Jobsuche Warum viele Firmen einen Korb vom Bewerber bekommen

Jobsuche: Warum viele Bewerber Angebote ablehnen Quelle: imago images

Eine exklusive Studie zeigt: In Deutschland lehnen vergleichsweise viele Jobsuchende ein Vertragsangebot ab. Was dahintersteckt.

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Das Handy klingelt, unbekannte Nummer, Herzklopfen: Ist das etwa die Zusage für den neuen Job? Oder doch eine Absage? Früher warteten Bewerber wochenlang jeden Tag gespannt auf die Reaktion des potenziellen Arbeitgebers, um dann das Ergebnis anzunehmen.

Das war einmal. Heute sieht die Realität vieler ganz anders aus. Eine Studie der Online-Jobbörse Stepstone, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, hat ergeben: 29 Prozent der deutschen Fachkräfte entscheiden sich am Ende des Bewerbungsprozesses gegen das Vertragsangebot. Das sind deutlich mehr als in den Nachbarländern Frankreich (15 Prozent), Belgien (10 Prozent) und den Niederlanden (7 Prozent), die ebenfalls in der Studie begutachtet wurden. Stepstone hat für die Auswertung insgesamt 100.000 Bewerber befragt, die sich zwischen Juli 2016 und Oktober 2018 auf Stellenausschreibungen gemeldet hatten.

Natürlich – die anhaltende Hochkonjunktur und die niedrigen Arbeitslosenzahlen sind Grundlage dafür, dass sich das Kräfteverhältnis am Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren gedreht hat. Laut der vorliegenden Untersuchung müssen Jobsuchende im Schnitt zehn Bewerbungen schreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch geladen zu werden. Aus zwei Jobinterviews resultiert dann durchschnittlich ein Vertragsangebot.

Doch auch die Arbeitgeber selbst sind schuld daran, dass sie sich immer häufiger einen Korb vom Traumkandidaten einfangen. Davon ist auch Stepstone-Geschäftsführer Sebastian Dettmers überzeugt: „CEOs lassen sich damit zitieren, dass sie mitten im „War for Talent“ stecken – rüsten dann aber nicht entsprechend auf.“ Sie investierten nicht stark genug in den Aufbau der Arbeitsgebermarke, stellten den Personalabteilungen nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung. „Es bleibt zu oft bei Lippenbekenntnissen“, sagt Dettmers. 

Ein gravierender Faktor sei die Dauer der Auswahlverfahren. Laut einer Studie des Arbeitgeberbewertungsportals Glassdoor aus dem Jahr 2015 dauern Einstellungsverfahren vom ersten Kontakt bis zum Jobangebot in Deutschland besonders lange – durchschnittlich 28,8 Tage. Zu lange, urteilt auch Dettmers von Stepstone. Unternehmen müssten schnell handeln, denn qualifizierte Fachkräfte hätten heute die Wahl zwischen mehreren Joboptionen.

Neben dem Faktor Zeit ist auch die authentische Darstellung des Arbeitgebers beziehungsweise des Jobs ausschlaggebend. Allzu häufig stellen Bewerber erst im Auswahlprozess fest, wie die Kultur des Unternehmens tatsächlich aussieht oder welche Aufgaben genau mit dem Job verbunden seien. Passt das nicht zu den anfänglichen Vorstellungen, lehnen Bewerber ab. Denn heutzutage bewerben sich viele Mitarbeiter aus einem festen Job heraus. „Sie suchen nicht irgendeinen Job, sondern ihren Traumjob“, sagt Dettmers. 

Wer die Bewerber also von sich überzeugen will, muss nicht nur ein attraktives Gehalt, Karrierechancen und Flexibilität bieten, sondern auch schnell sein und von Anfang an realistische Einblicke in sein Unternehmen gewähren. Das erspart beiden Seiten Enttäuschungen. Denn ähnlich wie bei einer Kontaktanzeige wird auch im Job häufig schon beim ersten Date klar, wer geflunkert hat und wer nicht.

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