
Es gibt Feier-Abende, an denen man gar nicht teilhat, die aber trotzdem alles ändern. Im Falle der Mitarbeiter von Jörg Asma zum Beispiel war es die Geburtstagsparty eines Vorgesetzten. An einem Sommerabend im Juni 2016 fuhr Asma in eine alte Fabrikhalle in Wuppertal. Der Gastgeber und seine Frau wurden zusammen 100 Jahre alt, Asma arbeitete damals noch als Managing Partner beim IT-Beratungshaus CSC Security in Bonn.
Auf der Party begegnete er dem Headhunter Carsten Renk, dem er früher oft selbst Aufträge erteilt hatte. Ob man sich nicht mal treffen wolle, fragte der Personalberater.
Jobangebot beim Mittagessen
Zunächst winkte Asma ab, aus Sorge um Interessenskonflikte und aus fehlender Lust auf einen Jobwechsel. Doch Renk blieb hartnäckig und rief ihn regelmäßig an. Im Januar trafen sich die beiden schließlich zum Mittagessen in Köln, und zwischen Suppe, Thunfisch und Sorbet fragte Renk, ob Asma sich beruflich verändern wolle.
Sechs Monate später ist Asma Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC.
Als Cybersecurity Leader hilft er Kunden, Cyberattacken vorzubeugen, zu erkennen und nötigenfalls Angriffe abzuwehren. Asma hat nun Personalverantwortung für immerhin 180 Mitarbeiter europaweit, mehr als je zuvor. Und doch fällt ihm die Umstellung nicht wirklich schwer – weil er neun seiner Angestellten schon seit Jahren kennt. Asma sind fünf Männer und vier Frauen aus seinem alten Team bei CSC Security nachgefolgt. Natürlich sagt er, dass er niemanden dazu aufgefordert habe. Aber natürlich hat er Mitarbeitern von seiner neuen Aufgabe erzählt. Den Rest erledigte PwC. Und so endete die Geburtstagsparty für das Bonner Unternehmen mit einem Verlust von zehn Mitarbeitern. Ein Beispiel, das Karriere macht?
Es sieht ganz danach aus. Denn immer mehr Arbeitgeber geben sich nicht mehr damit zufrieden, nur einzelne Personen anzusprechen. Stattdessen versuchen sie, ganze Teams abzuwerben. Der Branchenverband Bitkom befragte vor zwei Jahren 205 Geschäftsführer sowie Führungsverantwortliche in IT- und Kommunikationsunternehmen. Das Ergebnis: Jeder sechste „diskutiert, plant konkret oder nutzt“ das sogenannte Teamhunting – vor allem für die Suche nach Softwareentwicklern und IT-Beratern. Die Gründe für die Wechsel ganzer Teams sind komplex. Häufig gehen Gruppen, wenn Unternehmen kurzfristig einen neuen Geschäftsbereich aufbauen müssen.
Bei Werbeagenturen zum Beispiel kommt es oft vor, dass ein großer Kunde den Etat abzieht, die Ansprechpartner aber behalten will: den Kreativdirektor, den Texter, den Kampagnenmanager. Die Werbeagentur McCann Deutschland zum Beispiel baut gerade am Standort Düsseldorf ein neues Team mit einem Quartett auf, das zuvor beim Konkurrenten Ogilvy arbeitete, angeführt vom Group Creative Director Serdar Kantekin und Christina Holland als Management Supervisor. Anfang des neuen Jahres kommt noch ein Senior Art Director und ein Senior Texter dazu. Sie sollen bestehende Kunden wie Miele oder Weight Watchers betreuen – und dann auch neue akquirieren.
Jeder Dritte Auftrag: Teams abwerben
Jörg Schneider, Headhunter aus dem hessischen Bad Soden, ist ein Spezialist fürs Teamhunting. Inzwischen gehe es bei jedem dritten Auftrag darum, einen Kreis von Kollegen abzuwerben, schätzt er. Manchmal melden sich bei ihm auch Teams, die gemeinsam einen neuen Arbeitgeber suchen – und dafür zahlen. Die Flucht nach vorn trat im August beispielsweise das 60-köpfige E-Commerce-Team der inzwischen insolventen Fluglinie Air Berlin an, das sich in einer eigenen Werbekampagne anbot. Franziska von Lewinski, Vorstand der Kommunikationsgruppe FischerAppelt, reagierte so spontan wie öffentlichkeitswirksam und lud die Onlinemarketingexperten zum Mittagessen ein. „Die Aktion kam uns wie gerufen“, sagt von Lewinski, „wir hatten ohnehin schon die Eröffnung einer solchen Einheit beschlossen.“
Das Ergebnis: Mit Beginn des neuen Jahres sollen immerhin mehr als zehn ehemalige Air-Berliner eine Tochterfirma von FischerAppelt aufbauen.
Diskrete Wechsel bei den Banken
Sicher, solche schlagzeilenträchtigen Transfers sind eher die Ausnahme. Wesentlich diskreter geht meistens die Bankbranche vor. Hier sind Teamwechsel die Regel, und zwar aus einem einfachen Grund: Geld ist Vertrauenssache. Kunden mit üppigen Depots folgen daher gerne bekannten Geldmanagern, weil sie wissen, was sie an ihnen haben. Die Lunis Vermögensmanagement in Frankfurt etwa warb im April ein Team der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin ab, inklusive des Generalbevollmächtigten Andreas Brandt. Der kennt sich mit solchen Wechseln aus. Manche seiner Teammitglieder folgten ihm vor mehreren Jahren schon von der Credit Suisse.
Gute Mitarbeiter folgen guten Chefs
Der größte Vorteil eines Teamwechsels ist die kostenlose Qualitätskontrolle: Ein Chef nimmt zu einem neuen Arbeitgeber nur Leistungsträger mit, die er fachlich und menschlich wertschätzt. Und auch umgekehrt gilt: „Gute“ Mitarbeiter folgen nur „guten“ Chefs. Auf der nächsten Station können sich beide gegenseitig helfen. Wer den Arbeitgeber wechselt, hat im neuen Unternehmen in der Regel keine Vertrauten. Das kann insbesondere bei Partnergesellschaften wie Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen zum Problem werden.
Das weiß auch Berater Andreas Schüren. Vor sieben Jahren verließ er zusammen mit zwei Partnern und rund 30 Mitarbeitern die Beratung Baker Tilly. „Wir waren uns mit den übrigen Partnern über wichtige Fragen wie die strategische Ausrichtung uneins geworden und kamen nicht mehr zusammen“, erinnert sich Schüren. Daraufhin wurde er Partner bei der Unternehmensberatung Ebner Stolz in Köln. Für seinen ehemaligen Arbeitgeber hatte das negative Folgen – und zwar messbare: Die Umsätze gingen zurück, weil Kunden Schürens Truppe folgten.
Deshalb sind Teamwechsel ein juristisches Minenfeld. Es ist ein bisschen wie in einer Ehe: Eine Scheidung tut immer weh. Wenn der Partner dann aber obendrein Kinder, Haustiere und Möbel mitnimmt, schmerzt es umso mehr.
„Alles, was jemand im Kopf hat, darf er mitnehmen“
Deshalb gilt es, vor allem für abwerbende Unternehmen und als abwanderungswillige Mitarbeiter, Fallen zu vermeiden und Regeln einzuhalten. „Abtrünnige Vorgesetzte dürfen ihre Exkollegen nicht in der Arbeitszeit abwerben“, sagt Michael Kliemt, Gründer der größten deutschen Arbeitsrechtskanzlei, Kliemt & Vollstädt, „und auch nicht in den Räumen ihres Arbeitgebers.“
Damit aber nicht genug. Manch ein Arbeitnehmer will seiner ehemaligen Firma bewusst schaden: Kliemt kennt die Fälle, in denen elektronische Adressbücher oder Kundenlisten vor dem Wechsel schnell noch kopiert werden, zuweilen sogar Konstruktionspläne oder Betriebsgeheimnisse.
Dabei ist die Faustregel simpel: „Alles, was jemand im Kopf hat, darf er mitnehmen“, sagt Kliemt, „alles andere nicht.“
Wenig zielführend ist es auch, wichtige Daten an eine private E-Mail-Adresse zu schicken. „Die Menschen sind erstaunlich bedenkenlos, Unternehmen kommen ihnen im Nachhinein auf die Schliche“, sagt Kliemt. Manche Firmen haben Warnfunktionen auf ihren Servern installiert. Zieht ein Anwalt auffällig große Datenmengen ab, merkt das die IT meist schnell.
Wie Sie Teams locken dürfen
Umso wichtiger ist es, abwanderungswillige Teams diskret zu kontaktieren. Wer wirklich alle Rechtsgefahren vermeiden will, sollte im Zweifel nicht über sein Diensthandy mit Interessenten telefonieren, immer außerhalb der Firmenräume kommunizieren und niemals persönliche Mails auf dem Firmenaccount schreiben. Zumal man nie ganz ausschließen kann, dass das Interesse des Abwerbenden nur vorgetäuscht war, um die Konkurrenz auszuspionieren.
Besonders dreist gingen zuletzt zwei Geschäftsführer eines Zeitarbeitsunternehmens vor, die sich gemeinsam selbstständig machten. Sie wollten 50 Ingenieure anwerben, die für ihre Exfirma bei einem Industrieunternehmen im Einsatz waren.
In der Mittagspause fingen sie die Ingenieure ab und luden sie in einen Wohnwagen zum Kaffee, den sie gleich gegenüber vom Werkstor postiert hatten. Zudem drückten sie ihnen auch noch vorgefertigte Kündigungsschreiben für ihren Arbeitgeber in die Hand. Jahrelange Streitigkeiten vor Gericht folgten.
Hinzu kommt in solchen Fällen oft: Die Jäger des abwerbenden Unternehmens dürfen keine herabsetzenden Äußerungen über den aktuellen Arbeitgeber tätigen oder gar Lügen verbreiten. Wer sich dabei erwischen lässt, macht sich eines geschäftsschädigenden Verhaltens schuldig – und dann wird mitunter Schadensersatz fällig. Schlimmstenfalls droht eine Strafanzeige wegen übler Nachrede.
Checkliste für die Kündigungsfrist
Notieren Sie zunächst alle Projekte und Aufgaben, die zu Ihrem Arbeitsbereich gehören. Darüber hinaus schreiben Sie auf die Liste alle Dinge, die Sie vor Ihrem letzten Arbeitstag noch erledigen müssen oder wollen. Etwa Fragen an den Chef, Übergabegespräche oder einfach Organisatorisches wie die Schlüsselabgabe. Diese Liste können Sie dann konsequent abarbeiten. So haben Sie ein klares Programm und idealerweise vergessen Sie nichts.
Nicht alle Projekte, an denen Sie derzeit arbeiten, werden Sie in Ihrer Kündigungsfrist noch abarbeiten können. Idealerweise lernen Sie Ihren Nachfolger noch kennen und können ihn persönlich einarbeiten. Wie auch immer es kommt – bereiten Sie in jedem Fall eine saubere Übergabe vor und schreiben Sie Notizen. Stellen Sie dafür sicher, dass alle Aspekte verständlich nachvollziehbar sind.
Aufräumarbeiten gehören zum Abschied dazu. Selbst bei den ordentlichsten Arbeitnehmern dürften sich diverse Unterlagen und unter Umständen auch persönliche Notizen angesammelt haben. Nehmen Sie sich Zeit für diese Aufräumarbeiten, denn diese organisatorischen Bemühungen haben auch einen psychologischen Aspekt. Beginnen Sie damit also nicht erst am vorletzten oder gar letzten Tag.
Wenn die Kündigungsnachricht verdaut ist und es nur noch ein paar Wochen bis zum Abschied sind, sollten Sie mit Ihrem zukünftigen Ex-Chef über Ihr Arbeitszeugnis sprechen. Bieten Sie Ihre Mithilfe an, sollte Ihr Chef viel Arbeit haben oder sich mit derartigen Formulierungen schwertun. Ihre Mithilfe kann Ihr Zeugnis unter Umständen positiv beeinflussen. Sie könnten beispielsweise anbieten, einen Entwurf zu formulieren. Allerdings sollten Sie vorsichtig sein mit diesem Angebot. Manch ein Chef könnte auch misstrauisch werden oder ablehnend reagieren – da müssen Sie auf Ihr Bauchgefühl hören.
Bürobuffet? Frühstück? Kuchen? Sekt? Oder doch lieber in kleiner Runde abends zum Essen im Restaurant oder auf ein Bier? Bereiten Sie Ihren Abschied frühzeitig vor und informieren Sie Ihre Kollegen beizeiten. Damit garantieren Sie, dass alle Zeit finden, sich auf Ihren Abschied freuen und es nicht in Stress ausartet.
Wie und womit aber darf man Teams locken? Mit besseren Arbeitsbedingungen, mehr Gehalt oder Urlaub, klar. Oder mit Prämien, so wie gerade die Lufthansa. Deren Billigtochter Eurowings bietet Flugkapitänen mit einer Trainerlizenz für den Airbus A320 immerhin 20.000 Euro Prämie, wenn sie von einer anderen Linie wechseln. 15 Flugkapitäne haben schon einen Arbeitsvertrag bei der Lufthansa unterschrieben.
So delikat ein Teamwechsel bisweilen ist, er lohnt sich bestenfalls nicht nur finanziell. Jörg Asmas Senior Manager für Sicherheitsmanagement folgt ihm bereits seit 16 Jahren.
Das Duo lernte sich kennen, als es am ersten Arbeitstag bei IBM in Düsseldorf eine halbe Stunde vor der Bürotür ihres Chefs warten musste. Die beiden verstanden sich auf Anhieb gut, teilen bis heute die Liebe zum Grillen und gehen gerne gemeinsam wandern.
Aus der Arbeitsbeziehung ist eine Freundschaft entstanden, und davon profitiert auch ihre Gruppe: „Weil wir die meiste Zeit des Tages miteinander verbringen, muss das Klima stimmen“, sagt Asma. „Miesepeter kommen uns nicht ins Team.“