Alle drei Beispiele haben eins gemeinsam: Sie sind kreativ. Und das wird - auch für den kleinen Handwerksladen - immer wichtiger. "Man kann nicht mehr einfach nur eine Anzeige schalten und sich dann unter den Bewerbern den Besten raussuchen", sagt Miller. Hinzu kommt, dass Fachkräfte, die nicht aktiv auf der Suche nach einem neuen Job sind, keine Stellenanzeigen lesen. Wer nur bei Xing registriert ist, liest die LinkedIn-Stellenanzeige nicht und umgekehrt.
"Von unseren Kunden wissen wir, dass es auf Professional-Stellen wenig bis gar keine Bewerbungen mehr gibt", sagt Sven Semet, Senior Account Executive bei IBM. Die Gesuchten wälzen keine Stellenanzeigen, sie wollen gefunden werden. Das mag die Schuld des Internets, der verwöhnten Generation Y oder des Fachkräftemangels sein, aber dies ist die Marschrichtung, die Unternehmen einzuschlagen haben.
Dieses Finden von Talenten, die sich überhaupt nicht beworben haben, nennt sich "Direct Sourcing". IBM besetzt mittlerweile 30 Prozent seiner Vakanzen auf diesem Weg, wie Semet erzählt. "Wir schauen aber nicht nur, wer bei Xing schreibt, dass er eine neue Stelle sucht", sagt er. "Wir sind unterwegs in Blogs, Communities, Usergroups und in Xing-Gruppen, das hat schon etwas von Headhunting." Wer in seinen Postings durch eine Expertenmeinung oder eine Denke auffällt, die zum Unternehmen passt, wird angesprochen.
Deutsche Unternehmen tun sich schwer mit neuen Wegen
"Skandinavien und die USA sind proaktiver beim Talent-Management. Je weiter man in den Süden kommt, desto risikoaverser werden die Menschen", weiß Belliveau von Cornerstone OnDemand aus der Praxis. Mit verschiedenen Tools zur Big-Data-Analyse wird das Heer der ehemaligen Praktikanten und Trainees nach fähigen Köpfen durchsucht und die eigene Belegschaft gescannt. Auch Clouddienste kommen in anderen Ländern zum Einsatz, damit jeder Unternehmensstandort sehen kann, wer aus der Partnerniederlassung für das eigene Haus vielleicht besonders geeignet ist.
Auch in Deutschland wachse die Nachfrage nach solchen Technologien rasant, wie Belliveau sagt. Höchste Zeit. Natürlich braucht nicht jedes Unternehmen ein Talentmanagement-System aus der Cloud. Aber: "Wer weiter auf die alten Recruitingmethoden setzt, wird untergehen", so Miller.
Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen
97 Prozent der 2014 von forsa befragten 2.001 Bundesbürger sagten, dass sie bei einem neuen Job sehr viel Wert auf angenehme Kollegen legen.
Nur knapp dahinter folgt der sichere Arbeitsplatz, den 96 Prozent als sehr wichtig erachten.
95 Prozent wünschen sich Respekt und Anerkennung durch die Vorgesetzten.
Ein gutes Gehalt ist 93 Prozent wichtig beziehungsweise sehr wichtig.
90 Prozent wünschen sich von der neuen Stelle, dass sie abwechslungsreiche Tätigkeiten mit sich bringt.
Für 89 Prozent ist es wichtig bis sehr wichtig, dass der neue Job unbefristet ist.
88 Prozent der Befragten sagten, dass ihnen die Moralvorstellungen und das Leitbild des Unternehmens wichtig sind. Ebenfalls 88 Prozent legen sehr großen Wert darauf, dass sie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im neuen Unternehmen haben.
Flexible Arbeitszeiten wünschen sich 70 Prozent im neuen Job.
Wichtig beziehungsweise sehr wichtig finden 65 Prozent Mehrwertleistungen des Unternehmens wie beispielsweise eine Betriebsrente, Mitarbeiterrabatte oder einen Dienstwagen.
64 Prozent wünschen sich, im neuen Unternehmen für besonders gute Leistungen auch Bonuszahlungen zu bekommen.
59 Prozent wünschen sich im neuen Job Führungsverantwortung zu übernehmen, zumindest aber, Projektleiter zu werden.
Immerhin ist Deutschland laut Belliveau ganz weit vorne, wenn es um frühes Anwerben von Talenten geht. Beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Universitäten. "Nur darf man die jungen Talente dann eben auch nicht mehr verlieren", wie er sagt. Und das Binden der Mitarbeiter beginnt schon am, besser noch vor dem ersten Arbeitstag.
Wer sich schon vor seinem ersten Arbeitstag gut informiert fühlt, weiß, wo der neue Schreibtisch steht, wie die Kollegen aus dem Team heißen und welche Aufgaben in der ersten Woche warten, geht mit einem ganz anderen Gefühl zur Arbeit als jemand, der in sein neues Unternehmen geht und niemand weiß, wer er ist und warum er da ist. Onboarding heißt das Schlagwort, das auch bei IBM im Fokus steht. "Das geht los bei der Vertragsunterzeichnung, ab da muss der Mitarbeiter in die Kommunikation eingebunden werden", so Semet.
Guter Start mit Onboarding-Plattformen
Natürlich könne man - allein aus rechtlichen Gründen - niemandem Zutritt zum Intranet gewähren, der vielleicht erst in ein paar Monaten im Betrieb startet. Aber eine Community-Plattform, über die sich die Neuen vorab informieren können, sei durchaus sinnvoll. Dabei gehe es sowohl darum, wie neue Mitarbeiter an das Diensthandy oder den Dienstwagen kommen, als auch darum, auf was sie sich vorbereiten müssen und welche Informationen sie am ersten Arbeitstag benötigen. Onboarding-Plattformen machen es den Mitarbeitern leicht, Ansprechpartner für alle möglichen Fragen zu finden.
Das Ganze funktioniert sowohl über Self-help-Funktionen und Wikis als auch im direkten Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten. Gerade das Gespräch mit den Kollegen vor dem eigentlichen ersten Arbeitstag baue enorme Hürden ab, wie Semet sagt. "Da finden sich gleich Gesprächsthemen für das erste gemeinsame Mittagessen in der Kantine."
Das Feedback der Mitarbeiter sei entsprechend positiv. Außerdem haben Arbeitgeber, die auf diese Systeme setzen, festgestellt, dass die neuen Kräfte deutlich schneller produktiv sind, als wenn sie sich von der Bedienung der Telefonanlage bis zur Konzernhierarchie ab dem ersten Arbeitstag alles selbst beibringen müssen.
Einführung ist wichtig, sagt auch Miller. "Einen ersten Eindruck kann man schlecht ändern." Und einen schlechten ersten Eindruck können sich Unternehmen heute nicht mehr leisten. "Wenn sich der Mitarbeiter zu Beginn nicht willkommen fühlt, wird er sich nie an das Unternehmen binden", so Miller.