Interview aus dem Jahr 2016 Die Management-Prinzipien von Kazuo Inamori

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Die Management-Prinzipien von Kazuo Inamori

Wie lassen sich Ihre Management-Ideen und die Forderung nach mehr Ertrag für die Aktionäre miteinander vereinbaren?
Aktionäre erwarten einen gewissen Ertrag dafür, dass sie die Aktien halten. In dieser Erwartung kaufen sie die Papiere. Das Unternehmen wird ihre Erwartungen nicht hundertprozentig erfüllen, aber es sollte jede Anstrengung unternehmen, möglichst viel zu bezahlen.

In welchem Maße sollten Manager über die Ertragssteigerung für die Aktionäre nachdenken
Das ist eine sehr schwierige Frage für das Management. Wenn es eine exzellente Firma ist und genug Gewinn gemacht wird, dann sollte der Ertrag nach Abzug von Steuern und Rücklagen mit den Aktionären geteilt werden. Aber Konzernleiter sollten nicht für Aktionäre arbeiten, sondern danach streben, alle ihre Angestellten glücklich zu machen, sowohl materiell als auch intellektuell.

Firmen wie Apple und Amazon sparen gerne kreativ Steuern. In Ihrem Denken sollte eine Firma aber Steuern als Beitrag für die Gesellschaft zahlen. Wie sehen Sie diesen Widerspruch?
Ich finde es befremdlich, jedes Mittel zu nutzen, um so wenig Steuern wie möglich zu zahlen und mit viel Weisheit und Einfallsreichtum die Schlupflöcher zu finden, auch wenn in westlichen Ländern dies als eine Kompetenz von Managern betrachtet wird.

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Ich weiß nicht viel über westliche Geschichte, aber am Ursprung des Kapitalismus standen Protestanten mit edlen Gedanken und tiefen religiösen Überzeugungen, dass man für seine Anstrengungen belohnt werden kann, ohne dass man dafür kritisiert wird. Der heutige Kapitalismus verliert dieses ursprüngliche Fundament gerade. Er ist zu extrem auf die egoistische Idee orientiert. Jetzt ist hoffentlich die Zeit gekommen, dass die Menschen sich auf den Ursprung besinnen.

Eine Erklärung für diesen extremen Kapitalismus ist, dass es kein ideologisches Gegenmodell mehr gibt.
Ja, das Verschwinden des Sozialismus hat den Kapitalismus stark beeinflusst. Meiner Meinung nach ist Sozialismus keine falsche Ideologie. Die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion war kein Sozialismus. Ich glaube, dass der heutige Kapitalismus das sozialistische Denken integrieren müsste.

Wenn man Ihre Bücher liest, könnte man meinen, Sie wollen Sozialismus mit Gewinnstreben verbinden. Sind Ihre Ideen also sozialistisch?
Das kann sein. Mein Denken ist von sozialistischen Standpunkten gefärbt. Ich bin auch immer ein Freund von Parteien gewesen, die durch sozialistisches Denken beeinflusst sind, während die Regierungspartei in Japan den Kapitalismus lobt.

Woher kommt dieser sozialistische Einfluss?
In meinem Fall wohl aus dem Buddhismus. Aber da gibt es keinen Unterschied zum Christentum. Was Jesus sagen wollte, ist nichts anders, als was Godhama Buddha sagen wollte. Dieses soziale Denken ist universell.

Andererseits haben Sie das Amöben-Management erfunden. Eine Firma wird in kleine Profit-Zentren (Amöben) aufgeteilt. Jeder Mitarbeiter soll denken wie ein Unternehmer. Solches Startup-Denken ist doch nur kurz nach der Gründung möglich.
Als ich jung war, habe ich intensiv über Führung nachgedacht. Es ist wie beim großen Treck nach Westen bei der Gründung von Amerika. Ein Führer muss eine starke Vision haben, damit jeder seine Energie für das gemeinsame Ziel mobilisieren kann. Beim Startup-Unternehmen ist es das Gleiche. Mitarbeiter, die später in diese Firma eintreten, sollen auch den Eindruck gewinnen, dass sie eine gute Entscheidung getroffen haben. Diese Art von Führung mit einem großen Ziel ist sehr wichtig. Viele Leute geben sich mit dem Erreichten zufrieden. Aber dann hätten diese Wagentrecks nie Kalifornien erreicht. Und der Führer muss die Nachfolgegeneration ausbilden.

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Von dieser Art von Führern gibt es aber nicht viele in der Welt, was für erfolgreiche Firmen ein Problem ist.
Es gibt exzellente Nachfolger! Wir müssen sie nur finden, und wenn sie noch unreif sind, müssen wir sie noch ausbilden. Bei Kyocera zum Beispiel habe ich eine solche Person schon identifiziert.

Und wie haben Sie das gemacht?
Das ist natürlich nicht einfach. Es muss jemand sein, der eine klare Vision als Mensch hat, bescheiden ist und Leidenschaft für das Erreichen seiner Ziele zeigt. Diese Person muss viele Schwierigkeiten überwinden können und zugleich dankbar für die Menschen in seiner Umgebung sein.

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Doch, man muss eine Richtung haben, in die man gehen will. Das Ziel sollte klar sein. Ohne Ziel ist alles nichts. Also ist die Vision ein Minimum. Materiell und spirituell. Dieses Ziel können Umsatz- und Gewinnzahlen sein und zugleich könnte es das Glück der Beschäftigten sein.

Westliche Manager wechseln ihre Firmen eher häufig und schnell. Wie lang muss man bei einer Firma bleiben, um eine Vision zu verwirklichen?
Wer nur fünf Jahre bleibt und dann weiterzieht, der ist nur gut in Management-Techniken und Geschäftstaktiken. Eine Vision muss auch Persönlichkeit, Integrität, Charme, Attraktivität und Charisma umfassen, damit andere Leute dieser Person folgen. Fertigkeiten und Techniken sind typisch für westliche Manager, aber das ist nicht am wichtigsten.

Aber wer sich so reinhängt in seine Vision, dem droht ein Burnout. Ist diese Krankheit ein Nebeneffekt des extremen Kapitalismus oder liegt es an der einzelnen Person?
Beides ist richtig. Auf der einen Seite der Missbrauch durch den extremen Kapitalismus, auf der anderen Seite auch persönliche Verantwortung. Wahrscheinlich denken diese Leute, dass sie zur Arbeit gezwungen sind, was viel Stress verursacht. Deshalb sage ich meinen Mitarbeitern immer, dass sie ihre Arbeit lieben soll, egal welche Arbeit man ihnen gibt. Der Unterschied zwischen Arbeit, die ich gezwungen bin zu machen und die ich liebe, ist riesengroß.

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Dieses Interview wurde im Jahr 2016 geführt und wird aus aktuellem Anlass noch mal gezeigt.

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