Auswahl per Algorithmus Bewerber finden KI okay – wenn sie ihnen nützt

Vorstellungsgespräch bei einem Roboter? Lieber nicht! Quelle: imago images

Eine Umfrage zeigt, wie wenig Berührungspunkte Bewerber bisher mit künstlicher Intelligenz haben. Entsprechend unkonkret sind ihre Vorstellungen, wie Algorithmen den Auswahlprozess beeinflussen können.

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Künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess ist eines der vielleicht umstrittensten Themen im Personalwesen. Dass algorithmengesteuerte Prozesse nach und nach einen Teil der Arbeit von Personalern übernehmen, gilt zwar als sicher. Wie und wann genau – da existiert bisher noch viel Unsicherheit. Groß ist auch die Abwehrhaltung seitens der Menschen, die dann nicht mehr die alleinige Entscheidungsmacht haben - beziehungsweise derer, die von Maschinen ausgewählt werden sollen.

Was Bewerber beim Thema KI umtreibt und wie stark gefühlte und tatsächliche Kenntnisse zum Teil auseinanderliegen, zeigt nun eine Umfrage unter 1008 Arbeitnehmern im Alter von 18 bis 69 Jahren. Das Marktforschungsunternehmen Respondi befragte sie im Auftrag von Viasto, einem in Berlin ansässigen Unternehmen für Video-Recruiting-Lösungen. Erste Erkenntnis: Zwei Drittel (67 Prozent) fühlen sich schlecht oder gar nicht auf die digitalen Veränderungsprozesse rund um Jobsuche und Bewerbung vorbereitet.

Das ist auch kein Wunder: Nur gut 14 Prozent der Befragten gaben an, im Bewerbungsprozess bereits mit künstlicher Intelligenz in Berührung gekommen zu sein. Die Erfahrung mit KI ist spärlich, das Wissen darüber kaum größer. Knapp 40 Prozent gehen überhaupt davon aus, dass KI bei der Personalauswahl bereits eine Rolle spielt, während nur jeder vierte glaubt, davon auch persönlich profitieren zu können. Die Skepsis überwiegt vorerst – 47 Prozent äußern grundsätzlich Zweifel. Immerhin 26 Prozent sagen aber auch, sie seien gegenüber KI im Auswahlprozess aufgeschlossen.

Künstliche Intelligenz verorten die Befragten mehrheitlich in anderen Bereichen als im Personalwesen. So sind sie sich einig, dass Algorithmen eine wichtige Rolle spielen für Autos und Verkehr (86,5 Prozent glauben dies), in der Medizin (81 Prozent), der Raumfahrt (87 Prozent) oder bei der Wettervorhersage (68 Prozent) – obwohl sie auch hier bisher kaum eigene Berührungspunkte hatten. Doch selbst in diesen Bereichen ist der Glaube an den persönlichen Nutzen geringer ausgeprägt, konkrete eigene Erfahrungen ebenso gering bis kaum vorhanden.

Wenn Personalabteilungen Bewerber vom Nutzen KI-gesteuerter Auswahlverfahren überzeugen wollen, bleibt nur eines: erklären, was genau KI macht. Gefragt danach, wie sie es fänden, wenn Algorithmen den ideal zu ihren Fähigkeiten passenden Job finden würden, zeigten sich die Befragten schon deutlich aufgeschlossener. 14,5 Prozent bewerteten dies als „sehr positiv“, 52 Prozent als „positiv“ – zusammengenommen sind das zwei Drittel der Befragten. Unter den jungen Menschen zwischen 18 und 29 reagierten sogar mehr als 78 Prozent positiv auf das Szenario.

Zuspruch findet auch die Aussicht, dass Algorithmen Kollegen finden könnten, die entweder die eigenen Fähigkeiten ergänzen oder zur eigenen Persönlichkeit passen. Mehr als 60 Prozent waren jeweils der Ansicht, dies sei positiv oder sogar sehr positiv. Auch den „idealen Vorgesetzten“ auf Basis einer KI-gesteuerten Suche würden rund 60 Prozent akzeptieren.

Strenggenommen muss man zwischen künstlicher Intelligenz und Algorithmen in Bewerbungsprozessen unterscheiden – nicht jeder Algorithmus ist schon KI. Während es noch sehr wenige Anwendungsbereiche von selbstständig „denkender“ und Entscheidungen fällender KI gibt, helfen Algorithmen bereits bei Jobsuchmaschinen oder in Online-Bewerbungsabläufen großer Unternehmen mit einer großen Menge an Interessenten.

In die Kategorie KI fällt, wenn Computer Stimme, Mimik und Gestik von Bewerbern analysieren und daraus Rückschlüsse auf deren Fähigkeiten und Persönlichkeit ziehen. Diese Techniken kommen bislang nur spärlich zum Einsatz. Die Befragten konnten hierzu auf einer Skala von -3 bis 3 angeben, ob sie dies zum Beispiel langweilig oder spannend, abschreckend oder anziehend, klar oder verwirrend finden. Zwar wählten bei den vielen Begriffspaaren die meisten immer die neutrale 0, erkennbar ist dennoch: Eine Analyse auf Basis von Stimme, Mimik und Gestik empfinden offenbar viele als gar nicht so abschreckend. Ungefähr jeder fünfte entschied sich zwar für eher abschreckend, mehr als die Hälfte aber urteilte gegenteilig.

Für nützlich halten viele Befragte, dass KI – so ja auch das häufigste Argument von Befürwortern – menschlichen Entscheidungen bei der Personalauswahl mehr Objektivität verleihe. Mehr als die Hälfte sieht das so. Etwa jeder dritte findet das allerdings auch ein wenig abschreckend.

Gefragt danach, wie KI und Algorithmen im Bewerbungsprozess am besten genutzt werden sollten, zeigen die Antworten der Befragten ein uneinheitliches Bild. Klar ist nur: Eine vollautomatisierte Personalauswahl will fast niemand – 3,6 Prozent nur halten das für angebracht. Knapp 16 Prozent finden, KI sollte den Personalern Empfehlungen geben, die diese noch final „absegnen“. 29 Prozent sehen eine quasi gleichberechtigte Auswahl von KI und Mensch, wobei der Mensch das letzte Wort haben sollte. 30,5 Prozent finden, der Mensch solle gezielt und nach eigenem Ermessen KI einsetzen, um eigene Fehler zu verringern. Jeder Fünfte (21 Prozent) ist weiterhin der Meinung: KI hat in keinem Aspekt der Personalauswahl etwas verloren.

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