Komplexität Mit schlankeren Strukturen zu mehr Profit

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Der Schritt zurück führt Beiersdorf nach vorn

Beflügelt vom Erfolg der wichtigsten Beiersdorf-Marke Nivea vergrößerte Vorstandschef Quaas das Sortiment stetig Quelle: dpa

Der niederländische Versicherungskonzern ASR ist da schon ein paar Schritte weiter: Der Sach- und Hypothekenversicherer war bis zur Finanzkrise 2008 Teil der belgisch-niederländischen Fortis Holding. Nachdem diese sich an der Teilübernahme der ABN Amro Bank verhoben hatte, wurde der niederländische Fortis-Teil verstaatlicht und aufgespalten. Der Versicherungsbereich firmiert seitdem als ASR Nederland und steht mit seinen 4500 Mitarbeitern unter Rationalisierungsdruck.

Direkt nach der Abspaltung begann das Management deshalb damit, in den Sparten Lebens- und Rentenversicherungen Entscheidungsabläufe zu entschlacken, IT-Systeme zu vereinheitlichen und das Produktportfolio auszudünnen. Die Folge: Die Bearbeitungskosten pro Versicherungspolice wurden von 18 auf 9 Euro halbiert. „In Deutschland“, sagt A. T.-Kearney-Berater Scheel, „stehen viele Versicherungen vor ähnlichen Herausforderungen.“

Nutzlose Restrukturierungsprogramme

Auch Küchenhersteller Alno hat noch Nachholbedarf: Um die internationale Kundschaft besser bedienen zu können, baute der Küchenbauer bis Anfang der Neunzigerjahre acht Auslandsgesellschaften auf. Nach dem Börsengang 1995 übernahm Alno zudem die Wettbewerber Casawell und Gustav Wellmann, allerdings ohne die Produktion zu standardisieren. Seit seinem Börsengang vor zwölf Jahren hat der Mittelständler vier Vorstandschefs verschlissen und nur dreimal schwarze Zahlen geschrieben.

Keines der Restrukturierungsprogramme hat den ehemaligen Marktführer bei Einbauküchen wirklich weitergebracht. Zwar bedient das Unternehmen mit seinen vier Marken Alno, Wellmann, Impuls und Pino alle Preiskategorien. Doch der Mittelständler aus dem schwäbischen Pfullendorf, in den Fünfzigerjahren Pionier der Küchenmöbelproduktion in Deutschland, leistet sich den Luxus, für jede Marke eigene Schubladentypen zu bauen. Synergien oder Mengenvorteile? Fehlanzeige.

Ein schwedisches Beispiel

Wie es anders geht, zeigt das schwedische Möbelhaus Ikea: Dort kann der Kunde zwar auch zwischen unterschiedlichen Designs, Ausstattungen und Preissegmenten wählen. Aber Bauteile und Abläufe hinter den Kulissen sind weitgehend standardisiert – die Basis für kostengünstige Produktion großer Stückzahlen. Dazu gehören zum Beispiel die Grundelemente für die Schränke, die Steckelemente der oder die Laufschienen für die Schubladen. „Komplexität lohnt sich nur dort“, bestätigt A. T.-Kearney-Berater Scheel, „wo der Kunde bereit ist, dafür zu bezahlen.“

Erste Erfolge werden sichtbar

Noch-Beiersdorf-Boss Thomas-Bernd Quaas hat das erst spät gemerkt. In den vergangenen Jahren war der Vorstandschef des Körperpflege- und Kosmetikkonzerns aus Hamburg davon ausgegangen, die Erfolgsstory seiner wichtigsten Marke Nivea ungebremst fortschreiben zu können. Und baute das Sortiment rund um den klassisch-blauen Creme-Tiegel immer weiter aus – mit Herrenkosmetik, Salben gegen den Alterungsprozess und Haarpflegemitteln. Doch längst nicht jede Neuschöpfung rechnete sich. Und je weiter die Marke Nivea ausgedehnt wurde, desto schwerfälliger wurde die Markenmutter Beiersdorf.

Vor einem Jahr tat Quaas dann den entscheidenden Schritt zurück nach vorn: Er straffte das gestreckte Produktportfolio wieder und kündigte an, den drei Geschäftsregionen Europa/Nordamerika, Asien und Schwellenländer wieder mehr Kompetenzen zuzugestehen, um schnell auf regionale Veränderungen reagieren zu können. Die Zentrale in Hamburg wurde ausgedünnt und konzentriert sich heute auf strategische und globale Aufgaben. Das heißt auch: 1000 der derzeit weltweit 18 000 Arbeitsplätze fallen weg.

Der Umbau läuft noch, erste Erfolge sind aber schon sichtbar: Obwohl das Unternehmen Produkte vom Markt genommen hat, steigerte Beiersdorf in den ersten drei Quartalen 2011 seinen Umsatz um gut zwei Prozent auf rund 4,3 Milliarden Euro, die Umsatzrendite blieb bei gut elf Prozent konstant. Das Kerngeschäft Hautpflege wächst mittlerweile überdurchschnittlich, für 2012 erwartet Beiersdorf in diesem Bereich ein Umsatzplus von zehn bis elf Prozent, mittelfristig soll die Umsatzrendite auf 14 Prozent steigen.

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