katzenurin entwickeln, dessen Geruch sie normalerweise abschreckt. Kurz: Infizierte Mäuse haben weniger Angst und leben riskanter. Landet der Erreger im Menschen, das zeigen weitere Untersuchungen, könnte das ebenfalls zu risikofreudigeren Verhaltensänderungen führen.
Polnische Medizinwissenschaftler fanden in einer Studie eine erhöhte Neigung Infizierter zu riskantem, potenziell tödlichem Verhalten. Und auch eine halsbrecherische Fahrweise und damit ein erhöhtes Risiko für Verkehrsunfälle könnten laut einer weiteren Studie mit dem Erreger in Verbindung stehen.

Fördert Toxoplasma das Unternehmertum?

All das soll der Erreger beeinflussen, indem er die Produktion von Hormonen und Botenstoffen wie Testosteron oder Dopamin verändert. Das damit einhergehende riskantere Verhalten könnte nach Ansicht der Forscher dazu führen, dass auch die risikoreiche Tätigkeit der Unternehmensgründung häufiger angegangen wird. „Die Infektion könnte die Angst vor dem Scheitern lindern, die unternehmerische Tendenzen in Individuen oft hemmt“, schreiben die Autoren. Toxoplasma könnte Menschen also ins Unternehmertum treiben – wie die Maus zum Katzenurin.

Um diese Idee zu testen, untersuchten die Autoren zunächst, ob mit Toxoplasma infizierte Studenten eher zu einem unternehmerischen Studiengang neigen. Dazu nahmen sie Speichelproben von rund 1500 Studenten, um zu prüfen, ob sie mit dem Parasiten infiziert waren. Dann verglichen sie die jeweils gewählten Hauptfächer zwischen Trägern und Nicht-Trägern des Erregers.

Das Ergebnis: Mit dem Erreger infizierte Teilnehmer waren mit größerer Wahrscheinlichkeit Wirtschaftsstudenten. Und innerhalb der Wirtschaftsstudenten lag die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihren Schwerpunkt auf „Management und Unternehmertum“ gelegt hatten, um 1,7 mal höher als für andere Spezialisierungen. In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher Teilnehmer bei einem Unternehmerkongress. Auch hier konnten sie Belege für ihre These finden: Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Teilnehmer erfolgreich ein Unternehmen gegründet hatte, war für Infizierte 1,8 mal größer als für Nicht-Infizierte.

Außerdem betrachteten Stefanie Johnson und ihre Kollegen weltweite Bevölkerungs- und Infektionsdaten. Auch hier zeigte sich dasselbe Muster: In Ländern mit höheren Infektionsraten hatte die Bevölkerung eine größere Neigung, ein Unternehmen zu gründen. Und es gab weniger Menschen, die Angst vor dem Scheitern als Hinderungsgrund nannten. Zumindest ein Zusammenhang zwischen einer Toxoplasma-Infektion und einem Hang zum Unternehmertum lässt sich aus der Untersuchung also erkennen. Bei monokausalen Erklärungen für eine Eigenschaft mit so vielfältigen Ursachen ist aber Vorsicht geboten. Korrelation ist nicht Kausalität.

Vielleicht sind risikobereitere Menschen gleichzeitig unternehmerischer und neigen stärker zum Verzehr von rohem Fleisch, was die Infektionswahrscheinlichkeit erhöht. Auch ein dritter, hier nicht untersuchter Faktor könnte eine Verbindung zwischen den Beobachtungen herstellen. Oder die Erkenntnisse sind ein statistischer Ausreißer.

Schon heute schlucken manche Jungunternehmer in winzigen Mengen LSD, um kreativer zu sein. Andere Gründer schwören auf den Fertigdrink Soylent, der die Nahrungsaufnahme effizienter gestalten soll. Da wirkt der beherzte Griff ins Katzenstreu ja gar nicht mehr so weit entfernt.

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