
Der Abgeordneten-Treff hat, was kommerzielle Clubs oft nur anstreben: Er ist exklusiv, seine Mitglieder protzen nicht mit ihrem Dabeisein-ist-Alles, und das Vereinshaus beeindruckt durch prachtvolles Ambiente. Im ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais direkt gegenüber dem Bundestag müssen Abgeordnete nicht Parteifreunde sein, sondern dürfen Mensch bleiben – gern über politische Grenzen hinweg. Sie dürfen Gäste und sogar Veranstaltungen ins Haus holen.
So bringt der CDU-Wirtschaftspolitiker Thomas Bareiß regelmäßig Kollegen mit Wirtschaftsgrößen zusammen, die sich auch die Meinung sagen. Metro-Boss Eckhard Cordes war schon da, Commerzbank-Lenker Martin Blessing, BASF-Chef Jürgen Hambrecht und Sparkassenpräsident Heinrich Haasis.
Parlamentarischer Stammsitz in Berlin
Verbände von den Ärzten bis zur Verteidigungsindustrie nutzen den Prachtbau für Parlamentarische Abende, auf denen sich Politiker und Lobbyisten bei Häppchen näherkommen. Auch Unternehmen wie Siemens durften schon Innovationen präsentieren. Daran kann Johannes Kahrs (SPD), der Schatzmeister des Vereins, nichts Schlechtes finden: „Wenn sich zum Beispiel der Deutsche Fußballbund mit Parlamentariern treffen will und lädt 20 Leute in Berlin ein, dann kommen drei“, weiß er. „In die Parlamentarische Gesellschaft kommen sie alle, auch wenn sie nur zwischendurch Zeit haben.“
Der Mitverfasser des Grundgesetzes und SPD-Politiker Carlo Schmid beschrieb den Verein mal als „parlamentarischen Stammtisch“, als Ort, wo wichtige Entscheidungen und Kompromisse eingetütet werden konnten – am liebsten in „Ossis Bar“ im Keller. Die ist nach dem legendären „Bundes-Barkeeper“ Osvaldo Cempellin benannt, der schon in Bonner Zeiten als vertrauenswürdigste Person im Bundestag galt. Hier wird mehr Politik gemacht als im Plenum. Hier werden Karrieren begründet, begossen und beendet. Und manchmal kennt man hier keine Parteien mehr, sondern nur noch Fußballfans – wenn die Nationalmannschaft mitten in der Sitzungswoche antritt. Dann ist gelegentlich auch Kanzlerin Angela Merkel dabei.





Gut 100 Jahre alt ist das Haus, das vor zwölf Jahren aufwendig saniert wurde. Kronleuchter, Marmor und Kassettendecken machen Staat für die rund 1400 Mitglieder, selbst staatskritische Vertreter der Linken sind dabei. Die knapp 600 Abgeordneten zahlen schlappe 180 Euro Beitrag im Jahr, ehemalige weniger. Das geht nur, weil das Parlamentarier-Vergnügen bis zu 1,4 Millionen Euro Zuschuss aus dem Bundesetat bekommt. Immerhin arbeiten in Gastronomie und Stab der Gesellschaft etwa 40 Beschäftigte.
Dem einmaligen interfraktionellen Club steht zurzeit Heinz Riesenhuber vor, der Mann mit der Fliege. Seine Stellvertreterin ist die Linken-Politikerin Petra Pau. Schatzmeister Kahrs findet den Club der Parlamentarier „unglaublich praktisch“. In kleiner Runde lasse sich vertrauensvoll über den Bundeshaushalt wie auch mögliche Koalitionen sprechen. „Man kriegt hier sehr viel geregelt, was sonst nur über komplizierte Terminabsprachen laufen würde.“ So wichtig ist der Bundestags-Club, dass im Oktober sogar Staatsoberhaupt Christian Wulff dessen Fest zum 60-jährigen Bestehen beehrte.