
Eltern kleiner Kinder sollten an einem der nächsten Abende unbedingt einen Babysitter organisieren. Denn im Kino läuft jetzt ein besonders sehenswerter Film speziell für sie. „Frau Müller muss weg!“ heißt er. Bei Regisseur Sönke Wortmann („Der bewegte Mann“, „Das Wunder von Bern“) gibt es viel zu lachen, aber sein Thema ist höchst brisant.
Drei Frauen und zwei Männer mittleren Alters treffen sich an der Grundschule ihrer Kinder mit deren Klassenlehrerin, Frau Müller (Gabriela Maria Schmeide), zum Elternabend. Die „Mama von Fritz“ (Alwara Höfels) hat für Müller einen Blumenstrauß dabei. Doch das ist die einzige Freundlichkeit. Die resolute „Mama von Laura“ (Anke Engelke in Bestform!) kommt schnell zur Sache. Frau Müller soll die Klasse abgeben, weil die Eltern kein Vertrauen mehr in „Ihre pädagogischen Fähigkeiten“ hätten. Vielleicht habe sie ja ohnehin einen Burnout, assistiert der „Papa von Lukas“ (Ken Duken), dessen Frau vor Sorge um den armen, ausgegrenzten, aber zweifellos hochbegabten Lukas stets den Tränen nah ist.





Die Pädagogik, das ist längst klar, interessiert die Eltern nur deshalb, weil ihre Kinder in die vierte Klasse gehen und möglicherweise wegen zu schwacher Noten nicht den Sprung aufs Gymnasium zu schaffen. Diese Aussicht macht die Mamas und Papas panisch. „In drei Monaten gibt’s Übergangszeugnisse. Dann hat diese unfähige Kuh unsern Kindern endgültig die Zukunft versaut“, echauffiert sich der „Papa von Janine“ (Justus von Dohnanyi).
Müller platzt daraufhin der Kragen. Sie eröffnet den staunenden Eltern einige unbequeme Wahrheiten über den Nachwuchs: Lukas zum Beispiel ist kein ausgegrenzter Hochbegabter, sondern trotz Mamas Tofu-Würstchen ein prügelnder Rabauke. Wutentbrannt verlässt sie das Klassenzimmer. Doch sie hat ihre Tasche vergessen - inklusive der Notenliste - und die Eltern wollen ihren Abschuss unbedingt schnell hinter sich bringen. Bei der Suche nach Frau Müller lernen die Eltern sich nun gegenseitig allzu gut kennen. Und als Frau Müller dann zurückkommt, endet der Abend ganz anders, als er gedacht war.
Was Wortmann im Stil eines Kammerspiels aufführt – der Film ist eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Lutz Hübner und spielt nahezu in Echtzeit fast ausschließlich innerhalb der Grundschule – , ist ein authentisches Sittengemälde der Elternschaft im Zeitalter der PISA-Ideologie. Die Schule als Brennpunkt, an dem sich die übersteigerten Ängste moderner Eltern in der Wettbewerbsgesellschaft bündeln. Haltloser Menschen, deren einzige Gewissheit zwischen zerbrechlichen Liebesbeziehungen und drohendem Burnout die fanatische Sorge um die Zukunft des eigenen Kindes ist.