Kein Geld, kein Erasmus, keine Praktika Bye Bye Oxford – sind britische Unis der falsche Karriereweg?

 Immer weniger EU-Bürger gehen zum Studieren nach Großbritannien. Quelle: REUTERS

Seit dem Brexit sind britische Unis für EU-Bürger kaum noch eine Option. Die Zahl der Bewerbungen sinkt weiter, Studenten aus China und Indien schließen die Lücke. Das hat vor allem drei Gründe.

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Ob aus Deutschland, Delaware oder Dschibuti – wer im Vereinigten Königreich studieren will, braucht viel Geld. 13.000 bis 58.000 Euro kostet ein Studienjahr, ganz gleich, woher man kommt. Seit dem Brexit zahlen auch EU-Bürger diese Gebühr für Aufenthalte an einer der angesehenen britischen Fakultäten. An der Universität zu Köln zahlen Studenten 309,15 Euro für das gesamte Wintersemester – in London mindestens pro Woche.

In der Übergangsphase nach dem Brexit bekamen Deutsche, Franzosen und Italiener zwar weiterhin privilegierten Zugang und Nachlässe. Die Zahl der Bewerbungen ist aber seit 2020 drastisch eingebrochen, wie aktuelle Zahlen der Vergabestelle UCAS belegen. Die Zahl der Bewerber aus EU-Ländern hat sich seit 2020 mehr als halbiert, auf 24.000 in diesem Jahr.

Es ist der erwartete Effekt des vor knapp drei Jahren in Kraft getretenen Brexits. Die Beziehungen zum europäischen Festland sind auch auf akademischer Ebene deutlich komplizierter geworden. „Die stark gestiegenen Studiengebühren der exzellenten und weiterhin weltweit sehr beliebten britischen Universitäten machen europäischen Studieninteressierten zu schaffen“, heißt es beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Für Studenten ist ein Aufenthalt im Königreich unerschwinglich geworden. Das hat vor allem drei Gründe.

Weniger als die Hälfte der EU-Bewerber bekommt einen Studienplatz

Der erste und naheliegendste sind die Studiengebühren, die mit Zehntausenden Euro zu Buche schlagen. Damit zusammen hängt der Austritt aus dem Erasmus-Programm, das Studenten ein Semester oder mehr im europäischen Ausland erheblich mitfinanziert. Die gegenseitigen Erlasse zwischen Großbritannien und den europäischen Ländern fallen weg. Und zwar im März 2023 auch endgültig. Punkt drei: Praktika. Viele Studenten, die auf die Insel kamen, arbeiteten, ebenfalls im Rahmen von Erasmus, parallel bei einem britischen Unternehmen oder an einem Forschungsinstitut, um praktische Erfahrungen im Gastland zu sammeln. Für diese Praktika, erklärt ein DAAD-Sprecher, „gibt es weiterhin keine Visakategorie, diese Mobilität ist also leider nicht mehr möglich“. Der Antrag für ein Visum, um überhaupt ins Land zu dürfen, kostet knapp 420 Euro.

Der DAAD hat auf die gestiegenen Kosten für Studenten reagiert. Masterstipendiaten bekämen mittlerweile bis zu 18.000 Euro Zuschuss zu den Studiengebühren. „Die deutschen Hochschulen suchen weiterhin mit ihren britischen Partnerinstitutionen nach Wegen für eine einfache Mobilität von Studenten, zumeist über bilaterale Verträge“, sagt der DAAD-Sprecher.

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Die Abkehr europäischer Studenten vom Königreich scheint jedoch unaufhaltsam. Die Zahl der Bewerber aus EU-Ländern ist von gut 52.200 auf 24.000 gesunken. Auch der Anteil der Zulassungen an den Bewerbungen weist einen negativen Trend auf. 2020 waren es noch 32.000 EU-Bürger, die einen Studienplatz bekamen, also etwa 61 Prozent, in diesem Jahr weniger als die Hälfte. 2020 entfiel noch ein gutes Drittel der internationalen Bewerbungen auf EU-Länder, jetzt liegt deren Anteil nur noch bei 16 Prozent.

Zwischen den einzelnen EU-Ländern gibt es dabei deutliche Unterschiede, hat DAAD-Experte Jan Kercher festgestellt. In osteuropäischen Staaten sind die Zahlen seit 2020 überdurchschnittlich zurückgegangen, in Litauen sogar um 87 Prozent. In den meisten westeuropäischen Ländern sind sie unterdurchschnittlich bis durchschnittlich gesunken, in Deutschland um 43 Prozent. Eine Erklärung für diese Abweichungen hat der DAAD nicht. Kercher betont aber, dass der Rückgang des Interesses deutscher Studenten im EU-Vergleich unterdurchschnittlich ausfällt und die Unis weiterhin großes Ansehen genießen.

Züricher Unis steigen in der Gunst von Personalern

Zumindest etwas anders sehen das die Personaler in Deutschland. Im diesjährigen Uniranking der WirtschaftsWoche, für das die Beratungsagentur Universum Personaler auch nach den europäischen Hochschulen fragt, von denen sie am liebsten rekrutieren, haben die Unis Oxford und Cambridge sowie die London School of Economics (LSE) und das Imperial College nur leicht an Attraktivität eingebüßt. Die LSE verlor im Vergleich zu 2021 2,6 Prozentpunkte. Neben den britischen Unis gehörten auch die Züricher schon immer zu den gefragtesten. In diesem Jahr zog die ETH Zürich an der LSE vorbei auf Platz drei. Die Universität Zürich legte prozentual zwar nur leicht zu, profitierte aber von den Einbußen der Londoner Konkurrenz und landete erstmals in den Top 5.

Dass die britischen Unis an Renommee verlieren und Absolventen aus Deutschland und der EU künftig weniger als Booster für die eigene Karriere dienen, ist eher unwahrscheinlich. Der DAAD teilt mit, die britischen Hochschulen seien „weltweit weiterhin äußerst beliebt und geschätzt. Wir erwarten, dass dies zumindest in naher Zukunft auch so bleibt.“ Nur leisten können werden sie sich vor allem wohlhabendere Studenten.

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Die kommen nun verstärkt aus China und Indien. Die Bewerberzahlen an den britischen Universitäten insgesamt sinken nicht, sondern steigen. „Das Vereinigte Königreich erlebt aktuell einen Nachfrageboom von Nicht-EU-Studenten“, sagt Chris Kirk, Direktor von UCAS International.

Das federt ein großes Problem des Wissenschaftsbetriebs zumindest ab. Denn trotz der hohen Gebühren haben die Hochschulen riesige Finanzierungslücken. Es rumort gewaltig. Im November protestierten Zehntausende an 150 Unis im Königreich gegen schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen.

Die Unis stecken in großen Finanzierungsproblemen. Die besten der renommierten britischen Institute fangen Engpässe zwar durch die Gebühren von Studenten etwa aus China und Indien auf, die deutlich mehr zahlen als vormals die vom europäischen Festland. Doch die Organisation Universities UK geht davon aus, dass die Finanzierung insgesamt inflationsbereinigt auf das niedrigste Niveau seit mehr als 100 Jahren fällt.

Das System sei „hoffnungslos überstrapaziert“ und abhängig von Gebührenzahlern aus dem Ausland, sagte die Professorin Karin Lesnik-Oberstein von der Universität Reading der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Überlegungen der Regierung vor wenigen Tagen, die Visabestimmungen zu verschärfen und damit die Zahl der Zulassungen ausländischer Studenten zu beschränken, verschlechterte die Stimmung weiter. Die Beiträge seien angesichts der seit langem zurückgehenden Mittel für Lehrpersonal essenziell, betonte die Vorsitzende von Universities UK, Vivienne Stern. Eine solche Beschränkung würde der Strategie der Regierung, die Wirtschaft wieder aufzubauen, „direkt zuwiderlaufen“.

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Laut DAAD waren die britischen Hochschulen „ganz überwiegend gegen den Brexit“. Jetzt müssen sie mit der politischen Realität leben – und sind mehr denn je abhängig von den Gebühren der ausländischen Gäste. Chris Kirk von der Vergabestelle sagt, die Akteure im Hochschulsektor wollten „Studenten aus der EU nicht den Rücken kehren“, sondern mehr tun, um sie zurückzuholen und den Trend zu stoppen. Um die Kosten für EU-Studenten zu drücken, müssen allerdings mühsam bilaterale Lösungen gefunden oder Stipendien eingelöst werden. Denn einfach die Gebühren zu erlassen – das können sich die Unis nicht leisten.

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