
WirtschaftsWoche: Wenn man sich die zahlreichen Veröffentlichungen und Ratgeber rund um Vorstellungsgespräche anschaut, entsteht beinahe der Eindruck, es herrsche Krieg zwischen Personalern und Bewerbern: Die einen wollen unbedingt den Job, die anderen wollen sie unbedingt daran hindern. Zur Not mit unlösbaren Aufgaben...
Thomas Belker: Mich erstaunt, dass bei Bewerbern der Eindruck entsteht, es herrsche ein Krieg. Krieg würde ja bedeuten, dass es hinterher Gewinner und Verlierer gibt. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, den geeigneten Bewerber zu finden und je nach Position ist das auch nicht immer einfach.
Heißt: die Bewerber können ganz entspannt sein.
Jedes Bewerbungsgespräch ist subjektiv mit Stress verbunden, das geht auch Erfahrenen so. Wenn ich mich jetzt bewerben würde, wäre ich auch nervös. Man würde es mir vielleicht nicht anmerken, aber ich wäre nervös. Das ist wie mit Schauspielern, die auch vor der 50. Aufführung eines Stückes noch Lampenfieber haben. Aber das Lampenfieber hilft, sich zu konzentrieren. Stress sollte also sein, aber eben positiver Stress. Angst hat in einem Vorstellungsgespräch nichts zu suchen.

Wenn sich der Bewerber oder die Bewerberin aber so verrückt gemacht hat...
Dazu lernen Interviewer entsprechende Techniken, um Ängste abzubauen, wie zum Beispiel eine Warmup-Phase, in der man sich kennen lernt und ein paar lockere Fragen stellt. Wenn man da miteinander lachen kann, ist das Eis schon gebrochen.
Stichwort Aufwärmphase: In vielen Ratgebern heißt es "Bloß das angebotene Getränk nicht annehmen" - sonst wirke man gierig. Auch die Wahl zwischen Kaffee oder Tee verrate angeblich einiges. Steckt hinter diesem Willkommensgruß die erste Falle?
Wenn wir Kaffee anbieten, ist das reine Freundlichkeit. Das ist kein Test oder etwas ähnliches. Auch das angebotene Wasser ist ernst gemeint. Man unterhält sich ja vielleicht auch eine Stunde lang, da braucht man zwischendrin einfach einen Schluck Wasser.
Dieses Verhalten nervt die Personaler
Zu spät kommen beim Vorstellungsgespräch ist ein absolutes Tabu. Doch auch umgekehrt machen Bewerber keinen guten Eindruck: Wer zu früh kommt, setzt nämlich sowohl die potenziellen zukünftigen Chefs als auch die Personaler unter Druck. Wer also in seiner Nervosität zu früh losgefahren ist, sollte besser noch eine Runde im Park spazieren gehen oder irgendwo einen Kaffee trinken, anstatt zu früh auf der Matte zu stehen.
Egal wie locker die Gesprächsrunde ist, in der ein Bewerber sitzt: Es ist nicht der Stammtisch oder das Kaffeekränzchen mit der Familien. Private Anekdötchen haben hier nichts zu suchen.
Natürlich wollen und müssen Bewerber bestens vorbereitet sein. Wenn aber die klassischen Antworten "Meine größte Schwäche? Ich arbeite zu hart" - wie aus der Pistole geschossen kommen, wirkt das nicht vorbereitet, sondern schlicht unnatürlich und unsympathisch.
Frag nicht, was du für das Unternehmen tun kannst, sondern was das Unternehmen für dich tun kann? Natürlich hat ein Bewerber das Recht, nach Gehalt, Sonderleistungen und Urlaubstagen zu fragen. Nur bitte nicht als erstes und nicht ausschließlich.
Fragen zu stellen, ist allerdings angebracht. Falls Ihr Gegenüber also fragt, ob noch Klärungsbedarf besteht, sollte die Antwort darauf nicht “Nö” lauten.
Der letzte Eindruck zählt. Soll heißen: Achten Sie darauf, sich angemessen von Ihrem Gesprächspartner zu verabschieden. Bedanken Sie sich also und bieten Sie an, bei Rückfragen jederzeit zur Verfügung zu stehen. Auch wenn es selbstverständlich ist, wirkt das Angebot zuvorkommend und zeigt, dass Sie Interesse haben.
Jeder macht Fehler. Also geben Sie auch nicht in einem Bewerbungsgespräch vor, ein Perfektionist zu sein. Das wirkt allenfalls arrogant, aber keineswegs beeindruckend.
Klar müssen sich Bewerber beim Vorstellungsgespräch möglichst gut verkaufen - Helden und Supermänner fallen dagegen negativ auf. Der Typus "Kann alles, weiß alles, trotzdem immer sehr bescheiden" ist weder bei Personalern noch bei Kollegen gut gelitten.
Das gleiche gilt für arrogante Kandidaten, die dem Unternehmen mit ihrer Bewerbung quasi einen riesigen Gefallen tun und den Job sowieso schon sicher haben. Nur der dumme Personaler weiß das noch nicht...
Wer seine Bewerbung nicht selbst geschrieben hat, gar kein Spanisch kann und auch nicht studiert hat, sollte dem Personaler wenigstens die kleine Freude machen, es ihn selbst herausfinden zu lassen. Typen, die im Vorstellungsgespräch mitteilen, was sie alles nicht können und wo sie überall bei ihrem Lebenslauf getrickst haben, bekommen den Job nämlich genauso wenig wie Angeber.
Gleiches gilt für Bewerber, die reichlich verfeiert wirken, vielleicht sogar noch nach Alkohol riechen und deren größtes Interesse Urlaubszeiten, Sabbaticals und Überstundenregelungen gilt.
"Ich....ähm.... also...wie war doch die Frage gleich?" Unternehmen, die keine Stelle für einen zerstreuten bis zerstörten Professor ausgeschrieben haben, suchen in der Regel auch keinen.
Ebenfalls unbeliebt sind Menschen, die aus der Antwort auf die Begrüßung "Erzählen Sie uns etwas von sich" einen zweistündigen Monolog machen. Die Vertreter dieses Bewerbertyps neigen auch dazu, beim Lebenslauf bei der eigenen Zeugung zu beginnen.
Genauso nervig sind schüchterne Schweiger, denen der Personaler alles aus der Nase ziehen muss. Wie introvertierte Menschen Vorstellungsgespräche dennoch heil überstehen, lesen Sie übrigens hier.
Außerdem ist das Vorstellungsgespräch keine Gelegenheit, den Partner fürs Leben zu treffen. Bewerber, die den Personaler oder Abteilungsleiter anflirten oder vielleicht sogar anfassen, können sich den Job definitiv abschminken.
Ebenfalls ein No-Go ist Aggressivität. Bewerber, die auf provokante Fragen oder niedrige Gehaltsangebote aggressiv oder schnippisch reagieren, sind sofort raus.
Es gibt eine ganze Reiher von Ratgebern, die sich nur mit dem Thema Vorstellungsgespräch, der richtigen Kleidung, dem richtigen Verhalten und den richtigen Antworten befassen. Taugen die was?
Ratgeber rund um Vorstellungsgespräche sind ein richtiger Markt geworden. Natürlich muss man sich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereiten. Aber muss man dafür einen Ratgeber gelesen haben? In der Regel nein. Es gibt Ausnahmen, in der Regel ist es aber nicht notwendig.
Welche Berufsgruppen brauchen denn einen Bewerbungsratgeber?
Die großen Strategieberatungen haben diese sogenannten Brainteaser-Fragen – wie viele Smarties passen in einen Bus – entwickelt, um unter den Bewerbern der internationalen Elite-Unis die besten Kandidaten für höhere Positionen in der Beratung zu identifizieren. Dabei geht es darum, mathematische Kompetenzen abzufragen, herauszufinden, ob die Kandidaten „out of the box“ denken können, wie es so schön heißt, und wie sie reagieren, wenn sie nicht sofort eine Antwort auf eine Frage haben. Bei der Beantwortung dieser Art von Fragen sollen sich die angehenden Unternehmensberater sich mathematisch an eine Lösung herantasten und dann eine kreative Schlussantwort finden.