Vegane Kosmetik Können Gründer gegen L'Oreal und Co. bestehen?

Hau(p)tsache vegan: Immer mehr Menschen achten auch bei Kosmetika auf die Inhaltsstoffe. Foto: Getty Quelle: obs

Immer mehr Gründer setzen auf vegane oder tierversuchsfreie Kosmetik – der Markt boomt. Doch die Etablierten springen auf den Trend auf. Halten die Start-ups durch?

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Für Elnura Ashimova war eine der unangenehmsten Phasen ihres Lebens gleichzeitig auch eine der erfolgreichsten, denn ohne sie, da ist sich die heute 39-jährige sicher, wäre sie wohl keine Gründerin geworden. Anfang 30 war sie da, machte gerade eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin in Los Angeles – und bekam von einem auf den anderen Tag eine schwere Akne. Sie probierte alle möglichen Kuren aus, zunächst ohne Erfolg.

Am Ende aber wurde sie für ihre Mühen doch noch belohnt, ein naturkosmetisches Mittel gab den Ausschlag. „Ich habe daraufhin sofort meinen Badezimmerschrank entrümpelt und mich von allen konventionellen Marken getrennt“, erzählt sie. Und sie beließ es nicht beim Konsum, begann selbst zu experimentieren – mit dem, was sie im Haushalt fand. „Unter anderem mischte ich ein Peeling mit Kaffeesatz an. Ein Glücksgriff, denn es entpuppte sich als entzündungshemmend und damit ideal für mein Hautproblem.“

Was vor sechs Jahren als Spielerei begann, ist mittlerweile ein Geschäft geworden. Im Mai dieses Jahres brachte Ashimova ihre erste Kosmetikserie „Relove Cosmetics“ auf den Markt. „Beauty Brand mit Gewissen“ nennt die studierte Betriebswirtin und ehemalige Beraterin ihre Marke, denn sie nutzt als Grundlage für ihre Produkte nicht nur Inhaltsstoffe, die sonst im Müll gelandet wären – eine neue Form von Upcycling – sondern setzt zudem auch auf eine vegane, tierversuchsfreie Herstellung.

Diesen Weg geht auch Jenni Baum-Minkus. Die Berlinerin ist Gründerin von „Gitti“, einem Start-up, das sich auf alternative Nagellacke spezialisiert hat, für deren Herstellung auf Inhaltsstoffe verzichtet wird, die als gesundheitsschädigend gelten und und Forschungsberichten zufolge nicht nur den Hormonhaushalt durcheinanderbringen, sondern sogar Krebs auslösen können. Für die Weiterentwicklung der Marke und die Entwicklung neuer Produkte erhielt die 36-Jährige seit der Gründung vor drei Jahren fast zehn Millionen Euro an Investorengeldern.

Beide könnten damit Erfolg haben. Laut einer aktuellen Marktanalyse soll der vegane Kosmetikmarkt bis zum Jahr 2028 weltweit jährlich um rund sechs Prozent wachsen. Als Grund nennen Forscher die stetig steigende Popularität des Veganismus, der nicht länger bei Lebensmitteln ende, sondern längst auch in die Bereiche Schönheit und Körperpflege vorgedrungen sei. „Konsumenten achten immer mehr auf Inhaltsstoffe“, sagt Jenni Baum-Minkus. Und nicht nur das – sie hinterfragten die gesamte Marke viel stärker als früher. Dazu gehöre unter anderem auch der Wunsch nach einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Verpackung. „Immer mehr Kunden fordern Transparenz und suchen gezielt nach Produkten, die frei von Giftstoffen und anderen schädlichen Substanzen sind“, sagt auch Luca Martinelli vom Schweizer Wagniskapitalgeber btov Partners AG, der an beiden Finanzierungsrunden von „Gitti“ beteiligt war.

Die Platzhirsche wehren sich

Doch so eindrücklich der Trend ist, so groß ist inzwischen auf die Konkurrenz. Denn auch die traditionellen Konzerne wollen die veganen Umsätze nicht an sich vorbeigehen lassen. So übernahm der französische Kosmetikkonzern L’Oréal im Jahr 2018 die deutsche Naturkosmetik-Marke Logocos. Ein Kauf, den viele ehemalige Kunden der in Niedersachsen gegründeten Firma gar nicht gut fanden – sie empfanden den Deal als unehrlich. Die Kritik: L’Oréal sei nun am Gewinn der Logocos-Marken beteiligt, lebe aber deren Einstellung nicht – schließlich führe man für andere Produkte immer noch Tierversuche durch.

Auch Luca Martinelli sieht in diesen Bemühungen keine ernsthafte Konkurrenz für Start-ups wie Gitti und Reloved Cosmetics: „Die meisten großen Kosmetikunternehmen haben die Clean Beauty Bewegung zwar erkannt, aber sie haben noch keinen Weg gefunden, sich ihr zu nähern.“ Gründe seien Schwierigkeiten bei der Einführung neuer Produkte aufgrund von Reputationsrisiken sowie ein Mangel an digitalem Know-how und im Kundenkontakt.

Gerade der enge Kontakt zu den Kunden und Kundinnen, glaubt Jenni Baum-Minkus, sei ein wichtiger Pluspunkt: Täglich bekommt ihr Team via Social Media, wo das Start-up mit Hilfe von Influencern stark für sich wirbt, Anfragen: Wo werden die Produkte hergestellt? Was ist drin? Was tut die Firma in Sachen Nachhaltigkeit? Wie geht sie mit ihren Mitarbeitern um?

„Es reicht nicht mehr, dass Produkte gut wirken“, sagt auch Elnura Ashimova. „Unternehmen, die auf dem Kosmetik-Markt langfristig erfolgreich sein wollen, müssen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen.“ Sie selbst jedenfalls nutzt schon seit Jahren keine Produkte mit fragwürdigen Inhaltsstoffen mehr. „ich weiß nicht wann ich zuletzt einen Lippenstift gekauft habe, in dem Karmin enthalten war, also der Farbstoff für den weibliche Schildläuse eingesammelt und ausgekocht werden.“ Bis sich diese Einstellung allerdings auf die breite Masse übertragen habe, werde es noch ein bisschen dauern: „Es ist eine Frage des Preises, denn bessere Inhaltsstoffe, Bio und Fairtrade kosten Geld – und das kann sich nicht jeder leisten.“

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