Homeoffice So gelingt die Führung aus der Ferne

Viele Menschen haben das Büro gegen die Couch im Wohnzimmer eintauschen müssen. Für Führungskräfte macht es das umso schwerer, zu allen im Team den richtigen Kontakt zu halten. Quelle: imago images

Auch für Manager ist das Homeoffice Neuland. Worauf sie achten sollten, um ihr Team auch aus der Distanz zu motivieren – und die erwarteten Ergebnisse zu liefern.

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Auch wenn die Einschränkungen des öffentlichen Lebens nun ein wenig gelockert werden: Die Deutschen werden noch eine Weile im Homeoffice bleiben – und damit stellt sich vor allem für Führungskräfte die Frage, wie sie ihr Team motivieren und zu den Ergebnissen bringen können, die von ihnen erwartet werden. Und bislang, so scheint es, haben sie diese Aufgabe allenfalls mittelmäßig gemeistert.

Schon am Ende des ersten Shutdown-Monats wünscht sich ein Viertel der Beschäftigten im Homeoffice mehr Struktur, ein Fünftel mehr Ansprache: „Wenn wir nach den Führungspräferenzen fragen, erwarten 75 Prozent, dass ihre Führungskraft Struktur und Ziele vorgibt – aber nur 49 Prozent bestätigen, dass das auch geschieht“, so steht es in einer Studie Organisationsforscher Professor Florian Kunze und Sophia Zimmermann von der Universität Konstanz. Ähnlich verhält es sich demnach mit der Fürsorge: „78 Prozent erwarten, dass ihr Vorgesetzter auch im Homeoffice individuell auf sie eingeht, aber nur bei 57 Prozent ist das der Fall.“ Für ihre repräsentative Längsschnittstudie haben sich die beiden Wissenschaftler in der ersten Aprilhälfte täglich bei 699 Beschäftigten erkundigt, wie sie ihre Situation im Homeoffice erleben.

Für Kunze und Zimmermann ist dies ein besorgniserregender Befund: Wir sehen in unserer aktuellen Studie deutlich, dass Führungsverhalten immer wichtiger wird, um auch über längere Phasen ein produktives und gesundes Arbeiten von Zuhause aus zu ermöglichen.“ Je klarer Ziele vorgegeben werden, je mehr Zeit sich Führungskräfte auch für Einzelgespräche nehmen, desto höher sei das Engagement im Team. Insbesondere eine Struktur könne auch innerfamiliären Konflikten vorbeugen, indem sie die Trennung von Beruflichem und Privatem etwas erleichtere. „Gerade jetzt in der Krisensituation ist es deshalb wichtig, dass sich Führungskräfte auch aus dem Homeoffice heraus weiter um Ihre Mitarbeitenden kümmern und damit ihrer Führungsrolle gerecht werden“, sagt Kunze.

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Die Defizite haben einen einfachen Grund: Der Umzug ins Homeoffice kam ebenso plötzlich wie das Coronavirus über Deutschland. Nur wenige haben Erfahrung damit. Auch das zeigt die Studie der Universität Konstanz: Für 35 Prozent der Befragten, Führungskräfte ebenso wie Teammitglieder, ist das Arbeiten von Zuhause aus eine völlig neue Situation. Und weitere 50 Prozent haben nur wenig Erfahrung damit. Lediglich 15 Prozent der Befragten hatten vor der Coronakrisen regelmäßig im Homeoffice gearbeitet.

Häufiger mal loben

Wie also gelingt die Führung aus der Ferne?

In virtuellen Besprechungen jedem Mitarbeiter zu Beginn die Gelegenheit geben zu berichten, was ihn gerade bewegt, empfiehlt etwa Ingmar Remus, der bei der Kölner Kommunikationsberatung Siccma Media vor allem Führungskräfte aus der Technologiebranche berät: „Der persönliche Austausch kommt zurzeit häufig zu kurz, schließlich entfallen das Schwätzchen in der Teeküche und das Gespräche in der Kantine. Manager sollten deshalb „in den Online-Meetings nicht nur den Stand der Projekte abfragen.“ Auch würden sich gerade in der Krisenzeit viele Teammitglieder nach entsprechender Leistung in der Ausnahmesituation auch besonders über ein Lob freuen.

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„Nicht jeder gute Teamleiter in klassischen Präsenzstrukturen ist auch ein guter virtueller Teamleiter“, sagt Marc Wagner, der bei Detecon International Großkunden aus der Telekommunikation, Energiewirtschaft und Automobilindustrie auf dem Weg zu mehr Agilität berät. Denn im virtuellen Kontext seien noch viel mehr Kommunikation und Moderation gefragt. „Digitale Führung heißt mehr Führung, nicht weniger – wie augenscheinlich viele meinen, wenn sie von Homeoffice sprechen“, betont Wagner. Die neue Zusammenarbeit bedürfe klarer Regeln und Strukturen. Zudem müsse die Führungskraft auch weiterhin persönlich ansprechbar sein. Da helfe ein kurzes Telefonat zu zweit oft mehr als groß angelegte Video-Meetings, insbesondere, wenn es auch um Gespräche zur Weiterbeschäftigung und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ginge.

Zeit fürs Einzelgespräch nehmen

Meist setzen Führungskräfte aber weiterhin auf konventionelle Methoden der Kommunikation, die sie aus dem Büroalltag vor der Corona-Krise gewohnt waren - die aber der neuen Dauer-Homeoffice-Situation nicht gerecht werden. Vorgesetzte und Kollegen, so die Studie der Universität Konstanz, kommunizieren weiterhin überwiegend konventionell per E-Mail (89 Prozent) und Telefon (71 Prozent) – und nutzen nur zu 27 Prozent Videokonferenzen und zu 44 Prozent Chats. Videochats, und wenn es nur eine gemeinsame Kaffeepause oder ein Feierabendbier ist, bieten sich an, um Kollegen vor der Einsamkeit zu bewahren. Um im Blick zu behalten, womit sich wer womöglich gerade etwas schwer tut und was einzelnen Leuten auch jenseits der Arbeit gerade auf der Seele brennt, empfiehlt Wagner, lieber mal öfter und dafür kürzer zum Telefon greifen und das persönliche Gespräch zu suchen. Das schafft Vertrauen.

„Homeoffice ist eben nicht nur Technik und Arbeitsplatz, sondern vor allem eine Managementaufgabe, die auch eine neue Organisation- und Rollenverteilung im Team mit sich bringt“, sagt Wagner. Wer moderiert die Meetings? Wie werden die Ergebnisse festgehalten und kommuniziert? Wie wird das Wissen geteilt und wo abgelegt? Wer kann welche Rolle im Team einnehmen? Die Führungskraft muss nicht alles selbst machen, aber delegieren und Ergebnisse wieder zusammenführen.

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