Von Nebenkostenabrechnung bis Eigentümerversammlung Digitale Hilfe für die unangenehmen Pflichten aller Vermieter

ie Nebenkostenabrechnung ist für viele Mieter die jährliche Hiobsbotschaft. Quelle: imago images

Junge Tech-Firmen wollen vor allem privaten Vermietern und Eigentümern den unangenehmen Teil ihrer Arbeit abnehmen. Sie werben mit tiefem Branchen-Know-how – aber blicken selten über ihr Zimmerchen hinaus.

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Treppenhausreinigung, Kabelanschluss, Warmwasser – und, uff, die Heizkosten: Die Nebenkostenabrechnung ist für viele Mieter die jährliche Hiobsbotschaft. Und auch bei Vermietern ist sie höchst unbeliebt. Wechselnde Rechtsgrundlagen, Mieter und Energiepreise sorgen dafür, dass schon für eine Zwei-Zimmer-Wohnung viel Arbeit anfallen kann.

Dabei erhalten 81 Prozent aller Abrechnungen Mängel, will das Start-up Objego im März herausgefunden haben, nachdem es 20.000 Nebenkostenabrechnungen ausgewertet hat. „Es ist eine sehr schöne Sache, wenn man eine Immobilie hat – aber es gibt viele Anforderungen, die das Besitzen nicht unbedingt angenehmer machen“, sagt Philip Rodowski, Geschäftsführer von Objego. Das 2020 gegründete Unternehmen hat eine Software gebaut, die privaten Vermietern einiges an Arbeit nehmen soll. Dazu gehört ein digitaler Speicher von Mietverträgen, eine Schnittstelle zum Konto, eine automatisierte Erstellung der Nebenkosten. Und sogar die Informationen für die Anlage V der Steuererklärung soll das Programm mit wenigen Klicks bereitstellen.

Erbengeneration Smartphone sucht neue Software

Das junge Essener Start-up ist damit bei weitem nicht das einzige Tech-Unternehmen, dass sich auf den Markt der privaten Immobilieneigentümer und Vermieter stürzt. Gegen eine monatliche oder jährliche Software-Miete wollen Gründer am Immobilienboom der vergangenen Jahre partizipieren. Zum einen stieg die Zahl derer, die eine Wohnung zur Kapitalanlage gekauft haben. Zum anderen gehören immer mehr der Eigentümer zur Generation Smartphone: „Zum Teil übernimmt jetzt die Erbengeneration die Immobilien, die haben ganz andere Anforderungen an die Verwaltung“, sagt Rodowski.

von Philipp Frohn, Jacqueline Goebel, Niklas Hoyer, Ben Mendelson

Doch die Konkurrenz ist groß – und der Markt zersplittert. Um die Nebenkostenabrechnung kümmern sich etwa auch Immocloud aus Essen oder das Berliner Start-up Vermietet.de, das vor einem Jahr von Scout24 übernommen wurde. Mit einem vergleichbaren Konzept tritt Hellohousing, ebenfalls aus Berlin, an. Im vergangenen Jahr hat sich das französische Start-up Matera auf den deutschen Markt gewagt: Hier geht es darum, die Wohneigentümergemeinschaft zu digitalisieren – denn die meisten Besitzer müssen neben der eigenen Wohnung ja noch das Miteinander in einer Immobilie organisieren.

Seit vielen Jahren gibt es zwar Programme, die bei der Immobilienverwaltung des Betongolds mit Excel-Vorlagen oder Datenbanken helfen. Doch Experten sehen Potenzial für die die zusätzlichen Mitstreiter auf dem Markt: „Gerade Start-up-Angebote sind für kleinere Vermieter und Eigentümer spannend, weil sie nicht so mächtig oder kostenintensiv sind wie große, eher monolithische Software-Systeme“, sagt Heiko Gsell, Inhaber der Aareon-Stiftungsprofessur für Wirtschaftsinformatik an der EBZ Business School, einer auf die Immobilienwirtschaft spezialisierten Hochschule aus Bochum.

App nimmt den Druck aus der Eigentümerversammlung

Tatsächlich starten viele der jungen Tech-Firmen bewusst mit einem sehr klar abgegrenzten Bereich. Matera etwa richtet sich an Wohneigentümergemeinschaften, bei denen zumindest einige der Eigentümer in oder nahe dem Objekt wohnen. Dank der Software sollen sie dann ohne viel Mehraufwand die Rolle eines externen Hausverwalters übernehmen. Häufig sind das besonders engagierte Eigentümer: „Sie kümmern sich heute schon ein paar Stunden im Monat um das Haus, nur laufen ihre Bemühungen mit einem externen Verwalter oftmals in die Leere“, sagt Gero Graf, der das Deutschlandgeschäft von Matera leitet. Das Programm hilft bei der sauberen Aufteilung der Immobilienkosten, dem einfacheren Kontakt zu Dienstleistern und vor allem der regelmäßigen Kommunikation zwischen den Eigentümern. Man könne sich einfacher und schneller über die App austauschen, sagt Graf. „So verhindert man den großen Knall auf der Eigentümerversammlung.“

Dabei setzt das Start-up auf eine Mischung aus digitalen Tools und Helfern im Hintergrund. Neben der Software hat Graf im ersten halben Jahr ein Team von 20 Mitarbeitern aufgebaut. Darunter Bausachverständige und Juristen, die bei Fragen der Nebenbei-Verwalter bereitstehen. Durch das gebündelte Team will man mehr bieten als die Fünf-Mann-Hausverwaltungen, die sich in vielen Städten finden. Das solle zum einen den Eigentümern helfen, durch komplizierte Fragen wie die Reformen der Grundsteuer des Wohneigentumsgesetzes zu navigieren. Zum anderen sei es immer schwieriger, überhaupt gute externe Hausverwalter zu finden, so Graf. „In manchen Städten sterben die alten Verwalter geradezu aus“, sagt der Geschäftsführer. „Und die, die bleiben, verlangen teilweise horrende Preise für verhältnismäßig wenig Service.“

Während Matera eher Software zur Selbsthilfe anbietet, fokussieren Anbieter wie Casavi auf die professionellen Hausverwalter – und wollen denen mit Software das Leben leichter machen. Home aus Berlin setzt auf besonders bequeme Eigentümer und übernimmt gleich die gesamte Wohnung samt Mieterkontakt, Verwaltung und „Reparaturmanagement“-Flatrate. Plentific aus Großbritannien sieht sich als IT-Helfer für große Wohnungskonzerne. „Natürlich wäre es sinnvoll, alles aus einer Hand anzubieten“, sagt Graf, „aber in dem aktuellen Modell können wir eine große Tiefe anbieten“.

Eine umfassende Plattform würde vom Energieversorger und Handwerker über die Eigentümer bis zu den Mieter reichen. Dabei gebe es gerade bei den Schnittstellen noch Entwicklungspotenzial, urteilt Wissenschaftler Gsell. Je stärker jedoch die Anforderungen zunehmen – der CO2-Preis lässt grüßen – desto mehr Sinn macht eine wirklich komplett verknüpfte Plattform. „Wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen verschärfen, kann der Leidensdruck steigen und die Notwendigkeit einer Integration von Softwarelösungen über standardisierte Schnittstellen zunehmen“, so Gsell.

Start-ups sind auf Kundensuche

Bis dahin stehen die Software-Start-ups vor einem viel trivialeren Problem: Sie müssen ihr Angebot erst einmal bekannt machen. „Wenn es um den Markt der Wohnimmobilien geht, kann es für Start-ups ein hoher Aufwand sein, die breite Masse zu erreichen“, sagt Gsell. Bis zu 500 Eigentümergemeinschaften will Matera bis zum Jahresende erreichen, besonders erfolgreich ist man aktuell in den Speckgürteln rund um Städte wie Stuttgart oder München.

Doch selbst wenn der Wunsch nach digitalen Lösungen bei Vermietern und Eigentümern zunimmt, müssen die Anbieter zunächst gefunden werden. Und dann mit Preis und Produkt punkten. Viele etablierte Software-Anbieter kooperieren bereits seit Jahren mit Vereinen wie „Haus & Grund“, Sonderkonditionen für Mitglieder inklusive. Auch die Start-ups suchen den Kontakt zu Verbänden. Und gehen manchmal sogar besonders ungewöhnliche Wege.

Etwa die kostenlose Bereitstellung der Software: Man habe die Monetarisierung nach hinten gestellt, „um uns voll auf das Wachstum und die Anforderungen unserer Kunden zu konzentrieren“, sagt Objego-Geschäftsführer Rodowski. Erst zum Jahreswechsel will das Start-up wieder Lizenzgebühren von seinen Nutzern verlangen. Diese kostspielige Marketingaktion wird durch zwei solvente Gesellschafter ermöglicht: Hinter Objego stehen der Energiedienstleister Ista sowie die Aareal Bank.

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