Wird es in Zukunft noch Stellenanzeigen geben, wie man sie aus Zeitungen oder dem Internet kennt? Oder werden andere Rekrutierungsmodelle an ihre Stelle treten? Und vor allem: Was müssen Unternehmen tun, damit sich die gute alte Stellenanzeige aus lauter Belanglosigkeit nicht selbst abschafft? Diesen Fragen ging im November und Dezember 2017 eine Umfrage von Softgarden nach, eine Berliner Firma, die unter anderem Studien zur Jobsuche aus Bewerbersicht durchführt. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen WirtschaftsWoche Online vorab vor.
Die erste Frage beantwortet die Umfrage klar: Mehr als 84 Prozent der rund 2100 Befragten, die sich zum Fragezeitpunkt in Bewerbungsprozessen befanden, sind nicht der Meinung, dass die klassische Stellenanzeige ausgedient hat. Gleichzeitig konnte sich aber jeder zweite (49 Prozent) vorstellen, auch ohne Stellenanzeige eine Bewerbung abzusetzen.
Knapp jeder vierte (22,7 Prozent) widersprach wiederum vehement der Aussage, dass Stellenanzeigen in wenigen Jahren der Vergangenheit angehören werden. Die Teilnehmer waren zu rund 42 Prozent Berufstätige, 32 Prozent Arbeitssuchende und 15 Prozent Studierende.
Diese ersten Aussagen offenbaren ein ambivalentes Verhältnis zu Stellenanzeigen. Das wird noch deutlicher bei den Meinungsäußerungen der Bewerber, die sie in Freitextfeldern hinterließen. Die meisten der 550 vom Fragenkatalog abgewichenen Aussagen beschreiben eine Zukunft mit einem stark veränderten Standard bei Stellenanzeigen. Das betrifft Erscheinungsform und -ort (mehr online und in spezialisierten Apps) sowie die Stellenbeschreibungen (umfangreicher und spezialisierter).
Stark vertreten ist die Sicht, dass Arbeitgeber in Zukunft stärker ihre eigenen Vorzüge darstellen müssen, um interessante Kandidaten anzusprechen. Nach allgemeiner Auffassung sollen die Stellenanzeigen deutlich bewerberorientierter werden. Diejenigen, die das Ende der Stellenanzeige vorhersagen, erwarten Bewerber- und Rekrutierungsplattformen nach Vorbild von Datingportalen.
Wenig Vertrauen in Stellenanzeigen
Die Schwäche der üblichen Stellenanzeigen offenbart sich in der Einschätzung der Bewerber zu deren Inhalt. Nur 15,6 Prozent sagen, sie vertrauten den Aussagen in den Annoncen voll und ganz. 17,3 Prozent vertrauen den Beschreibungen nicht.
Nach eigenen Erfahrungen der Befragten klaffen Anspruch und Wirklichkeit zwischen Jobbeschreibung und realer Stelle relativ häufig auseinander. Zwar geben mehr als 42 Prozent an, bei ihnen habe es beim letzten Mal zusammengepasst. Ebenso viele sind aber der Ansicht, dass es nicht zusammenpasste – und die Stelle zuvor schöngeredet worden sei. Nur bei 5 Prozent gab es eine positive Überraschung: Die Stelle war tatsächlich besser, als beim Lesen der Anzeige erwartet.
"Bewirb dich bei uns" - Müssen Sie den Personaler jetzt siezen oder duzen?
Deutsche Bewerber stecken in der Klemme, wenn sie immer häufiger in Stellenanzeigen geduzt werden. „Hast Du Lust, in einem dynamischen Team zu arbeiten? Dann bewirb Dich bei uns!“ Wie antworten Sie in diesem Fall professionell und angemessen? Eins vorweg: Richtig oder falsch gibt es nicht, wohl aber verschiedene Möglichkeiten.
Quelle: Careerbuilder
Wer geduzt wird, kann zurückduzen: „Liebe Petra, ich würde mich freuen, wenn ich mich bei Euch persönlich vorstellen darf.“ Eine Ausnahme gibt es aber: Wenn es sich um eine Stellenanzeige zum Beispiel für ein Praktikum oder eine Berufsausbildung handelt, die sich ganz konkret an Schüler und Jugendliche richtet, sollten diese den Personaler trotzdem konventionell siezen. Die Ansprache per „Du“ wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit deshalb gewählt, weil sich junge Menschen zwischen 16 und 18 Jahren mit dem formellen „Sie“ nicht angesprochen fühlen.
Wie gesagt: Sie dürfen das „Du“ aus der Stellenanzeige gern annehmen, Sie müssen aber nicht. Es macht keinen Sinn, sich bereits im Anschreiben total zu verbiegen, um vermeintlichen Erwartungen zu genügen. Wenn Sie sich unwohl damit fühlen, den (unbekannten) Personaler zu duzen, dann sollten Sie das auch nicht tun. Einige Experten empfehlen zum Beispiel, in zwei kurzen Sätzen zu erläutern, dass Sie lieber bei der formellen Ansprache bleiben. Das zeigt, dass Sie die Anzeige gewissenhaft gelesen und sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Sind Sie einfach unsicher, weil Sie sich nicht vorstellen können, dass sich in diesem Unternehmen tatsächlich alle duzen oder ist Ihnen der Job so wichtig ist, dass Sie bei im Anschreiben kein Risiko eingehen wollen, dann können Sie immer noch zum Telefon greifen. Ein Anruf beim Personaler bringt Ihnen Klarheit und Sie keineswegs in Verlegenheit. Es beweist, dass Sie in Ihrer Bewerbung keinen Fehler machen und alle Chancen auf den Job wahren wollen.
Für Unentschlossene gibt es noch den Mittelweg. Der muss nicht unbedingt „golden“ sein, vielleicht attestiert Ihnen mancher auch mangelnde Entscheidungsfreude. Sie sprechen den Personaler mit Vornamen an, siezen ihn oder sie dann aber im weiteren Textverlauf. Eine Umgangsvariante, die auch in der Praxis zum Teil üblich ist. Alternativ können Sie statt einer konkreten Person auch das Team ansprechen. „Liebes XY-Team, ..] gerne möchte ich mich persönlich bei Euch vorstellen.“ Das ist etwas unpersönlicher aber trotzdem nicht steif. Egal ob „Du“ oder „Ihr“ – bitte kommen Sie nicht auf die Idee, das Anschreiben mit „Viele Grüße Dein Matthias“ oder „Bis bald Eure Katrin“ zu beenden. Das wäre dann wirklich zu viel des Guten. Ein „Mit freundlichen Grüßen“ plus Ihr Vorname ist die bessere Wahl.
All dies setzt aber voraus, dass überhaupt Bewerbungen geschrieben und Stellen angetreten wurden. Was Firmen und Personalabteilungen jedoch aufhorchen lassen sollte: In sehr vielen Fällen kommt es gar nicht erst zu einer Bewerbung, weil die Stellenanzeige nichtssagend oder abschreckend formuliert ist. 73 Prozent der Befragten gaben in der Softgarden-Studie an, sich schon einmal nicht beworben zu haben, weil die Stellenanzeige zu schlecht war.
Genauer heißt dies, dass fast jeder Fünfte (18 Prozent) nicht verstehen konnte, was die ausgeschriebene Stelle auszeichnet. Jeder Vierte gibt an, dass das dahinterstehende Unternehmen einen zu schlechten Eindruck gemacht habe. Knapp die Hälfte (47 Prozent) gab an, der Job habe aufgrund schlechter Beschreibung zu unattraktiv gewirkt. Hier kann sich natürlich auch auswirken, dass die Stelle nicht auf den Bewerber passte und daher unattraktiv erschien. Es bleibt die Erkenntnis, dass jede zweite nicht geschriebene Bewerbung wegen einer schlechten Stellenanzeige nicht zustande kommt.
Bewerber wollen raus aus der Bittsteller-Rolle
Die Empfehlung an die Autoren von Stellenanzeigen lautet: Die Beschreibung der Stelle und des Anforderungsprofils an Bewerber gehören in den Mittelpunkt einer Ausschreibung. Weniger wichtig sind der Jobtitel und das Arbeitgeberporträt. Am allerwenigsten interessiert die Befragten die Kontaktzeile sowie der Abschnitt „Wir bieten“ - besonders dann nicht, wenn darin von Kickertischen und Obst die Rede ist, wie einige freimütig zugeben.
Einige der befragten Bewerber gaben weitere Empfehlungen an Unternehmen, wie diese ihre freien Stellen beschreiben sollten.
Von 700 Kommentaren betraf mehr als jeder dritte (280) das Gehalt. Gewünscht ist die Angabe eines Gehaltsrahmens oder eines Einstiegsgehalts. Die Begründung: Häufig ist dies ausschlaggebend dafür, ob die Bewerbung in Angriff genommen wird oder nicht. Mehr Transparenz sorge für „mehr Gleichheit und klarere Bedingungen“, so ein Kommentar. „Schließlich muss der Bewerber das Gehalt auch nennen, warum also im Dunklen fischen? Die falsche Summe ist leider auch ein Grund rauszufallen“, heißt es in einem anderen.
Neben dem Gehalt interessiert Bewerber die Arbeitszeit. Im Klartext: Wie realistisch ist es bei der angebotenen Stelle, mit der Wochenarbeitszeit hinzukommen? Aber auch: Welche Arbeitszeitmodelle werden angeboten?
Wünschenswert aus Sicht der Bewerber wäre auch, wenn häufiger der Rekrutierungsablauf beschrieben würde. Allzu häufig fehlen nämlich Fristen und Angaben dazu, wie lange es dauern wird, bis das Unternehmen sich für einen Kandidaten entschieden hat. Dies kann zu unangenehmen Hängepartien führen, ohne dass Bewerber noch Einfluss nehmen können.
Die häufigsten Schlagwörter in deutschen Bewerbungen
Sieht man sich die Selbstbeschreibungen Berufstätiger in Karrierenetzwerken an, liest man auf vielen Profilen dasselbe: die Menschen sind verantwortungsvoll. „Mir ist alles egal“ sollte allerdings auch niemand in eine Bewerbung oder eine Jobprofil schreiben. Im Bewerbungsfloskel-Ranking des Karriereportals LinkedIn landet das Adjektiv auf Platz zehn. Erstaunlich: In internationalen Stellenanzeigen und Profilen taucht das Wort unter den Top Ten gar nicht auf.
Quelle: LinkedIn
Kreativ ist man dagegen sowohl in Deutschland als auch international gleichermaßen: Bei den Bewerbungen nimmt „kreativ“ im Floskel-Ranking den neunten Platz ein.
Egal wie rückwärtsgewandt und veränderungsresistent jemand sein mag - online und in Bewerbungen bezeichnen sich eigentlich alle als innovativ. Entsprechend landet das Wörtchen auf Rang acht im deutschsprachigen Raum. International brüstet man sich nicht mit seiner Innovationsfähigkeit.
Ohne Leidenschaft geht nichts, glauben die deutschen Bewerber – und schreiben das Wort fleißig in ihre Bewerbungen.
Bevor Sie auf die Idee kommen, Ihr Alter zu verraten, schreiben Sie lieber, dass Sie erfahren sind. Das machen die anderen auch so. Im Bullshit-Bingo belegt "erfahren" im deutschsprachigen Raum entsprechend Platz sechs.
Und damit der Personaler nicht glaubt, hier bewirbt sich ein Idiot, heben die Bewerber fleißig ihr „Expertenwissen“ hervor. International belegt diese Phrase Platz sieben.
"Guck mal da, en Eichhörnchen!". Damit niemand glaubt, man lasse sich ständig ablenken, beschreiben sich natürlich alle als fokussiert. International belegt "focused" Rang sechs.
"Du machst erst das, dann tust du jenes und dann sage ich, dass das meine Idee gewesen ist." Schließlich handelt niemand planlos, deutsche Bewerber sind allesamt „strategisch“.
Will man in Erinnerung bleiben, sollte man sich von der Masse abheben. Da leider fast jeder Bewerber angibt, "Führungsqualitäten" zu haben, wird das schwierig.
Ein Königreich den Fachidioten: Sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international geht die Goldmedaille für die meistgenutzte Phrase an "spezialisiert."
Auch wenn mehr als 70 Prozent der Bewerber die Qualität der Texte in Stellenanzeigen insgesamt gut oder sogar sehr gut (12 Prozent) finden, werden weitere Schwachstellen deutlich. So empfehlen einige der Befragten den Unternehmen auf Kandidatensuche, mehr auf Rechtschreibung und Grammatik zu achten. Andere wünschen sich weniger Floskeln und Marketingsprache sowie weniger Selbstlob der Arbeitgeber.
Alles in allem kann man sagen: Stellenanzeigen bleiben offenbar selbst hinter den Ansprüchen zurück, die an aussichtsreiche Bewerbungen gestellt werden: Die sollen schließlich auch „auf den Punkt“, ohne viel „Bla-bla“, ehrlich und präzise formuliert sein, wenn sie nicht aussortiert werden wollen. Und wie Bewerber sollen die Stellenanzeigen mehr Mut zu Individualität zum Ausdruck bringen.
Wenn Bewerber träumen dürften, sähe die Stellenanzeige der Zukunft übrigens gar nicht so viel anders aus als heute - aber die Abläufe wären andere. So wünschen sich Bewerber zum Beispiel, dass die passende Stellenanzeige über elektronische Wege automatisch zu ihnen kommt. Genannt wird auch, dass Einladungen oder Absagen binnen 15 Minuten verschickt werden sollten. Manch einer möchte auch keine eigene Arbeit mehr mit der Bewerbung haben, sondern nur noch einen Link zu seinem Social-Media-Profil verschicken müssen. Oder zumindest kein Anschreiben mehr formulieren - das allerdings würde wieder das Argument entkräften, die Unternehmen sollten sich mit ihren Stellenanzeigen so viel Mühe geben wie die Bewerber mit ihren Bewerbungen.